Webinar oder Präsenzschulung? Betriebsrat entscheidet wo‘s hingeht!

Nicht der Arbeitgeber, sondern die Personalvertretung entscheidet, ob ihre Mitglieder in einem Webinar oder auswärtig in einem Präsenzseminar weitergebildet werden – so das BAG in einer aktuellen Entscheidung (BAG v. 7.2.2024 – 7 ABR 8/23).

Worum ging es im Streitfall?

Die beim Arbeitgeber eingerichtete Personalvertretung (PV) entsandte zwei ihrer Mitglieder zu einer mehrtägigen auswärtigen Grundlagenschulung nach dem BetrVG. Hierfür zahlte die Arbeitgeberin die Seminargebühr, verweigerte aber die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Dies begründete sie vor allem damit, die Mitglieder der PV hätten – kostengünstiger – an einem zeit- und inhaltsgleich angebotenen mehrtägigen Webinar desselben Schulungsanbieters teilnehmen können.

Wie hat das BAG entschieden?

Wie die Vorinstanzen hat auch das BAG den Arbeitgeber für verpflichtet gehalten, bei der betriebsverfassungsrechtlichen Schulung nicht nur die Schulungskosten, sondern auch die Kosten der auswärtigen Unterbringung und Verpflegung zu tragen. Weiterlesen

Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Warum die Bundesregierung mit der Ver-schärfung der Rotationspflicht für Wertpapierinstitute übers Ziel hinausschießt

Wieder einmal trifft es die Kleinen

Fast verdeckt hat die Bundesregierung ein neues Gesetz beschlossen, das kurz vor Silvester 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde: Das Kreditzweitmarktförderungsgesetz. Es betrifft unter anderem die Abschlussprüfung. Ach ja? Ja, Sie haben richtig gelesen. Doch es wurde keineswegs an der Reform für die „Großen“ gearbeitet, sondern vielmehr die Gesetze für die „Kleinen“ verschärft. Was genau es damit auf sich hat und wieso der Gesetzgeber hier meines Erachtens etwas zu streng ist? Die Antwort dazu erhalten Sie in diesem Beitrag.

Was der Gesetzgeber beschlossen hat

Die branchenübergreifende externe Rotationspflicht nach zehn Jahren war einer der Folgen des Wirecard-Skandals. Zur Erinnerung: Im Herbst 2021 standen die Bundestagswahlen an, daher war der Reformdruck sehr hoch und es wurde im Mai 2021 das FISG (Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität) im Bundestag beschlossen.

Während die EU bei weiteren Reformen der Abschlussprüfung schon vor einiger Zeit auf die Pause-Taste gedrückt hat (siehe meinen Beitrag „Vertane Chance – EU-Kommission verschiebt Reform der Abschlussprüfung“) prescht Deutschland weiter voran. Der Name ist mindestens so sperrig wie von der Reform im Mai 2023: Kreditzweitmarktförderungsgesetz.

Der Hintergrund des neuen Gesetzes, das Ende 2023 beschlossen wurde, ist der hohe Bestand notleidender Kredite in den Bilanzen europäischer Banken. Weiterlesen

Förderung nach § 35c EStG: Kommt es auf die vollständige „Begleichung“ der Rechnung an?

Seit dem 1.1.2020 werden bestimmte energetische Maßnahmen am Eigenheim über § 35c EStG steuerlich gefördert. Die Ermäßigung wird erstmals im Kalenderjahr des Abschlusses der energetischen Maßnahme gewährt. Es müssen aber zahlreiche Voraussetzung beachtet werden. Unter anderem muss die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt sein – Barzahlungen sind folglich nicht begünstigt.

Die Finanzverwaltung interpretiert das Zusammenspiel der Begriffe „Abschluss der energetischen Maßnahme“ und „Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers“ wohl ganz überwiegend in dem Sinne, dass die Förderung nach § 35c EStG erst ab der vollständigen Begleichung des Rechnungsbetrages in Betracht kommt. Wer also eine Ratenzahlung über den Veranlagungszeitraum hinaus vereinbart hat, kommt erst später in den Genuss der Steuerermäßigung. Doch ob diese Haltung korrekt ist, muss nun der BFH in dem Verfahren IX R 31/23 klären (Vorinstanz: FG München, Urteil vom 8.12.2023, 8 K 1534/23). Weiterlesen

Wird aus dem Wachstumschancengesetz nur noch eine Wachstumschancengesetz „light“?

Seit 24.11.2023 hängt das Wachstumschancengesetz, ein Prestigeobjekt der Bundesregierung aus dem Koalitionsvertrag, nun schon im Vermittlungsausschuss fest, der am 21.2.2024 abschließend beraten will. Sollte das Gesetz nicht endgültig scheitern, zeichnet sich schon jetzt ein deutlich reduziertes Entlastungsvolumen ab.

Hintergrund

Das im August 2023 von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte sog. WachstumschancenG wurde vom Bundestag abschließend am 17.11.2023 beschlossen (BT-Drs. 20/8628; 20/9341), vom Bundesrat nachfolgend am 24.11.2023 aber durch Anrufung des Vermittlungsausschusses blockiert (BR-Drs .588/23 (B)). Dieser will nun dem Vernehmen nach abschließend am 21.2.2024 über das Gesetzespaket abschließend beraten.

Regelungsschwerpunkte des Wachstumschancengesetzes

Ziel des (ursprünglichen) Wachstumschancengesetzes ist es, die Liquiditätssituation von Unternehmen zu verbessern sowie Impulse für Investitionen und Innovationen zu setzen sowie das Steuersystem zu vereinfachen und vor allem kleine Betriebe von Bürokratie zu entlasten. Dazu zählen nach dem Regierungsentwurf namentlich folgende Maßnahmen: Weiterlesen

Erwerb eines Grundstücksanteils aus Erbmasse ist keine Anschaffung

Heute möchte ich kurz auf ein aktuelles BFH-Urteil eingehen, mit dem ich mich zugegebenermaßen schwer tue. Der Leitsatz der Entscheidung lautet: Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft führt nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks (BFH-Urteil vom 26.9.2023, IX R 13/22).

Mit eigenen Worten: Sind zwei Personen Miterbe einer Immobilie geworden und kauft der eine Miterbe dem anderen seinen Anteil ab, so kann der nunmehrige Alleineigentümer das Grundstück unmittelbar nach dem Hinzuerwerb des Anteils vollkommen steuerfrei veräußern – es liegt kein „Spekulationsgeschäft“ vor. Nun aber zu dem konkreten Urteilsfall. Weiterlesen

Update: EU-Lieferkettengesetz vor dem Aus?

Die FDP will im EU-Ministerrat „in letzter Minute“ die Verabschiedung der sog. EU-Lieferketten-Richtlinie blockieren. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?

Hintergrund

Ich hatte bereits im Blog berichtet: Die EU-Kommission hatte am 23.2.2022 den Entwurf einer RL zur nachhaltigen Unternehmensführung, den Entwurf einer Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), die neben Vorgaben für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung auch menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten definiert. Betroffene Unternehmen müssen danach entlang der gesamten Wertschöpfungskette Risiken ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen und darüber berichten; dies gilt auch für vorgelagerte Ketten (z.B. Rohstoffabbau) wie nachgelagerte Ketten (Entsorgung).

Am 14.12.2023 hatten sich die Verhandlungsführer von EU-Rat und EU-Parlament über die CSDDD (sog. EU-Lieferkettenrichtlinie) geeinigt, deren Inhalt die Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LKSG, v. 16.7.2021, BGBl. I S.2159) noch verschärft; das deutsche LKSG müsste bei Umsetzung der EU-Lieferketten-RL angepasst werden.

Reichweite der unternehmerischen Verantwortung nach der CSDDD

Über das LKSG hinausgehend erfasst die CSDDD folgende Unternehmen: Weiterlesen

BFH: Außergewöhnliche Belastungen bei Aufwendungen für eine Fettabsaugung

Aufwendungen für eine Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems können jedenfalls ab dem Jahr 2016 ohne vorherige Vorlage eines vor den Operationen erstellten amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein. Das hat der BFH mit Urteil vom 10.08.2023 entschieden (BFH Az. VI R 36/20).

Zum Hintergrund

Die Klägerin (Kl.) machte in ihrer Einkommenssteuererklärung für das Streitjahr 2016 Aufwendungen für eine operative Fettabsaugung (Liposuktion) infolge eines Lipödems als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG geltend. Die Krankheit und die Erforderlichkeit der Operation wurde durch einen Arzt bestätigt. Die Krankenkasse der Kl. erstattete die entsprechenden Aufwendungen nicht.

Nach Durchführung der Operation bestätigte eine amtsärztliche Stellungnahme die medizinische Notwendigkeit der Liposuktion. Das FA verneinte das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung mangels Vorliegens eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vor Beginn der Behandlung gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 Buchst. f EStDV. Nach erfolglosem Einspruch wies auch das angerufene FG die Klage mit der Begründung zurück, dass die Notwendigkeit der Liposuktion nicht durch ein vor Durchführung der Operation ausgestelltes amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wurde und die Liposuktion (noch) keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode sei.

Entscheidung des BFH

Die Revision der Kl. war begründet und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Weiterlesen

Aufreger des Monats Februar: Tue Gutes und zahle noch drauf – BFH vermiest das FSJ

Bei der Erstausbildung eines Kindes wird das Kindergeld – fast – ohne „Wenn und Aber“ geleistet. Bei einer Zweitausbildung wird ein Kind hingegen nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Lediglich eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 2 u. 3 EStG). Immer natürlich vorausgesetzt, das Kind erfüllt die altersmäßigen Voraussetzungen.

Jedenfalls ist es kindergeldrechtlich von Vorteil, wenn eine Ausbildung noch als Erstausbildung gilt. Dabei können im Einzelfall auch ein Aufbaustudium, ein Masterstudium oder eine weiterführende Ausbildung noch der Erstausbildung zuzurechnen sein. Man spricht von einer einheitlichen Erstausbildung oder einer mehraktigen Berufsausbildung.

Wie der Bundesfinanzhof nun entschieden hat, liegt eine einheitliche Erstausbildung aber nur dann vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen. Weiterlesen

Beschränkung der betragsmäßigen Verlustverrechnung bei Termingeschäften – FG hat ernsthafte Zweifel

Verluste aus (gewissen) Kapitalanlagen sind aus Sicht des Fiskus Teufelszeug und sollen nach Möglichkeit nur eingeschränkt verrechnet werden können. Das hält die Finanzverwaltung selbstredend nicht davon ab, Gewinne vollumfänglich zu besteuern. Dieses Ungleichgewicht ist zum 1.1.2021 noch einmal verschärft worden, indem mit § 20 Abs. 6 Satz 5 geregelt wurde, dass Verluste aus Termingeschäften nur mit maximal 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus anderen Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden können. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils auch nur in Höhe von maximal 20.000 Euro verrechnet werden. Wer mit seinen Termingeschäften also nur ein einziges Mal „richtig danebenlag“, muss schon extrem alt werden und jahrzehntelang Gewinne erzielen, um die vollständige Verrechnung des Verlustes erleben zu können.

Das FG Rheinland-Pfalz hat jetzt in einem AdV-Verfahren Bedenken gegen die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung geäußert (FG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.12.2023, 1 V 1674/23).

Der Sachverhalt:

Ein Steuerpflichtiger erklärte in 2021 Kapitalerträge aus Termingeschäften in Höhe von 250.631 Euro und Verluste aus entsprechenden Geschäften in Höhe von 227.289 Euro. Das Finanzamt verrechnete die laufenden Verluste aus Termingeschäften nur in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften. Die noch nicht verrechneten laufenden Verluste in Höhe von 207.289 Euro berücksichtigte es lediglich in der Verlustfeststellung. Hiergegen wandte sich der Steuerpflichtige und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Beschränkung der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften hielt er für unzulässig. Er wies darauf hin, dass vom Bundesverfassungsgericht derzeit ohnehin geprüft werde, ob die Beschränkung der Verlustverrechnung für Aktienverluste rechtens ist (2 BvL 3/21). Die Entscheidung werde präjudizierend auch für die Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften sein. Das FG gab dem AdV-Antrag statt.

Die Begründung:

Das FG habe nach vorläufiger Prüfung ernstliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020. Die Vorschrift bewirke, dass Verluste aus Termingeschäften zwar nicht generell versagt, jedoch nur bei (späteren) Gewinnen aus Termingeschäften bzw. Stillhalterprämien und dann nur zeitlich gestreckt abgezogen werden dürfen. Die Vorschrift behandele damit Steuerpflichtige bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich, je nachdem, ob sie Verluste aus Termingeschäften oder anderen Kapitalanlagen haben. Für diese Ungleichbehandlung fehle es an einem sachlichen Rechtfertigungsgrund. Dass es mehr oder weniger risikoreiche Kapitalanlagen gibt, rechtfertige noch nicht eine Verlustverrechnungsbeschränkung. Diese gehe mit der Gefahr einher, dass eine Verlustberücksichtigung faktisch ganz ausgeschlossen sein kann.

Denkanstoß:

Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus. Auch hat das AdV-Verfahren bereits den BFH erreicht, denn die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (Az. VIII B 113/23). Jedenfalls zeigt die Entscheidung, dass die – betragsmäßige – Beschränkung der Verlustverrechnung zweifelhaft ist. Entsprechende Fälle sollten daher bis auf Weiteres offen gehalten werden.

BaFin verhängt Bußgelder für nicht veröffentlichte Abschlüsse: Strengere Gesetze – (k)eine Lösung?

Vier Mio. € ­– so hoch sind die Bußgelder, die die BaFin gegen die ZhongDe Waste Technology AG von April 2022 bis Anfang Februar 2024 festgesetzt hat. Anfang Februar informierte die Bafin auf ihrer Website darüber, dass bereits im Dezember erneut 1,5 Mio. € gegen das Unternehmen verhängt wurden. Der Grund? Der deutsch-chinesische Hersteller von Müllverbrennungsanlagen hat seit vielen Jahren keine Jahresabschlüsse beim Bundesanzeiger hinterlegt. Der aktuellste Bericht, den das Unternehmen auf seiner Website veröffentlicht, ist der Zwischenbericht des zweiten Quartals 2018 (http://zhongde-ag.de/investor_relations/publikationen.html, Stand: 23. Januar 2024). Kurzum: Ein Bericht für die Geschichtsbücher. Auf die Aktualisierung des Finanzkalenders verzichtet die ZhongDe Waste Technology AG auch schon seit mehreren Jahren.

Das deutsch-chinesische Unternehmen hatte es in der Vergangenheit auch schon ins Schwarzbuch Börse der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger geschafft, in dem jedes Jahr im Dezember die schwarzen Schafe des Kapitalmarktes vorgestellt werden.

Zhong De Waste – (k)ein Einzelfall?

Ist das deutsch-chinesische Unternehmen ein Einzelfall? Weiterlesen