Bürgergeld für Reiche? Sozialreform mit Licht und Schatten

Am 10.11.2022 hat der Bundestag mit der Regierungsmehrheit den Gesetzentwurf eines Bürgergeldes beschlossen, das ab 1.1.2023 an die Stelle der bisherigen Hartz-IV-Regelungen treten soll. Das Reformpaket enthält vernünftige Ansätze, aber verdient auch nach wie vor Kritik.

Hintergrund

Ich habe bereits im Blog berichtet. Das am 14.9.2022 vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachte sog. Bürgergeld soll ab 1.1.2023 das heutige sog. Hartz-IV-System ablösen. Die Ampelkoalition will hiermit ein Kernvorhaben aus dem Koalitionsvertrag (S. 75 ff, Ziff.2471 ff.) umsetzen. Nach dem vom Bundestag beschlossenen Entwurf sollen sich die über 5 Millionen Menschen, die in Deutschland Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, stärker auf Qualifizierung, Weiterbildung und Arbeitsuche konzentrieren können, heißt es.

Mehr Schatten als Licht

Wie sind die Pläne der Ampel nun zu bewerten? Weiterlesen

Abermalige Änderungen im Insolvenzrecht unter Dach und Fach

Am 28.10.2022 hat der Bundesrat den Beschlüssen des Bundestages vom 21.10.2022 zur abermaligen Änderung des Insolvenzrechts zugestimmt, um in der Energiekrise einem Anstieg von Unternehmensinsolvenzen zu begegnen.

Hintergrund

Bereits während der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber mit dem sog. Covid-19-Insolvenzaussetzungsgesetz die Antragsfristen bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit modifiziert, um angesichts der coronabedingten Umsatzausfälle und Liquiditätsprobleme einen sprunghaften Anstieg der Unternehmensinsolvenzen zu verhindern.

Was ändert sich im Insolvenzrecht?

Im parlamentarischen Verfahren wurde der Gesetzentwurf zur Abschaffung des Güterrechtsregisters im federführenden Rechtsausschuss um sanierungs- und insolvenzrechtliche Regelungen ergänzt, um auf die aktuelle Situation auf den Energie- und Rohstoffmärkten zu reagieren. Die Regelungen gehen zurück auf das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung. Weiterlesen

Update: Gesetz zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie verkündet – Was Arbeitgeber jetzt beachten sollten

Am 25.10.2022 ist die Verkündung der vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen gesetzlichen Regelung zur sog. Inflationsausgleichsprämie (§ 3 Nr. 11 c EStG) im Bundesgesetzblatt (BGBl 2022 I S. 1743) erfolgt. Was sollten Arbeitgeber jetzt beachten?

Hintergrund

Spätestens mit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland dramatisch angestiegen, insbesondere verursacht durch den Energiekostenanstieg. Um die Inflation zu dämpfen, hat die Bundesregierung neben anderen Entlastungsmaßnahmen wie der Energiekostenpauschale auch eine gesetzliche Regelung für eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie auf den Weg gebracht. Ich habe im Blog bereits berichtet. Nach den Beschlüssen von Bundestag und Bundesrat ist das Gesetz jetzt verkündet und in damit in Kraft getreten.

Was gilt ab sofort?

  • Steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei bleiben zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber in der Zeit vom 26. Oktober 2022 bis zum 31. Dezember 2024 in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährte Leistungen, zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise bis zu einem Betrag von 3.000 Euro.
  • Wichtig: Die zusätzliche Prämie kann auch in mehreren Teilbeträgen verteilt vom Arbeitgeber gezahlt werden. Das bedeutet, dass ein Arbeitgeber je nach seiner Leistungsfähigkeit und Liquidität den zusätzlichen Betrag auch auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilen kann, etwa je eine Teilzahlung in 2022, 2023 und 2024, soweit der zulässige Höchstbetrag von insgesamt 3.000 Euro/Mitarbeiter nicht überschritten wird.
  • Die Zahlung muss „zusätzlich“ zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt werden. Das bedeutet, dass Arbeitgeber nicht einfach einen geschuldeten Gehaltsbestandteil umfunktionieren und als „Prämie“ deklarieren dürfen; in einem solchen Fall entfielen Steuer- und Abgabenfreiheit. Zusätzlich bedeutet also, dass der Arbeitgeber eine finanzielle Leistung „on top“ erbringen muss. Hierbei ist auch darauf zu achten, dass die Zahlung eindeutig mit der Zweckbestimmung „Inflationsausgleich“ oder „Lebenshaltungskostenanstieg“ auf der Gehaltsabrechnung versehen wird. Dies ist erforderlich, um die Sonderzahlung von anderen „Zahlungsextras“ abzugrenzen, die zwar eine ähnliche Zielrichtung haben, aber steuer- und abgabenpflichtig sind (insb. Energiekostenpauschale).

FAQ des BMF in Vorbereitung

Dem Vernehmen nach arbeitet das BMF bereits an neuen FAQ, die alle Detailfragen rund um die neue Inflationsausgleichsprämie beantworten sollen. Damit ist in Kürze zu rechnen, hierzu lohnt ein Blick auf die Internetseiten des BMF.

Quellen
BGBl 2022 I S. 1743


Verfassungswidriger Abwehrschirm gegen die Energiekrise?

Der Bundestag hat am 21.10.2022 den 200-Milliarden-Abwehrschirm gegen hohe Energiepreise beschlossen und zur Finanzierung erneut ein Aussetzen der Schuldenbremse in 2022 genehmigt. Aber: Bestehen verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen?

Hintergrund

Im Kampf gegen die insbesondere durch den russischen Krieg in der Ukraine befeuerten massiven Energiepreisanstieg hat der Bundestag für Entlastungsmaßnahmen für Bürger und Unternehmen einen gewaltigen 200 Mrd. Euro-Abwehrschirm beschlossen. Für das Gesetz stimmten die Fraktionen der Ampel-Parteien. Die Opposition kritisiert, dass der genaue Einsatz der Mittel unklar sei und die Bundesregierung eine „Blanko-Zusage“ verlange.

Eckpunkte des Abwehrschirms

Für den Abwehrschirm soll der Corona-Krisenfonds WSF reaktiviert und mit neuen Mitteln ausgestattet werden. Der WSF ist ein Sondervermögen im Sinne des Art. 110 Abs.1 GG außerhalb des regulären Haushalts, war zu Beginn der Corona-Pandemie eingerichtet worden und diente der Stabilisierung von Unternehmen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen und Stärkung der Kapitalbasis (§ 16 Abs. 1, 2 StabilisierungsfondsG-StabFG).

Die Gelder können nach dem Inhalt des Abwehrschirms bis Mitte 2024 eingesetzt werden, um insbesondere die geplante Gaspreisbremse, die angedachte Strompreisbremse sowie Hilfen für angeschlagene Firmen zu finanzieren. Zur Senkung der zuletzt stark gestiegenen Gaspreise hat eine von der Regierung eingesetzte Kommission vorgeschlagen, dass der Bund die Dezember-Abschläge für alle deutschen Gaskunden übernimmt. Ab März 2023 könnte dann für Privatkunden eine Preisobergrenze für ein Grundkontingent von 80% des üblichen Verbrauchs greifen. Für Großkunden in der Industrie soll es bereits ab Januar 2023 eine Preisbremse geben. Ob die Bundesregierung die Vorschläge in dieser Form umsetzt, so soll im Kabinett bis Anfang November 2022 entschieden werden. Außerdem soll der Abwehrschirm helfen, den Strompreis zeitlich begrenzt zu senken; an diesem Konzept arbeitet die Bundesregierung noch.

Der Bundestag hat jetzt zur Finanzierung erneut für das Jahr 2022 ein Aussetzen der Schuldenbremse im Grundgesetz genehmigt. Damit ermöglicht er dem Bund zusätzliche Kredite in Höhe von 200 Milliarden Euro aufzunehmen. Ein solcher Beschluss ist nur in „außergewöhnlichen Notsituationen“ möglich.

Bundesrechnungshof (BRH) hat haushalts- und verfassungsrechtliche Bedenken

Der BRH kritisiert, dass der Milliardentopf über mehrere Jahre bis 2024 genutzt werden soll. Das widerspreche dem Grundsatz der Jährlichkeit, der besagt, dass ein Bundeshaushalt immer nur für ein Jahr aufgestellt werden kann. Weiterlesen

Energiepreispauschale nun doch auch für Bezieher einer Waisenrente

Mit dem „Gesetz zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs“ wurde festgelegt, dass auch Rentner eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten sollen. Die Einmalzahlung erfolgt automatisch durch die Rentenzahlstellen. Die Energiepreispauschale erhält, wer zum Stichtag 1. Dezember 2022 Anspruch auf eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung oder auf Versorgungsbezüge nach dem Beamten- oder dem Soldatenversorgungsgesetz hat. Anspruch besteht nur bei einem Wohnsitz im Inland.

Die FAQ des BAMS sahen für die Bezieher einer Waisenrente (Hinterbliebenenrente) in der ursprünglichen Fassung folgende Einschränkung vor: Empfänger von Waisenrenten haben keinen eigenen Anspruch auf die Energiepreispauschale, da sie ihren Lebensunterhalt regelmäßig nicht selbst bestreiten und bereits mittelbar durch Haushaltsgemeinschaften mit Erwerbstätigen oder Beziehern von Hinterbliebenenrenten erfasst werden. Empfänger von Waisenrenten, deren Lebensunterhalt nicht über die Haushaltsgemeinschaft abgedeckt ist, haben die Pauschale in der Regel als Auszubildende erhalten oder sollen sie als Studierende oder Fachschüler und Fachschülerinnen erhalten.

In den aktuellen FAQ findet sich diese Einschränkung nicht mehr. Weiterlesen

DIHK wird Körperschaft des öffentlichen Rechts: Neue Satzung genehmigt und veröffentlicht

Am 7.10.2022 hat das BMWK die genehmigte Satzung des künftigen DIHK KdöR veröffentlicht. Was bedeutet das für Interessenvertretung der Unternehmen in Deutschland?

Hintergrund

Das BVerwG hatte mit Urteil vom 20.10.2020 (8 C 23.19) einen Anspruch eines IHK-Mitglieds auf Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband DIHK e.V.  wegen fortgesetzter Kompetenzüberschreitungen bejaht. In Reaktion hierauf hat der Gesetzgeber das IHK-Gesetz reformiert (BGBl 2021 I S.3306); Kernbestandteil dieser Reform war die Umwandlung des bislang privatrechtlichen DIHK e.V. in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ab 1.1.2023. Weiterlesen

Entschärfung der Überschuldung durch ein SanInsKG

Inzwischen sind wir in einer Krisendauerschleife und die Meinungen sind geteilt, ob wir ein zielgerichtetes, wirksames und zeitgerechtes Krisenmanagement auf politischer Ebene haben. Gerade die sich absehbar verschärfenden Energieprobleme und der Dunst über Stützungsmaßnahmen lassen für einige Unternehmen das Überleben zweifelhaft erscheinen. Nun will die sog. „Ampel“ an dem Symptom Insolvenz herumdoktern.

Das Instrument der temporären Aussetzung von Insolvenzantragspflichten und inhaltlichen Veränderung der Antragsvoraussetzungen erfreut sich seit einiger Zeit großer Beliebtheit. Zu denken ist hier insbesondere an das COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (COVInsAG), das nun als Vehikel zum Umgang mit erhöhten Insolvenzrisiken durch die aktuell unbewältigte Krisensituation dienen soll. Technisch erfolgt die Anpassung durch eine Formulierungshilfe der Bundesregierung zum im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Güterrechtsregisters.

Zunächst soll das COVInsAG in ein Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) umbenannt werden. Inhaltlich soll mit § 4 Abs. 2 SanInsKG-E der Eröffnungsgrund der Überschuldung für ein Insolvenzverfahren, zunächst begrenzt bis zum 31.12.2023, entschärft werden. Hierzu ist vorgesehen Weiterlesen

Vorsteuerabzug für Sportvereine nach Investitionen in die Sportanlage

Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug für Sportvereine

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von gemeinnützigen Sportvereinen ist kompliziert: Ideelle Tätigkeit? Vermögensverwaltung? Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb? Zweckbetrieb? Vereine haben ihre Ein- und Ausgaben korrekt aufzuteilen. Jeder Verein verfolgt andere steuerliche Zielsetzungen. Eine Vielzahl der Vereine möchte möglichst steuerfreie Umsätze erzielen. Andere Vereine möchten in den Genuss des Vorsteuerabzugs kommen, da sie beispielsweise ihre Sportanlage renoviert, erweitert oder neu gebaut haben (z.B. Neu-/Ausbau einer Sporthalle, Flutlichtanlage etc.).

Sportkurse eines gemeinnützigen Vereins

Die Frage des Vorsteuerabzugs stellt sich insbesondere für Vereine, die Sportkurse gegen Entgelt anbieten. Ihnen stehen der Vorsteuerabzug und ggf. ein Vorsteuerüberhang nur dann zu, wenn diese Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen.

Gehen wir von einem Verein aus, dessen Zweck es ist, den Sport und die Jugendhilfe zu fördern (§ 52 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und Nr. 21 AO). Der Verein erhält für die Erbringung der Sportkurse von den Teilnehmern Gebühren, um die durch die Kurse entstehenden Kosten zu decken. Die Vereinssatzung sieht zudem vor, dass das Vereinsvermögen im Auflösungsfall nur zweckgebunden verteilt werden kann. Die Satzung orientiert sich insofern an § 5 der Mustersatzung aus Anlage 2 zum AEAO.

Vor diesem Hintergrund sind die Gebühren zur Teilnahme an den Sportkursen des Vereins regelmäßig weder nach § 4 Nr. 21 UStG, noch nach § 4 Nr. 22 UStG steuerbefreit. Der BFH verneint insbesondere eine sportliche Veranstaltung i.S.v. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG (BFH, Urteil v. 25.07.1996 – V R 7/95, BStBl 1997 II S. 154 Rn. 18): Weiterlesen

Update: Inflationsausgleichsprämie unter Dach und Fach

Nach dem Beschluss des Bundestages vom 30.9.2022 hat am 7.10.2022 auch der Bundesrat den Weg für die Inflationsausgleichsprämie freigemacht. Ab Verkündung des Gesetzes können Arbeitgeber Steuer- und abgabenfreie Prämie bis zu 3.000 € zusätzlich zum Gehalt zahlen. Das Gesetz tritt nach Verkündung rückwirkend zum 1.10.2022 in Kraft.

Hintergrund
Ich hatte berichtet: Erst am 28.9.2022 hatte die Bundesregierung als Reaktion auf die Inflation als Entlastungsmaßnahme eine Steuer- und abgabenfrei Arbeitgeberprämie auf den Weg gebracht, am 30.9.2022 wurde sie vom Bundestag „huckepack“ im Rahmen eines Zustimmungsgesetzes beschlossen. Am 7.10.2022 hat der Bundesrat zugestimmt.

Was gilt? Weiterlesen

Update: Bundesregierung beschließt Inflationsausgleichsprämie

Aus dem Plan wird nun Wirklichkeit: Die Bundesregierung hat am 28.9.2022 Eckpunkte der geplanten Inflationsausgleichsprämie beschlossen. Was das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet.

Hintergrund

Ich hatte bereits berichtet (Update: Bundeskabinett beschließt Inflationsausgleichsgesetz – Entlastungseffekt für Unternehmen nicht ausreichend): Nach der steuer- und sozialabgabenfreien Corona-Prämie, die Arbeitgeber bis Ende März 2022 als zusätzliche Zahlung bis zu insgesamt 1.500 Euro an ihre Arbeitnehmer zahlen konnten, hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund der vor allem kriegsgetriebenen Inflation, die sich insbesondere in rasant gestiegenen Energiepreisen niederschlägt, eine sog. Inflationsausgleichsprämie ins Spiel gebracht: Arbeitgeber sollen bis zu 3.000 Euro als zusätzliche Prämie zahlen können, der Gesetzgeber will dann für die Steuer- und Abgabenfreiheit sorgen.

Bundeskabinett hat beschlossen

Am 28.9.2022 hat jetzt die Bundesregierung die zuletzt im sog. Dritten Entlastungspaket angekündigte Inflationsausgleichsprämie auf den parlamentarischen Weg gebracht und Eckpunkte fixiert: Weiterlesen