Rückabwicklung von Darlehen: Aktuelles zur (Nicht-)Steuerbarkeit einer Nutzungsentschädigung

Aufgrund der EuGH- und der BGH-Rechtsprechung der letzten Jahre kommt es aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen häufiger zum Widerruf bzw. zur Rückabwicklung von Darlehensverträgen. Werden die Streitigkeiten beendet, müssen die Banken gegebenenfalls Nutzungsersatz leisten.

Im Jahre 2023 hat der BFH diesbezüglich entschieden, dass die nach Widerruf eines Darlehens von der Bank gezahlte Nutzungsentschädigung für bereits geleistete Zahlungen nicht zu steuerpflichtigen Kapitaleinnahmen führt, da der Nutzungsersatz nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird (z.B. BFH-Urteile vom 7.11.2023, VIII R 7/21 und VIII R 16/22).

Nun hat der BFH – auf einer Linie mit den oben genannten Urteilen – entschieden: Zahlt eine Bank auf der Grundlage einer Vergleichsvereinbarung zur einvernehmlichen Beilegung eines Zivilrechtsstreits eine als „Nutzungsentschädigung“ bezeichnete Summe und ist unklar, ob damit der im Vergleich vereinbarte Verzicht auf die Rechte aus dem Darlehenswiderruf abgegolten oder im Rahmen der einvernehmlichen Rückabwicklung des widerrufenen Darlehens Nutzungsersatz geleistet werden soll, führt die Zahlung beim Empfänger regelmäßig weder zu Kapitaleinkünften gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG noch zu sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 22.5.2024, VIII R 3/22).

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Steuerliche Berücksichtigung von Blutspenden – Eine Möglichkeit zur Sicherung zukünftiger Blutkonserven

Dass das Blutspenden immens wichtig ist, hat sicherlich jeder schon einmal gehört. Auch liest man immer wieder, gerade in den Sommermonaten, dass die Blutkonserven aus geleisteten Blutspenden knapp werden. Diese Meldungen werden zukünftig immer häufiger zu lesen sein, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Spender aus der „Babyboomer-Generation“ stammt, welche nach und nach aus beispielsweise gesundheitlichen Gründen zwangsweise wegfallen wird. Gleichzeitig wird der Bedarf an Spenden nicht sinken, sondern eher ansteigen.

Werbe- und Aufklärungsmaßnahmen über die Bedeutung und Relevanz vom Blutspenden finden zwar regelmäßig statt, ob sich dadurch, dass sich zukünftig zuspitzende Problem der Spendenknappheit lösen lässt, mag ich zu bezweifeln.

Ein Anreiz zum Spenden könnte über eine steuerliche Berücksichtigung von geleisteten Blutspenden gegeben werden. In der Vergangenheit wurde diese Möglichkeit immer mal wieder diskutiert. Aus den vorstehenden Gründen ist es mir ein Anliegen, das Thema aufzugreifen. Weiterlesen

Photovoltaikanlagen: Ermittlung eines Totalüberschusses – in Altfällen immer noch wichtig

Wenn es in einem Beitrag um die Ermittlung eines Totalüberschusses aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage geht, klingt das irgendwie nach einer „alten Kamelle“. Doch es dürfte noch viele Streitfälle aus den Jahren vor 2022 geben, in denen das Finanzamt eine Totalüberschuss- bzw. -gewinnprognose anfordert oder selbst erstellt und mithin die Gewinnerzielungsabsicht infrage stellt.

Für diese Fälle ist ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 13.11.2023 (10 K 646/22) durchaus bedeutsam. Die wesentlichen Aussagen lauten: Beim Betrieb von Photovoltaikanlagen ist für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ein Prognosezeitraum von 20 Jahren anzusetzen. Ein Restwert ist nach Ablauf der 20 Jahre nicht anzunehmen.

Der Sachverhalt:

In seiner Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage durch Bildung eines Investitionsabzugsbetrags geltend. Er erzielte auch 2019 einen Verlust aus dem Betrieb der Anlage. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 2020 erstellte das Finanzamt eine Gewinnprognose. Es ermittelte über eine Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren einen Totalverlust. Daher änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 und berücksichtigte die bislang angesetzten Verluste aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht mehr. Auch das FG entschied, dass die geltend gemachten Verluste nicht abgezogen werden dürfen.

Die Begründung in aller Kürze:

Ich erlaube mir, hier aus einem Newsletter des FG zu zitieren: „Für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht bzw. für die Ermittlung eines eventuellen Totalüberschusses ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahre zugrunde zu legen. Eine längere Nutzbarkeit – wie vom Kläger behauptet 30 bis 40 Jahre – ist rein spekulativ und stützt sich nicht auf derzeit gesicherte Erkenntnisse. Bei seiner Schätzung der Betriebseinnahmen ging das Finanzamt bei einer Anlage mit 9.900 kWh/kWp von einer jährlichen Stromerzeugung von 9.900 kWh aus. Für den Prognosezeitraum von 20 Jahren ergibt sich hieraus eine Stromerzeugung von insgesamt 198.000 kWh. Dies ist nicht zu beanstanden. Des Weiteren hat das Finanzamt auf Basis der Werte des Jahres 2020 zutreffend einen Anteil von rund 29,04 % (57.500 kWh) für die Einspeisung mit 0,1079 Euro/kWh und einen Anteil von rund 70,96 % für den Eigenverbrauch (140.500 kWh) zugrunde gelegt. Hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms (140.500 kWh) kommt es zu einer als Betriebseinnahme zu erfassenden Entnahme, die mit dem Teilwert anzusetzen ist. Der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten.

Ein Restwert der Anlage nach Ablauf der 20-jährigen Nutzungsdauer ist für die Prognose nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Klägers (spätestens) im Jahr 2018 war kaum vorhersehbar, welche Faktoren in welchem Umfang zu einem nennenswerten Restwert der Anlage beitragen könnten bzw. werden. Die diesbezügliche Unsicherheit besteht fort, so dass eine Ermittlung bzw. Schätzung des Restwerts auf ausreichend gesicherter Grundlage nicht möglich erscheint. Jedenfalls ergibt sich vor diesem Hintergrund kein Restwert, der im Streitfall zu einer positiven Ergebnisprognose führen könnte.

Bei dem Betrieb einer Photovoltaikanlage spricht der Beweis des ersten Anscheins zwar zunächst dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Nach der Lebenserfahrung ist ein solcher Betrieb typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen wie eine Tätigkeit im Hobbybereich. Dieser Anscheinsbeweis wird aber bereits dadurch erschüttert, dass nach der Totalgewinnprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren kein Gewinn erzielt werden kann. Dies indiziert das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht“. (Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2024).

Denkanstoß:

Die Urteilsbegründung wurde hier stark verkürzt wiedergegeben. Betroffene sollten sich mit dem Urteil und insbesondere mit den Berechnungsparametern, die die Richter aufgestellt haben, aber intensiv beschäftigen, um dem Finanzamt ihrerseits vorrechnen zu können, dass doch ein Totalüberschuss erzielt werden kann. Sie sollten dabei aber tatsächlich von dem Prognosezeitraum von lediglich 20 Jahren ausgehen.

Man mag den kurzen Prognosezeitraum und die Nichteinbeziehung eines Restwerts kritisieren, doch am Ende hilft es wohl nicht viel. Die Revision wurde nicht zugelassen und es steht zu befürchten, dass sich die Finanzämter – auch außerhalb Baden-Württembergs – auf das Urteil stützen werden.

Es könnte übrigens dann besondere Bedeutung gewinnen, wenn der BFH – überraschend – entscheiden sollte, dass ein vor 2022 gebildeter Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer Anlage seit 2022 erhalten bleiben muss, auch wenn die Einnahmen seit 2022 nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind. Dann würden die Finanzämter verstärkt in die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht einsteigen.

Aufreger des Monats September: Zu hohe Hürden des Grundsteuererlasses für Baudenkmale

Die Grundsteuer ist zu erlassen für Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liegt, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen. So lautet § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG.

In der Praxis wird diese schöne Vorschrift aber so verschärft ausgelegt, dass der Grundsteuererlass nur selten zu erreichen ist. Das belegt ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz. Zwar liegt dieses offenbar auf einer Linie mit dem Bundesverwaltungsgericht, dennoch habe ich es zum „Aufreger des Monats“ gekürt (VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO). Weiterlesen

Weitere Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und Kinderfreibetrags im Bundestag

Gute Nachricht für Steuerzahler: Zur Sicherung des steuerlichen Existenzminimums sollen der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag in 2024, 2025 und 2026 angehoben werden. Was ist konkret geplant?

Hintergrund

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG muss das Existenzminimum jederzeit steuerfrei gestellt werden. Deshalb legt nach einem Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 1995 (BT-Beschluss v. 2.6.1995, BT-Drs. 13/1558 vom 31.5.1995) die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern (Existenzminimumbericht) vor. Auf dessen Basis müssen der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag entsprechend angepasst werden. Der Ausgleich der kalten Progression ist sicherzustellen, damit die Inflation insbesondere auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht die Lohnzuwächse auffrisst und ihnen netto ein angemessener Teil des Lohns verbleibt.

Nachdem das sog. Bürgergeld zum 1.1.2024 angehoben wurde, muss jetzt auch ein entsprechender Ausgleich der kalten Progression für die Steuerzahler erfolgen. Dies soll für das laufende Jahr durch ein auf den 1.1.2024 rückwirkendes Steuergesetz, für die Zeit ab 1.1.2025 durch das sog. Steuerfortentwicklungsgesetz (StFeG, vorher: Zweites JStG 2024) erfolgen.

Was ist konkret geplant?

Die Sicherung des steuerlichen Existenzminimums will die Bundesregierung jetzt mit zwei Gesetzesinitiativen gewährleisten. Weiterlesen

Entfernungspauschale: Wann kann die verkehrsgünstigere Straßenverbindung angesetzt werden?

Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale berücksichtigt. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG). Die Betonung liegt auf den Worten „offensichtlich verkehrsgünstiger“ und „regelmäßig“.

Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn die Umwegstrecke bei extremen Stauverhältnissen auch ´mal verkehrsgünstiger und schneller sein kann als die kürzere Verbindung. Entscheidend sei vielmehr, dass die erste Tätigkeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen durch Benutzung der Umwegstrecke in der Regel schneller und pünktlicher erreicht wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.4.2024, 9 K 117/21). Weiterlesen

Grundfreibeträge 2023 und 2024 verfassungswidrig? Die nächste Einspruchswelle rollt

Die Finanzämter kämpfen derzeit noch mit der Einspruchsflut gegen die Festsetzung der neuen Grundsteuerwerte, da rollt auch schon die nächste Welle heran: Es wird in den Finanzämtern in Kürze wohl hunderttausende Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2023 und die Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide 2024 geben. Was ist geschehen?

Zunächst zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor über 25 Jahren entschieden: Das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum bildet die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 2 BvL 42/93). Im Klartext: Wenn der Gesetzgeber der Auffassung ist, dass das sozialhilferechtliche Existenzminimum beispielsweise bei 12.000 Euro liegt, muss der steuerliche Grundfreibetrag ebenfalls bei – mindestens – 12.000 Euro liegen.

Nun kommt es: Weiterlesen

Nebenberuf: Kein Anspruch auf Steuerbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk

Kann ein Freiberufler, speziell ein Anwalt, eine Tätigkeit aus rein privaten Gründen heraus betreiben, so dass bei lang andauernden Verlusten eine Liebhaberei unterstellt werden kann? Diese Frage war schon häufiger Bestandteil von finanzgerichtlichen Entscheidungen. Zugegebenermaßen habe ich zu dem Thema nicht alle Urteile der letzten 30 Jahre studiert, aber ich denke, als Fazit kann ich dennoch festhalten, dass eine Liebhaberei durchaus in Betracht kommen kann.

Doch an diese Feststellung sind seitens der Finanzverwaltung bei einem Freiberufler hohe Anforderungen zu stellen. Vor allem muss das Finanzamt darlegen, dass die Tätigkeit aus privaten Motiven heraus (mit-)veranlasst ist (vgl. z.B. BFH vom 22.4.1998, XI R 10/97; BFH 14.12.2004, XI R 6/02).

Aber darf das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht auch erst nach einigen Jahren überprüfen und die Steuerbescheide bis dahin vorläufig erlassen? Die Antwort lautet „Ja, das darf es“. In diesem Sinne hatte das FG Münster bezüglich der nebenberuflichen Tätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin entschieden; die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH nun verworfen (FG Münster 21.4.2023, 14 K 1263/21 E; BFH 17.7.2024, VIII B 48/23).

Der Beschluss des BFH:

Der Beschluss des BFH lautet: Bei der nebenberuflichen Anwaltstätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin in eigener Kanzlei darf aufgrund einer dauerhaften Verlustsituation ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich einer ungewissen Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls dann ergehen, wenn die Art und Weise der Betriebsführung der Kanzlei unklar ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, die den grundsätzlich bestehenden Anscheinsbeweis für eine Gewinnerzielungsabsicht der nebenberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in der eigenen Kanzlei erschüttern, müssen nicht festgestellt werden.

Denkanstoß:

Der Beschluss des BFH ist ausschließlich zum Verfahrensrecht ergangen. Es liegt nun an der Rechtsanwältin, dem Finanzamt gegenüber glaubhaft zu machen, dass sie mit ihrer Tätigkeit einen Totalüberschuss erwirtschaften kann bzw. dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Eigentlich sollte dies bei Freiberuflern, auch wenn sie lediglich nebenberuflich tätig sind, nicht allzu schwer fallen, denn üblicherweise halten sich die Betriebsausgaben in Grenzen. Andererseits – darauf wurde eingangs hingewiesen – darf das Finanzamt die Messlatte für eine Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nicht zu hoch legen.

Letztlich gilt: Es sollte (mit der Höhe der Betriebsausgaben) nicht übertrieben werden und mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten sollte man zu einer guten Lösung gelangen.

Bekanntgabe von Steuerbescheiden: Kann ein Gesamtrechtsnachfolger den Zugang wirksam bestreiten?

In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Zugang eines Steuerbescheides bestritten wird. Üblicherweise müssen die Finanzämter das Bestreiten des Zugangs zähneknirschend zur Kenntnis nehmen und den Steuerbescheid erneut zur Post geben. Manch Finanzamt zeigt sich allerdings kampfbereit und lässt es auf einen Prozess vor dem Finanzgericht ankommen. Gerne wird dabei vorgebracht, es liege am Steuerpflichtigen, den Nichtzugang des Steuerbescheides glaubhaft darzulegen. Die Rechtsprechung sieht die Beweislast aber beim Finanzamt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.4.2009, X R 35/08).

Ausnahmen können sich ergeben, wenn sich der Vortrag des Steuerpflichtigen als reine Schutzbehauptung entlarvt oder wenn sein Verhalten erkennen lässt, dass ihm der Steuerbescheid wohl doch zugegangen ist (vgl. z.B. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2019, 9 K 9073/18).

Was aber gilt, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein Gesamtrechtsnachfolger den Zugang eines Steuerbescheides bestreitet? Mit dieser Frage wird sich bald der BFH beschäftigen müssen. Vorausgegangen ist ein Urteil des FG Münster, das die Zugangsfiktion im zugrunde liegenden Fall tatsächlich als erschüttert ansah. Allerdings hat das Gericht klargestellt, dass das bloße Bestreiten des Zugangs eines Schriftstücks nicht ausreichend ist (FG Münster, Urteil vom 19.4.2024, 4 K 870/21 E, Revision unter Az. VI R 16/24).

Der – verkürzte und leicht abgewandelte – Sachverhalt:

Im Jahre 2017 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2016. Im Februar 2020 verstarb die Steuerpflichtige. Sie galt als gewissenhafte Person und ihre Steuerunterlagen waren gut geordnet. Es fehlte in den – chronologisch sortierten – Unterlagen aber der Einkommensteuerbescheid für 2016. Im März 2020 teilte der Gesamtrechtsnachfolger dem Finanzamt mit, dass die Steuerpflichtige verstorben sei. Bei der Auflösung des Haushalts seien Unterlagen/Belege gefunden worden, die für die Einkommensteuererklärung für 2016 noch relevant seien. Der Gesamtrechtsnachfolger bestritt den Zugang des damaligen Steuerbescheides und reichte Unterlagen nach, mit der die Steuerlast des Jahres 2016 verringern werden sollte. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Unterlagen verspätet nachgereicht wurden, weil der Einkommensteuerbescheid für 2016 als in 2017 bekannt gegeben gelte. Das FG sah die hiergegen gerichtete Klage aber als begründet an. Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO sei erschüttert.

Die Begründung:

Das bloße Bestreiten des Zugangs eines Schriftstücks durch den Rechtsnachfolger des Bekanntgabeadressaten lässt die Zugangsfiktion nicht entfallen. Allerdings darf der Maßstab, der an die Erschütterung der Zugangsvermutung im Einzelfall zu stellen ist, nicht überhöht werden. Es sollte daher ausreichen, wenn sich auch nur im Ansatz begründete Zweifel am Zugang des Verwaltungsaktes feststellen lassen. Im Urteilsfall begründet insbesondere die vorgefundene Situation bei der Aufnahme des Nachlasses Zweifel am Zugang des Einkommensteuerbescheids. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Steuerpflichtige den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2016 in ihre sortierten Steuerunterlagen aufgenommen hätte, wenn er ihr tatsächlich zugegangen wäre.

Denkanstoß:

Es wurde die Revision zugelassen, da noch keine Entscheidung des BFH dazu vorliegt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich ein Dritter auf die fehlende Bekanntgabe eines Steuerbescheides berufen kann. Wie erwähnt wurde die Revision auch eingelegt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass der BFH in der Sache anders entscheiden wird. Doch spannend wird sein, welche Grundsätze er allgemein bezüglich des Bestreitens des Zugangs eines Verwaltungsaktes durch den Rechtsnachfolger aufstellen wird.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die Bekanntgabe- bzw. Zugangsfiktion ab 2025 auf vier Tage verlängert. Beachten Sie hierzu den Blog-Beitrag „Verlängerung der Bekanntgabefiktion bei Verwaltungsakten ab 2025 – Was bedeutet das für Unternehmen und Bürger?“ von Professor Ralf Jahn.

„Das bisschen Haushalt macht sich von allein…“ – Bundeskabinett beschließt Haushaltsentwurf 2025 und Wachstumsinitiative

Ende August hat das Bundeskabinett nach längeren Verhandlungen den Entwurf des Bundeshaushalts 2025 beschlossen, der ab dem 10.9.2024 im Bundestag beraten werden soll. Bis zur Verabschiedung lauern im Parlament aber noch viele Untiefen

Hintergrund

„Das bisschen Haushalt macht sich von allein…“ – Dieser Refrain eines bekannten deutschen Musikschlagers lässt sich sicher nicht auf die Planung des Bundeshaushalts 2025 übertragen. Nach dem Urteil des BVerfG vom 15.11.2023 (2 BvF 1/22), mit dem das Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für nichtig erklärt wurde und ein 60 Mrd.-Euro-Loch in den Bundeshaushalt riss – ich habe im Blog berichtet – wurden der Nachtragshaushalt 2023 verspätet verabschiedet, die Beschlussfassung über den Haushaltsplan für das Jahr 2024 sogar ins neue Jahr 2024 vertagt; vorübergehend waren nur Notausgaben in 2024 zulässig, für die eine rechtliche Verpflichtung bestand (Art. 111 Abs. 1 GG). Auch der inzwischen verabschiedete Haushalt 2024 war nach Einschätzung von Sachverständigen mit einer „erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage“ belastet – das BVerfG wurde hiermit gottlob bislang nicht befasst.

Umfang des Bundeshaushalts 2025

Der Entwurf der Bundesregierung sieht für 2025 Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 489 Mrd. Euro vor. Im laufenden Jahr 2024 steht etwa das gleiche Volumen zur Verfügung. Als Investitionen sind rund 81 Mrd. Euro ausgewiesen (2024: 70,82 Mrd. Euro). Für die kommenden vier Haushaltsjahre sind der Vorlage zufolge Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 107,2 Mrd. Euro vorgesehen.

Der Haushaltsentwurf sieht eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 51,3 Mrd. Euro vor. Der Wert liegt unter der laut Schuldenregel (Art. 115 GG) zulässigen Nettokreditaufnahme. Die Bundesregierung rechnet mit Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben in Höhe von 388,45 Mrd. Euro – das ist ein Plus von 13,9 Mrd. Euro im Vergleich zu 2024 (374,55 Mrd. Euro).

Die mittelfristige Finanzplanung sieht folgende Ausgaben vor: Weiterlesen