Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern: Stimmbindung vereinbaren?

In drei Entscheidungen hatte das Bundessozialgericht (BSG) in 2015 zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen sich Geschäftsführer ohne Mehrheitsbeteiligung von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht befreien lassen können. Die Entscheidungen waren „erforderlich“, nachdem mehrere Landessozialgerichte jeweils eine vertragliche Stimmbindung als ausreichend gesehen hatten, um eine unternehmerische Stellung eines Minderheitsgesellschafters zu begründen.

Nach Ansicht der Landessozialgerichte konnten Minderheitsgesellschafter über eine vertragliche Stimmbindungsvereinbarung demnach der Sozialversicherungspflicht „entgehen“ (siehe z.B. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.11.2014, L 4 R 556/13). In der Gestaltungspraxis sind die besagten Stimmbindungsklauseln daher oft verwendet worden. Das BSG hat rein schuldrechtlichen Abreden dann jedoch eine Absage erteilt (BSG, Urteile vom 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, B 12 R 2/14 R, B 12 KR 10/14 R; siehe aktuell auch LSG Baden-Württemberg  v. 23.11.2016 – L 5 R 50/16  und LSG Hessen  v. 06.07.2017 – L 8 KR 61/16).

Das BSG bejahte zwar die Zulässigkeit einer außerhalb des formgebundenen Gesellschaftsvertrags privatschriftlich getroffenen Stimmrechtsvereinbarung. Allerdings sind solche Abreden nach Ansicht des BSG nicht geeignet, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, da der Stimmbindungsvertrag von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (zu Einzelheiten vgl. Bosse in NWB Nr. 5 vom 1.2.2016 Seite 352). Weiterlesen

Umwandlungshemmnis „Investitionsabzugsbetrag“

Zugegebenermaßen bin ich kein Freund von Investitionsabzugsbeträgen (IAB) – zumindest wenn sie aus steuerlichen Gründen „nicht unbedingt benötigt werden.“ Anders ausgedrückt: Wenn ohnehin genügend Liquidität vorhanden ist und die Gewinne stabil sind, Spitzen also nicht „geglättet werden müssen“, ist die Bildung eines IAB meines Erachtens zu hinterfragen. Zudem entsteht eine gewisse „Sucht der Steuerpflichtigen“ nach der Bildung von IAB. Ich weiß allerdings, dass ich mit meiner Meinung eher allein dastehe.

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Stuttgarter Verfahren – Was war das nochmal?

Es war einmal vor langer Zeit – da gab es das „Stuttgarter Verfahren.“ Die älteren unter uns werden sich noch daran erinnern. Die jüngeren verbinden damit vielleicht eher irgendetwas mit Bahnhöfen und Wutbürgern. Doch das Stuttgarter Verfahren lebt, und zwar in alten GmbH-Gesellschaftsverträgen, in denen sehr häufig als Abfindungsregelung bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Wertberechnung nach ebenjenem Stuttgarter Verfahren vorgesehen ist.

Diese Abfindungsklauseln sind selten überprüft worden, fallen einigen GmbH-Gesellschaftern nun aber „auf die Füße.“ Denn oftmals wird aus heutiger Sicht eine Abfindungsberechnung nach dem Stuttgarter Verfahren eigentlich nicht gewünscht – zumindest nicht von dem ausscheidenden Gesellschafter, denn das Verfahren kommt regelmäßig zu Werten, die (erheblich) unter den Verkehrswerten liegen, so dass die Klauseln oftmals einen gewissen „Strafcharakter“ in sich bergen. Weiterlesen

Drohender Verlust von Gesellschafterdarlehen – hilft nur noch der Verkauf?

Hat ein Gesellschafter „seiner“ GmbH  ein Darlehen gewährt, das nun ganz oder teilweise auszufallen droht, führt der Forderungsausfall grundsätzlich nicht mehr zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, wie der BFH mit Urteil vom 11.7.2017 (IX R 36/15) entschieden hat. Das Urteil des BFH hat große Auswirkung auf die Finanzierung von Kapitalgesellschaften durch Gesellschafterdarlehen und die Absicherung von Darlehen durch Bürgschaften des Gesellschafters.

Die Entscheidung dürfte sicherlich allgemein bekannt sein, so dass ich sie an dieser Stelle nicht näher vorstellen möchte. Die Frage ist jedoch, was Betroffene nun tun können, um den Wertverlust eines Gesellschafterdarlehens doch noch steuerlich geltend machen zu können. Antwort: Weiterlesen

Gewerbesteuerpflicht einer vermögensverwaltenden GmbH vor Eintragung ins Handelsregister

Wer plant, eine vermögensverwaltende GmbH zu gründen, sollte aktuell das Urteil des BFH vom 24.1.2017 (I R 81/15) beachten, das zumindest dann für erhebliches Risikopotenzial sorgt, wenn zwischen dem Abschluss des Notarvertrages und der Eintragung ins Handelsregister ein längerer Zeitraum liegt. Der BFH hat nämlich entscheiden, dass eine vermögensverwaltend tätige Kapitalgesellschaft vor ihrer Eintragung in das Handelsregister (sog. Vorgesellschaft) der Gewerbesteuer unterliegt, wenn sie in dem Zeitraum zwischen Gründung und Handelsregistereintragung (vermögensverwaltende) Tätigkeiten entfaltet, die über den Kreis bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgehen.

Der zugrundeliegende Sachverhalt war kompliziert. Im Kern ging es aber darum, dass eine GmbH (Vorgesellschaft) ihren Gesellschaftern unmittelbar nach Abschluss des Notarvertrages Darlehen zur Immobilienfinanzierung gewährt hatte. Weiterlesen

Umsatztantieme für Gesellschafter-Geschäftsführer zulässig?

Zugegebenermaßen bin ich kein Freund von Umsatztantiemen für Gesellschafter-Geschäftsführer. Aus meiner Sicht sollten Anstellungsverträge so abgefasst sein, dass sie den gängigen Voraussetzungen (keine Umsatztantieme, keine Nur-Tantieme, Beachtung der 75:25-Prozent-Regelung usw.) entsprechen, so dass es im Rahmen von Betriebsprüfungen erst gar nicht zu Diskussionen kommt.

Allerdings weiß ich, dass meine Wunschvorstellung mit der Praxis nicht immer übereinstimmt, so dass an mich immer wieder Fälle herangetragen werden, in denen es mit der Finanzverwaltung zu Streit über Tantiemevereinbarungen gekommen ist. In diesem Fall bleibt nichts anderes übrig als nach guten Argumenten zu suchen, um die mehr oder weniger unübliche Gestaltung doch noch irgendwie zu retten.

Im Zusammenhang mit Umsatztantiemen bin ich kürzlich auf ein interessantes Urteil gestoßen, dass ich hier kurz vorstellen möchte. Weiterlesen

Bei Gericht: Interessante Steuerstreitigkeiten im Juni 2017

Wie gewohnt an dieser Stelle wieder drei neue Anhängigkeiten beim Bundesfinanzhof im München. Diesmal geht es um den Einfluss statistischer Erwartungen auf die Überschussprognose bei Vermietung und Verpachtung, die Frage nach der Vorschrift bei Veräußerung von Vorratsgesellschaften und um eine (neue) Frage zum nachträglichen Schuldzinsenabzug.  Weiterlesen

Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen – Auch für eine GmbH?

Die Entwicklungen rund um die Umsatzsteuerbefreiung für Lehrer und Dozenten stagnieren derzeit etwas. Als Ursache lässt sich leicht die bekannte Behäbigkeit des Gesetzgebers identifizieren. Das gibt in der Zwischenzeit allerdings der Rechtsprechung Gelegenheit, eine zielführende Schneise ins Regelungsdickicht zu schlagen.

Durchaus klärungsbedürftig erscheint etwa die Frage, ob die Steuerbefreiung für Privatlehrer nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie auch auf juristische Personen Anwendung findet. Die Finanzverwaltung verneint dies (natürlich). Zur Begründung wird ein „historisches Begriffsverständnis“ angeführt. Da die Finanzverwaltung solche Behauptungen ja ohnehin nie empirisch untermauert, muss man sich letztlich auch nicht die Mühe machen, das zu kommentieren. Vermutlich hat man schlicht übersehen, wie weit man in der Historie für dieses Argument zurückgehen muss. Irgendwann in der Menschheitsgeschichte glaubte man ja schließlich auch, die Erde sei eine Scheibe. Weiterlesen

Pensionszusage – Ist ein Erdienbarkeits-Zeitraum von zehn Jahren noch angemessen?

Schon häufiger habe ich kritisiert, dass vom BFH irgendwann einmal aufgestellte Regeln, Grenzen oder pauschale Annahmen von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten mitunter auch noch nach Jahrzehnten ohne jegliche Untersuchung weiter angewandt werden, obwohl sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Zwischenzeit umfassend geändert haben (siehe zum Beispiel „Tantieme: Steuerliche Angemessenheits-Regelungen sind dringend reformbedürftig“). Zugegebenermaßen habe ich dabei in der Regel den Blickwinkel des Steuerberaters.

Heute möchte ich aber einen anderen Punkt beleuchten, bei dem ich mir möglicherweise den Unmut der Berufskollegen zuziehe: Es geht um den Erdienbarkeitszeitraum für die Versorgungszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer. Zuletzt im Urteil vom 20.07.2016 (I R 33/15), bei dem es um eine Unterstützungskasse ging, hat der BFH noch wie folgt entschieden: Weiterlesen

Inkongruente Gewinnausschüttungen sind ok!

Unter einer inkongruenten Gewinnausschüttung versteht man eine Ausschüttung, die nicht in Übereinstimmung mit den Beteiligungsverhältnissen an der GmbH erfolgt. Der Fiskus wittert dabei häufig einen Gestaltungsmissbrauch.  Weiterlesen