Immobilienkonzerne im Fokus der BaFin? Eine kurze Einordnung der Ereignisse seit Beginn des Erdbebens auf dem Immobilienmarkt

Adler Real Estate, Deutsche Konsum REIT, FCR Immobilien, NSI Asset – was haben diese Konzerne gemeinsam? Die BaFin prüft die Bilanzen der vier Unternehmen. Was Besondere daran? Es sind alles Immobilienkonzerne.

Wieso dies bekannt ist? Als Folge des Wirecard-Skandals kann die BaFin nach der damaligen Reform (Stichwort: FISG) bereits zu Beginn der Bilanzkontrolle eine Prüfungsanordnung veröffentlichen. Wenn die BaFin darüber informiert, ist Vorsicht geboten.

Was eine Prüfungsanordnung bedeutet

Seit Januar 2022 hat die BaFin die Möglichkeit, die Öffentlichkeit bereits bei Beginn einer Bilanzkontrolle eines Unternehmens zu informieren und damit Transparenz zu schaffen. Wann sie dies nutzt? Eine Prüfungsanordnung wird nur veröffentlicht, wenn es konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften gibt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen nicht zufällig ausgewählt wird (sog. Stichprobenprüfung), sondern es sich um eine sog. Anlassprüfung handelt. Weiterlesen

Scheitert das Wachstumschancengesetz im Bundesrat?

Am 24.11.2023 soll der Bundesrat dem Wachstumschancengesetz abschließend zustimmen, doch ein Teil der Fachausschüsse empfehlen dem Bundesrat, die Zustimmung zu verweigern, wenigstens aber den Vermittlungsausschuss anzurufen. Droht der Ampelregierung das nächste parlamentarische Desaster?

Hintergrund

Am 17.11.2023 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung das sog. Wachstumschancengesetz beschlossen (BT-Drs. 20/8626; BT-Drs. 20/9006). Ziel des Gesetzes ist, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu stärken. Der Bundesrat hatte sich bereits am 29.9.2023 mit dem Gesetzentwurf der Ampelregierung befasst und dabei über 50 konkrete Änderungsvorschläge gemacht, von denen aber nur wenige Eingang in das finale Gesetz gefunden haben. Wegen Eilbedürftigkeit nach dem Bundestagsbeschluss vom 17.11.2023 hat der Bundesrat auf die Einhaltung der sonst üblichen dreiwöchigen Beratungsfrist verzichtet.

Ausschüsse im Bundesrat äußern Bedenken

Das Gesetz bedarf zwingend der Zustimmung des Bundesrates, andernfalls kann es nicht in Kraft treten. Weiterlesen

Update Bundeshaushalt 2024: Sondersitzung des Haushaltsausschusses kurzfristig abgesagt – Der Zeitplan kommt ins Rutschen

Die für den 23.11.2023 geplante Sondersitzung des Haushaltsauschusses des Bundestages wurde am 22.11.2023 kurzfristig abgesagt. Was bedeutet das für den ausstehenden Bundeshaushalt 2024?

Hintergrund

Art. 110 des Grundgesetzes (GG) sieht vor, dass der Deutsche Bundestag das Budgetrecht hat und den Haushaltsplan festlegt, in dem sämtliche Ausgaben des Bundes offengelegt werden müssen. Die Entwürfe der Einzelpläne für den Bundeshaushalt 2024 hatte der Bundestag in erster Lesung im September 2023 beraten. Danach gingen die Einzelpläne zur „Feinjustierung“ in die Ausschüsse. Korrekturen berät der Haushaltsausschuss des Bundestages in einer sog. „Bereinigungssitzung“, seine Vorschläge werden dann abschließend im Plenum des Bundestages verhandelt und abgestimmt. Der Haushaltsausschuss hat am 17.11.2023 in den frühen Stunden die Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt 2024 beendet, jedoch keinen Beschluss über das Haushaltsgesetz sowie über das Haushaltsfinanzierungsgesetz gefasst.

Es gab zahlreiche Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen zu den Einzelplänen, vor allem standen die Einzelpläne 32 (Bundesschuld) und 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) noch offen. Damit standen auch die Eckdaten des Haushalts 2024 noch nicht fest. Deshalb sollte eine erneute Bereinigungssitzung am 23.11.2023 stattfinden – die nun abgesagt wurde.

Überraschende (?) Absage der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses

Die Absage der Sondersitzung kommt eigentlich nicht mehr überraschend. Das BVerfG (15.11.2023 – 2 BvF 1/22) hatte den Nachtragsetat, der eine Verschiebung von pandemiebedingten Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Mrd. Euro in den Klima- und Transformationsfonds vorsah, für verfassungswidrig und nichtig erklärt (ich hatte hierzu im Blog berichtet). Die Entscheidung hat wesentliche Konsequenzen für die Finanzplanung der Bundesregierung und könnte zudem grundsätzliche Wirkungen etwa für den Umgang mit Sondervermögen des Bundes bedeuten. Die Union hatte deshalb erklärt, dass aufgrund dieser möglichen Folgen der Haushaltsentwurf nicht verabschiedungsreif sei, es bestünden zudem verfassungsrechtliche Risiken. Weiterlesen

Erneut: Horrende Belastung der Kapitalabfindung einer Direktversicherung ist rechtens

Wer sich eine Direktversicherung in einer Summe auszahlen lässt, muss die Kapitalabfindung als sonstige Einkünfte in voller Höhe versteuern, wenn bzw. soweit die Beiträge bei Einzahlung steuerfrei waren (§ 22 Nr. 5 EStG). Das betrifft nicht nur, aber doch zumeist die Versicherungen, die seit 2005 abgeschlossen worden sind, denn die per Gehaltsumwandlung aufgebrachten Beiträge waren bzw. sind nach § 3 Nr. 63 EStG in bestimmtem Umfang steuerfrei. Bei Altverträgen kam hingegen zumeist eine Pauschalversteuerung zum Zuge, so dass Kapitalauszahlungen vielfach steuerfrei bleiben.

Wenn eine Kapitalabfindung bei den sonstigen Einkünfte zu versteuern ist, sollte man doch zumindest meinen, dass die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG zum Zuge kommen müsste. Doch weit gefehlt: Diese wird nicht gewährt – zumindest dann nicht, wenn bereits in der ursprünglichen Versorgungsregelung ein Kapitalwahlrecht enthalten ist. Im Jahre 2021 hat das FG Münster entschieden, dass die volle Besteuerung der Einmalzahlung aus einer Direktversicherung verfassungsgemäß ist (Gerichtsbescheid vom 29.10.2020, 15 K 1271/16 E). Nunmehr hat das FG Münster diese Haltung bestätigt: Weiterlesen

Haushaltskrise nach dem BVerfG-Urteil – Ist der Bundeshaushalt 2024 wirklich beschlussfähig?

Am 21.11.2023 findet eine Sachverständigenanhörung zu den Auswirkungen des BVerfG-Urteils vom 15.11.2023 (2 BvF 1/22) auf die Haushaltsplanung 2024 statt, ab dem 28.11.2023 will der Bundestag die Einzelhaushaltspläne und das das Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 verabschieden. Aber: Ist der Bundeshaushalt 2024 wirklich beschlussreif?

Hintergrund

Es war ein Erdbeben: Am 15.11.2023 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Umwidmung von Corona-Krediten für Klimaprojekte im Nachtragshaushaltsgesetz des Bundes für 2021 für nichtig erklärt. Die Folge: Der Umfang des durch Umwidmung entstandenen Klima- und Technologiefonds (KTF) um 60 Milliarden Euro reduziert. Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren. Inzwischen hat die Bundesregierung deshalb auch deshalb die Haushaltssperre dem Vernehmen auf nahezu den gesamten Bundeshaushalt 2023 ausgeweitet: Bestehende Verbindlichkeiten werden zwar weiter eingehalten, neue Verpflichtungen dürfen aber nicht eingegangen werden.

Bundeshaushalt 2024 in der Klemme

Da der Bundeshaushalt 2024 auf dem Bundeshaushalt 2023 aufbaut, muss der Bundestag jetzt auch die komplexen haushaltsrechtlichen und finanzverfassungsrechtlichen Probleme lösen, die sich nach dem BVerfG-Verdikt auch für den Haushalt 2024 stellen. In der Expertenanhörung am 21.11.2022 hat etwa der Bundesrechnungshof (BRH) massive Bedenken gegen eine Verabschiedung formuliert, Verfassungsjuristen und Ökonomen haben ähnlich argumentiert. Fest steht jedenfalls, dass eine faktisch unbegrenzte Weiternutzung von notlagenbedingten Kreditermächtigungen in nachfolgenden Haushaltsjahren ohne Anrechnung auf die „Schuldenbremse“ bei gleichzeitiger Anrechnung als „Schulden“ im Haushaltsjahr unzulässig.

Welche Optionen für einen verfassungskonformen Haushalt bestehen also? Weiterlesen

Uneinigkeit der BFH-Senate: Bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge?

Mit einem am 2.11.2023 veröffentlichten Beschluss (BFH v. 16.10.2023 – V B 49/22 (AdV)) rückt der V. BFH-Senat von seiner bisherigen Ansicht ab und hat keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge, auch soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind. Der VIII. Senat (v. 22.9.2023 – VIII B 64/22 (AdV)) ist aber anderer Ansicht. Was ist bei so viel Uneinigkeit zu tun?

Hintergrund

Säumniszuschläge sind vom Steuerpflichtigen zusätzlich zur Steuer zu entrichtende steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO), wenn der Steuerpflichtige eine festgesetzte bzw. angemeldete Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet (§ 240 Abs. 1 S. 1 AO). Sie sind ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern. Sie dienen dazu, den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung anzuhalten. Sie stellen darüber hinaus eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung und einen Ausgleich für angefallenen Verwaltungsaufwand dar. Seit der Entscheidung des BVerfG v. 8.7.2021 (1 BvR 2237/14; 2422/17) zur Verfassungswidrigkeit der Finanzamtszinsen (§233a; 238 AO) wird auch die Angemessenheit von Säumniszuschlägen in Zweifel gezogen.

Divergierende BFH-Entscheidungen häufen sich

Inzwischen gibt es in der jüngsten Vergangenheit mehrere divergierende BFH-Entscheidungen in Aussetzungsverfahren zum Säumniszuschlag.

Der VIII. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 22.9.2023 (VIII B 64/22 (AdV)) noch ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Säumniszuschläge, die nach dem 31.12.2018 entstanden sind, bejaht und daher die Aussetzung der Vollziehung von Säumniszuschlägen gewährt. Bis dahin sah das auch der V. BFH-Senat so (BFH vom 23.5.2022 V B 4/22 (AdV)).

In zwei Hauptsacheverfahren hat der VII.Senat verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Säumniszuschlags verneint (BFH v. 23.8.2022 – VII R 21/21 und BFH v. 15.11.2022 – VII R 55/20). Am 26.10.2023 und 2.11.2023 wurden jetzt neue Entscheidungen des X. und V. BFH-Senats veröffentlicht, in denen verfassungsrechtliche Zweifel ab 2019 nunmehr verneint werden (BFH v. 13.9.2023 – X B 52/23 (AdV); BFH v. 16.10.2023 V B 49/22 (AdV)).

Der V. Senat des BFH macht eine Rolle rückwärts und verabschiedet sich von seinen Zweifeln, die er am 23.5.2022 noch geäußert hat. Er begründet das – im Anschluss an den VII.BFH-Senat – insbesondere damit, dass die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen nicht Haupt-, sondern nur Nebenzweck sei (BFHE 278, 403, BStBl II 2023, 621, Rz 23 und BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304, Rz 32 f.), und sich beim Säumniszuschlag kein konkreter Anteil bestimmen lasse, der als Zins behandelt werden könne. Das gelte – und das ist neu -auch um Säumniszuschläge für Entstehungszeiträume nach dem 31.12.2018.

Was sollten Steuerpflichtige in dieser Situation tun?

Bei einer derart divergierenden „summarischen Beurteilung“ der Rechtslage liegen  „ernstliche Zweifel“ iSd. § 69 Abs. 3 Satz 1 iVm. Abs. 2 Satz 2 FGO für eine Aussetzung der Vollziehung eigentlich auf der Hand. Dass die Mehrheit der BFH-Senate bislang dennoch die Aussetzung der Vollziehung versagt, ist in der Praxis kaum vermittelbar und klingt wenig einleuchtend.

Was sollten betroffene Steuerpflichtige bzw. deren steuerlichen Berater in dieser Unsicherheit also tun? Entsprechende Verfahren und Abrechnungsbescheide über Säumniszuschläge sind nach Möglichkeit offenzuhalten, bis die angesprochenen Rechtsfragen endgültig geklärt ist. Die Erfolgsaussichten für Anträge auf Aussetzung der Vollziehung sollte der BFH einheitlich beantworten – notfalls durch ein Machtwort des Großen Senats.

 

Bundestag beschließt Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten

Der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten für Wirtschaft und Bürger beschlossen, allerdings nach den Ausschussberatungen mit einigen Modifikationen. Die Fachverbände üben Kritik.

Hintergrund

Mit dem Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz – EWPBG (BGBl 2022 I S. 2560) und dem Strompreisbremsengesetz – StromPBG (BGBl 2022 I S. 2512) hat der Bund ab Januar 2023 weitere Entlastungen bei Erdgas, Fernwärme und Strom auf den Weg gebracht (Jahn, NWB 2022, 3736). Gas-/Wärme- bzw. Strompreisbremse gelten im Zeitraum vom 1.3.2023 bis Jahresende. Hinzu kamen weitere Entlastungsmaßnahmen mit der Differenzpreisanpassungsverordnung (DABV), einer wesentlichen Stellschraube der Preisentwicklung an den Energiemärkten, oder der reduzierten Senkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen.

Verkürzte Verlängerung der Energiepreisbremsen und Verlängerung der Differenzpreisanpassungsverordnung bis Ende März 2024

Am 16.11.2023 hat der Bundestag der Verordnung der Bundesregierung zur Verlängerung der Energiepreisbremsen – Preisbremsenverlängerungs-Verordnung (PBVV/BT-Drs. 20/9062, BT-Drs. 20/9243 Nr. 2.3) mit Änderungen zugestimmt. Danach werden die zum Jahresende auslaufenden Preisbremsen für Strom, Gas und Wärme um vier Monate bis 31.3.2024 verlängert, und nicht wie zunächst vorgesehen bis 30.4.2024 (Jahn, NWB 2023 S. 3123); ferner wird die Differenzpreisanpassungsverordnung (DABV v. 17.3.2023, BGBl 2023 I Nr.81) bis 31.3.2024 verlängert. Dazu hat der Ausschuss für Klimaschutz und Energie eine Beschlussempfehlung (BT Drs.20/9346) und der Haushaltsausschuss gem. § 96 der GeschO einen Bericht zur Finanzierbarkeit (BT-Drs. 20/9370) vorgelegt. In den Ausschussberatungen wurde deutlich, dass ein zeitlicher Gleichlauf der Preisbremsen zum Entwurf der Verlängerung des Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF) der EU angezeigt ist und auch die DABV verlängert werden muss. Die Änderungen beinhalten die Verlängerung der Energiepreisbremsen sowie zusätzlich der DABV bis zum 31.3.2024. Zudem soll die Strompreisbremse nicht für Letztverbraucher verlängert werden, soweit dieser Strom an einen Dritten weiterleitet.

Zum Verständnis: Nach § 48 Abs. 2 Strompreisbremsegesetz (StromPBG) sowie nach § 39 Abs. 3 Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) bedürfen die aufgrund des § 48 Abs. 2 StromPBG bzw. § 39 Abs. 1 und 2 EWPBG erlassenen Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundestages. Der Bundestag kann seine Zustimmung davon abhängig machen, dass seine Änderungswünsche übernommen werden. Übernimmt der Verordnungsgeber die Änderungen, ist eine erneute Beschlussfassung durch den Bundestag nicht erforderlich. Die Verordnung soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, steht aber unter dem beihilferechtlichen Vorbehalt, dass die EU-Kommission die erforderliche Genehmigung erteilt, die vom BMWK im Bundesgesetzblatt bekannt zu machen ist.

Abgesenkte Umsatzsteuer auf Gas bis Ende Februar 2024

Die abgesenkte Mehrwertsteuer für Gas und Wärme soll nun doch bis Ende Februar (29.2.2024) gelten und nicht schon – wie von der Bundesregierung vorgeschlagen – am 31.12.2023 auslaufen. Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts v. 11.10.2023 sollte die Rückkehr zum Umsatzsteuer-Regelsatz von 19 % auf Gas  bereits ab dem 1.1.2024 erfolgen, also drei Monate früher als im Gesetz (§ 28 Abs. 5, 6 UStG i. d. F. des StSenkG v. 19.10.2022) bislang vorgesehen. Die um zwei Monate verlängerte Frist zur Rückkehr von 7% auf 19% Umsatzsteuer geht aus einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Wachstumschancengesetz (BT-Drs. 20 /9341, S. 125) hervor, über das der Bundestag am 17.11.2023 beschlossen hat.

Berechtigte Verbändekritik der Energie- und Kommunalversorger

Die Verbände der Energiewirtschaft und Kommunalversorger haben die „in letzter Sekunde“ erfolgten Fristenänderungen kritisiert: So verständlich und sinnvoll es sei, die Umsatzsteuersenkung auf Gas und Wärme nicht – wie zwischenzeitlich geplant – bereits zum 1.1.2024 zu erhöhen, so unverständlich sei, dass deren Laufzeit nicht an die der Energiepreisbremsen angepasst wurde, sondern einen Monat früher enden soll. „Die Vorschläge mit zwei Umstellungsterminen im Vier-Wochen-Abstand machen das Ganze zusätzlich und unnötig kompliziert und für die Verbraucherinnen und Verbraucher wenig nachvollziehbar: Steuern erhöhen, weil die Krise vorbei sei und gleichzeitig Preisbremsen verlängern, weil die Krise noch anhalte – das widerspricht sich.“ Dies erhöhe den Aufwand bei Abrechnungen. Diese Kritik ist plausibel und nachvollziehbar.

(Stand 17.11.2023 – 12.30 Uhr)

Weitere Informationen:

Steuerfreie SFN-Zuschläge: Erneute Niederlage für die Finanzverwaltung

§ 3b EStG regelt die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit (SFN-Zuschläge). Kürzlich hatte ich in dem Blog-Beitrag „Steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit: Aufzeichnungen sind kein Selbstzweck“ darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung an die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers keine überbordenden Anforderungen stellen darf und dabei auf ein Urteil des Schleswig-Holsteinisches FG vom 9.11.2022 (4 K 145/20) hingewiesen. Heute möchte ich ein weiteres Urteil vorstellen, dieses Mal des BFH. Es geht um die Frage, wie der Grundlohn zu bemessen ist, der bei der Höhe der maximal zulässigen SFN-Zuschläge eine entscheidende Rolle spielt.

Das BFH-Urteil lautet: Der für die Bemessung der Steuerfreiheit von Zuschlägen zur Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit maßgebende Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum arbeitsvertraglich zusteht. Ob und in welchem Umfang der Grundlohn dem Arbeitnehmer tatsächlich zufließt, ist für die Bemessung der Steuerfreiheit der Zuschläge daher ohne Belang (BFH-Urteil vom 10.8.2023, VI R 11/21).

Der Sachverhalt:

Der Arbeitgeber gewährte seinen Arbeitnehmern steuerfreie SFN-Zuschläge. Bei der Berechnung des maßgeblichen Grundlohns bezog er – aufgrund einer Gehaltsumwandlung – entrichtete Beiträge an eine zugunsten der Arbeitnehmer eingerichtete Unterstützungskasse ein. Weder die erteilte Leistungszusage des Arbeitgebers auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung noch der Leistungsplan der Unterstützungskasse vermittelten den versorgungsberechtigten Arbeitnehmern einen eigenen Leistungsanspruch gegenüber der Unterstützungskasse. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Beiträge an die Unterstützungskasse nicht zum Grundlohn nach § 3b Abs. 2 EStG gehörten. Grundlohn sei danach der laufende Arbeitslohn. Hierunter sei nicht das arbeitsvertraglich geschuldete, sondern das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt zu verstehen. Einspruch und Klage blieben erfolglos, doch der BFH hat das Urteil aufgehoben.

Die Begründung in aller Kürze:

Durch die Steuerfreiheit der Zuschläge für den Dienst zu den begünstigten Zeiten soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen der mit Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten, die den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stören, gewährt werden. Dieser Ausgleich kann jedoch nur gelingen, wenn die Höhe der Steuerfreiheit nach dem vereinbarten, nicht aber nach dem tatsächlich zugeflossenen laufenden Arbeitslohn bestimmt wird. Denn nur dann kann der Arbeitnehmer von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses und vor Ableistung des Dienstes zu den begünstigten Zeiten ersehen, in welcher Höhe die Zuschläge vom Arbeitgeber steuerfrei zu gewähren sind.

Denkanstoß:

Das BFH-Urteil ist erfreulich und erweitert den finanziellen Spielraum für die Gewährung von SFN-Zuschlägen. Das Thema „Grundlohn“ wird uns aber weiter beschäftigen. So ist zu der Frage, wie Entgelte für Bereitschaftsdienste im Rahmen der Ermittlung des Grundlohns zu berücksichtigen sind, beim BFH eine weitere Revision anhängig (Az. VI R 1/22).

Warten auf´s Christkind ohne happy end: Mehrwertsteuer in der Gastronomie steigt wieder auf 19 Prozent

Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie wird zu Jahresbeginn wieder auf 19 Prozent angehoben. Darauf verständigte sich die Ampel-Koalition. Der Kampf der Verbände war umsonst. Was hat das für Folgen?

Hintergrund

Ich hatte wiederholt im Blog berichtet: Um die Gastronomie während der Corona-Krise zu entlasten, war der Steuerersatz durch das Corona-Steuerhilfegesetz (BGBl 2020 I S. 1385) auch für Speisen in Restaurants und Cafés vorübergehend von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden. Die Regelung wurde wegen der Energiekrise mehrmals verlängert, zuletzt bis 31.12.2023. Im Bundestag gab es zahlreiche Initiativen der Opposition, die Mehrsteuersenkung auf Speisen dauerhaft zu entfristen oder wenigstens um ein weiteres Jahr zu verlängern. Daraus wird jetzt nichts: Die Umsatzsteuer auf Dienstleistungen und Speisen wird ab 1.1.2024 wieder auf den Regelsteuersatz steigen.

Warum hat sich die Regierungsmehrheit den Senkungsplänen widersetzt? Weiterlesen

Kosten einer Pflege-Wohngemeinschaft als außergewöhnliche Belastungen

Seit jeher ist anerkannt, dass Aufwendungen für die Unterbringung in einem Pflegeheim wegen Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Krankheit als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind. Nun sind in den vergangenen Jahren aber zunehmend so genannte Pflege-Wohngemeinschaften entstanden. Und hier stellt sich die Frage, ob auch die Kosten für diese Wohngemeinschaften als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können. Das FG Köln hatte dies bejaht (Urteil vom 30.9.2020, 3 K 1858/18). Nunmehr hat der BFH die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamts zurückgewiesen (BFH-Urteil vom 10.8.2023, VI R 40/20).

Der Sachverhalt:

Der 1965 geborene Kläger ist aufgrund eines Motorradunfalls schwerbehindert. Neben einem Grad der Behinderung von 100 weist sein Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen G, B und H aus. Er ist von der Pflegekasse in Pflegegrad 4 eingestuft. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung Miet- und Verpflegungskosten für seine Unterbringung in einer Pflege-WG als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ab. Der Kläger sei nicht in einem Heim, sondern in einer Wohngemeinschaft mit Betreuungsleistungen, hier  i.S. des § 24 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (WTG NW), untergebracht. Dem folgten das FG Köln und auch der BFH jedoch nicht und berücksichtigten die Kosten als außergewöhnliche Belastungen. Abgezogen wurden allerdings die Haushaltsersparnis und die zumutbare Belastung. Der Behinderten-Pauschbetrag konnte im Übrigen nicht zusätzlich gewährt werden.

Begründung:

Die Begründung des FG lautete bereits: Die Unterbringung eines Menschen im arbeitsfähigen Alter in einer Pflege-WG ist außergewöhnlich. Auch ist kein Unterschied zwischen den verschiedenen, vom Gesetzgeber gleichermaßen anerkannten Formen der Unterbringung pflegebedürftiger Menschen ersichtlich. Der BFH argumentiert ähnlich: Aufwendungen sind als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sie mit einer Krankheit und der zu ihrer Heilung oder Linderung notwendigen Behandlung in einem adäquaten Zusammenhang stehen und nicht außerhalb des Üblichen liegen. Entsprechendes gelte, wenn der Steuerpflichtige behinderungsbedingt in einer dafür vorgesehenen Einrichtung untergebracht ist. Für den Abzug der Unterbringungskosten in einer Wohngemeinschaft mit (ambulanten) Betreuungsleistungen mache es keinen Unterschied, ob es sich hierbei um eine anbieterverantwortete Wohngemeinschaft oder um eine selbstverantwortete Wohngemeinschaft handelt. Denn beide Wohngemeinschaften dienen nicht anders als ein „Heim“ oder eine Einrichtung mit umfassendem Leistungsangebot zuvörderst dem Zweck, ältere oder pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen, in dem die notwendigen Betreuungs-, Pflege- und Versorgungsleistungen erbracht werden. Die Unterbringungskosten seien jedoch nur insoweit nach § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, als sie die Haushaltsersparnis übersteigen. Neben den Aufwendungen für die behinderungsbedingte Unterbringung ist der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG nicht zu berücksichtigen.

Denkanstoß:

Bereits mit Urteil vom 23.5.2002 (III R 24/01, BStBl 2002 II S. 567) hatte der BFH zwar entschieden: Kosten für die behinderungsbedingte Unterbringung in einer betreuten Wohngemeinschaft können außergewöhnliche Belastungen sein. Werden die Kosten vom Sozialhilfeträger übernommen, braucht die Notwendigkeit der Unterbringung nicht anhand eines amtsärztlichen Attestes nachgewiesen zu werden.  Die Frage, ob Voraussetzung für die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen ist, dass der Steuerpflichtige in einem Heim im Sinne des § 1 HeimG bzw. einer Einrichtung mit umfassenden Leistungsangebot im Sinne des § 18 WTG NW untergebracht ist, war aber dennoch höchstrichterlich nicht geklärt. Erfreulicherweise ist diese Klärung nun im Sinne der Steuerpflichtigen erfolgt.