BAG: Kein Mindestabstand zu Tarifgehältern bei außertariflich Beschäftigten

Ein Tarifvertrag kann festlegen, dass diejenigen Angestellten „außertariflich“ sind, deren Vergütung die höchste tariflichen Entgeltgruppe überschreitet. Einen bestimmten Mindestabstand zu den Tariflöhnen kann ein außertariflicher Angestellter, der sein Gehalt selbst vereinbart, nicht verlangen, wenn der Tarifvertrag keine entsprechende „Abstandsklausel“ enthält. Dies hat das BAG aktuell entschieden (BAG v. 23.10.2024 – 5 AZR 82/24).

Sachverhalt im Streitfall

Der Kläger war seit 2013 als Entwicklungsingenieur bei der Beklagten beschäftigt und erhielt seit Juni 2022 als außertariflich Beschäftigter eine monatliche Vergütung von 8.212 Euro brutto. Diese lag nur geringfügig über der höchsten tariflichen Vergütung von 8.210,64 Euro brutto. Der Kläger forderte jedoch eine deutlich höhere Vergütung und argumentierte, dass der Unterschied nach der einschlägigen Tarifstruktur für Führungskräfte mindestens 23,45 % betragen müsse, was einem Gehalt von 10.136,03 Euro entsprochen hätte. Das lehnte der Arbeitgeber ab, der Arbeitnehmer wollte mit seiner arbeitsgerichtlichen Klage den Differenzbetrag einklagen – ohne Erfolg.

Entscheidung des BAG

Das BAG hat die Vorinstanzen (ArbG Mönchengladbach, 13.4.2023 – 3 Ca 2218/22; zuletzt LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.12.2023 – 3 Sa 360/23) bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der Status als außertariflicher Angestellter begründe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf eine Vergütung, die einen tarifvertraglich vorgeschriebenen Abstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahrt. Die im Streitfall einschlägigen tariflichen Bestimmungen verlangen, dass die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten. Das war hier der Fall, wenn auch nur minimal.

Definieren Tarifvertragsparteien als außertariflich diejenigen Angestellten, deren geldwerte materielle Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe überschreiten, ohne einen bestimmten prozentualen Abstand festzusetzen, genügt für Status und Vergütung des außertariflichen Angestellten jedes – auch nur geringfügige – Überschreiten. Das BAG bekräftigt, dass nach den tariflichen Bestimmungen bereits ein „geringfügiges Überschreiten“ der höchsten tariflichen Vergütung ausreicht, um den Status eines außertariflichen Angestellten zu rechtfertigen. Eine weitergehende Auslegung, die eine bestimmte prozentuale Differenz verlangt, sei nur dann zulässig, wenn dies im Tarifvertrag klar festgelegt sei.

Konsequenzen für die Praxis

Dem BAG ist zuzustimmen, weil der Wortlaut einer (hier tarifvertraglichen) Regelung der Auslegung immer Grenzen setzt; eine Auslegung gegen den eindeutigen Wortlaut kommt also nicht in Betracht. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke vorliegt oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist (BAG v. 20.7.2023 – 6 AZR 256/22; BAG v. 23.04.2013 – 3 AZR 23/11)

Wollen die Tarifvertragsparteien einen bestimmten prozentualen Abstand zwischen dem höchsten Tarifentgelt und dem Entgelt außertariflicher Beschäftigter regeln, ist eine entsprechende tarifliche, hinreichend klare und deutliche Abstandsklausel im Tarifvertrag erforderlich. Die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Tarifautonomie verbietet ein „Nachbessern“ fix vereinbarter tariflicher Bestimmungen durch die Gerichte zugunsten der einen oder anderen Seite.

Für Arbeitnehmer bedeutet die Entscheidung, dass sie sich bei freier Aushandlung der Arbeitsvertragsbedingungen hinsichtlich der Gehaltshöhe nicht auf einen „Mindestabstand zu Tarifgehältern“ berufen können. Einen solchen Mindestabstand können sie – wenn der Tarifvertrag keine solche Abstandsklausel beinhaltet – nur bilateral mit dem Arbeitgeber aushandeln.

Weitere Informationen:

Abgabenlast steigt – Beitragsbemessungsgrenzen in der Renten- und Krankenversicherung steigen ab Januar 2025

Das Bundeskabinett hat am 6.11.2024 die „Sozialversicherungsrechengrößen-Verordnung 2025“ beschlossen, der der Bundesrat aber noch zustimmen muss. Mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung steigt ab 1.1.2025 auch die Sozialabgabenlast.

Hintergrund

Die Werte für die Berechnung der Versicherungspflichtgrenzen und der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung (gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung) werden jedes Jahr an die Entwicklung der Einkommen angepasst, um die soziale Absicherung stabil zu halten. Denn ohne Anpassung würden z.B. Versicherte in der gesetzlichen Rentenversicherung auch bei steigenden Gehältern im Verhältnis geringere Renten bekommen. Da für Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze keine Beiträge geleistet und somit keine Rentenansprüche erworben werden, Besserverdienende also mit steigendem Einkommen aus der Sozialversicherung „herauswachsen“ würden, würde ihr Beitrag zur Sozialversicherung im Vergleich zum Einkommen immer kleiner werden. Um diesen Negativeffekt zu vermeiden, werden jährlich durch Verordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Beitragsbemessungsgrenzen angepasst.

Anstehende Änderungen in der Sozialversicherung

Die vom Bundeskabinett aktuell beschlossene Verordnungsänderung betrifft die gesetzliche Krankenversicherung und gesetzliche Rentenversicherung mit folgenden Maßgaben: Weiterlesen

Ampel-Aus: Was wird aus der Wachstumsinitiative der Bundesregierung?

Ende Juli 2024 hat sich die Ampel-Regierung auf einen 49-Punkte-Katalog für eine Wachstumsinitiative verständigt, am 6.11.2024 ist nach der Entlassung des Finanzministers die Ampel gescheitert. Was bedeutet das für die Wachstumsinitiative?

Hintergrund

Fachkräftemangel und demographischer Wandel, überbordende Bürokratie, hohe Energiepreise als Folge eines unzureichenden Ausbaus Erneuerbarer Energien, verschleppte Digitalisierung und nicht zuletzt der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität: Die Probleme des Wirtschaftsstandortes Deutschland sind nicht neu und werden seit geraumer Zeit auch noch von gewaltigen Konjunktureinbrüchen in etlichen deutschen Industrien begleitet, die bislang als Wachstumslokomotive galten. Zur nachhaltigen Stärkung der Wachstumskräfte und der Wettbewerbsfähigkeit hat sich die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 2024 auf eine umfassende und gezielte Angebotspolitik verständigt. Am 17.7.2024 hat das Bundeskabinett mit der sog. Wachstumsinitiative 49 konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen beschlossen, die fachgesetzlich umgesetzt werden sollen. Nach dem Regierungsbruch vom 6.11.2024 ist die Frage, welche Versprechen in Bezug auf die Wachstumsinitiative überhaupt noch umsetzbar sind.

Lange Listen offener Posten

Die Liste der 49 benannten Projekte der Wachstumsinitiative setzt im Schwerpunkt auf Anreize bei den Themen Arbeit Weiterlesen

Showdown in Karlsruhe: Das BVerfG verhandelt über den Soli

Seit Jahren wird über die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages gestritten, jetzt verhandelt am 12.11.2024 endlich das Bundesverfassungsgerichtüber eine Verfassungsbeschwerde (BVerfG – 2 BvR 1505/20). Das Machtwort aus Karlsruhe dürfte weit über den Tag hinausreichende Bedeutung haben.

Hintergrund

Ich habe im Blog seit Jahren mehrfach zum Thema berichtet: Aufgrund des SolZG 1995 erhebt der Bund seit dem Jahr 1995 ununterbrochen einen Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 SolZG 1995). Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2115) wurde für das Jahr 2020 der Zuschlag unverändert weitererhoben und ab dem Jahr 2021 die in § 3 SolZG 1995 vorgesehene Freigrenze angehoben, wodurch rund 90 Prozent der Zahler der veranlagten Einkommensteuer und der Lohnsteuer nicht mehr mit dem Solidaritätszuschlag belastet werden sollten.

Bisherige Verfahren gegen den Soli und seine Verfassungsmäßigkeit blieben bislang erfolglos, allerdings hat der BFH zuletzt angemahnt, dass der Gesetzgeber zu überprüfen habe, ob der sog. Soli ab VZ 2025 noch erhoben werden dürfe.

Worum geht’s in den aktuellen BVerfG-Verfahren zum Soli?

In dem Verfahren 2 BvR 1505/20 geht es um Verfassungsbeschwerden von sechs FDP-Bundestagsabgeordneten, die sich mit ihrer Beschwerde unmittelbar gegen das SolzG wenden und rügen eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verschiedener Einkommensbezieher durch das SolzG 1995, ferner die Verfassungswidrigkeit des SolZG 2019 seit Auslaufen des Solidarpakts II am 31.12.2019. Die klagenden Abgeordneten klagen also nicht wegen einer Verletzung möglicher Abgeordnetenrechte (Organstreitverfahren), sondern rügen durch Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das SolZG 2019 ohne Ausschöpfung des sonst einzuhaltenden Rechtswegs Grundrechtsverletzungen. Weiterlesen

Mindestlohn in Deutschland genügt EU-Anforderungen

Der aktuelle gesetzliche Mindestlohn genügt in 2024 und 2025 sowohl den Anforderungen des MiLoG als auch der EU-MindestlohnRL. Angehoben wird ab 1.1.2025 aber (auch) der Mindestlohn für Auszubildende.

Hintergrund

Nach dem Mindestlohngesetz gilt in Deutschland ein flächendeckender allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn für Arbeitnehmer und für freiwillige Praktikanten in Höhe von aktuell 12,41 Euro brutto je Zeitstunde, ab 1.1.2025 beträgt er 12,82 Euro. Der allgemeine Mindestlohn verdrängt nicht Branchenmindestlöhne, soweit sie höher als der allgemeine Mindestlohn sind (§ 1 Abs. 3 MiLoG).  Die Anhebung und Fortschreibung des gesetzlichen Mindestlohnes erfolgt durch eine Empfehlung der Mindestlohn-Kommission, die vom BMAS durch Rechtsverordnung umgesetzt wird. Die Kommission fasst ihre Beschlüsse alle zwei Jahre im Juni jeweils mit Wirkung zum 1.1. des Folgejahres.

Bundesregierung bestätigt EU-Konformität des deutschen Mindestlohnes

Am 23.10.2024 hat die Bundesregierung durch das BMAS die Bekanntmachung der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie im Bundegesetzblatt veröffentlicht. Damit testiert die Bundesregierung, dass die in Deutschland erfolgte Anhebung des Mindestlohnes auf 12,41 Euro brutto/Std. (ab 1.1.2025 dann 12,82 Euro brutto/Std.) den bindenden Vorgaben der EU-Richtlinie entspricht; wäre dies nicht der Fall, hätte die Bekanntmachung nicht erfolgen dürfen, bis eine entsprechende Anhebung nach oben erfolgt wäre. Weiterlesen

Update Aufstiegs-BAföG: Bundesregierung und Bundesrat in Finanzierungsfragen uneins

Am 17.10.2024 hat der Bundestag in erster Lesung das 5. Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) beraten und an die Ausschüsse verwiesen. Die Änderungsvorschläge des Bundesrates am Gesetz, das am 1.1.2025 in Kraft treten soll, hat die Bundesregierung bislang aber sämtlich abgelehnt. Droht dem Gesetz im Bundesrat die Zustimmungsverweigerung?

Hintergrund

Seit 1996 gibt es das sogenannte Aufstiegs-BAföG. Es richtet sich an Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung. Typische Aufstiegsfortbildungen sind etwa Meister- und Fachwirtkurse oder Erzieher- und Technikerschulen. Anspruchsberechtigt sind altersunabhängig alle, die sich mit einem Lehrgang oder an einer Fachschule auf eine anspruchsvolle berufliche Fortbildungsprüfung in Voll- oder Teilzeit vorbereiten. Das Aufstiegs-BAföG“ (früher „Meister-BAföG“ genannt) unterstützt die Vorbereitung auf inzwischen mehr als 700 Fortbildungsabschlüsse. Die Förderung wird teilweise als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss, teilweise als zinsgünstiges Darlehen gewährt. Die Kosten des Aufstiegs-BAföG tragen zu 78 Prozent der Bund und zu 22 Prozent die Länder.

Seit 1996 gibt es das sogenannte Aufstiegs-BAföG. Es richtet sich an Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung. Typische Aufstiegsfortbildungen sind etwa Meister- und Fachwirtkurse oder Erzieher- und Technikerschulen. Anspruchsberechtigt sind altersunabhängig alle, die sich mit einem Lehrgang oder an einer Fachschule auf eine anspruchsvolle berufliche Fortbildungsprüfung in Voll- oder Teilzeit vorbereiten. Das Aufstiegs-BAföG unterstützt die Vorbereitung auf inzwischen mehr als 700 Fortbildungsabschlüsse. Die Förderung wird teilweise als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss, teilweise als zinsgünstiges Darlehen gewährt. Die Kosten des Aufstiegs-BAföG tragen zu 78 Prozent der Bund und zu 22 Prozent die Länder. Über die vom Bundeskabinett am 24.7.2024 beschlossenen Änderungsvorschläge habe ich im August im Blog berichtet (Aufstiegs-BAföG: Mehr Geld für berufliche Fortbildung ab Januar 2025).

Bundesregierung lehnt Änderungsvorschläge des Bundesrates ab

Der Bundesrat, der sich in erster Runde am 27.9.2024 mit dem Gesetzentwurf befasst hat, begrüßt zwar im Grundsatz die Gesetzesinitiative, fordert aber zwei zentrale Änderungen: Weiterlesen

Deutschlandticket ohne Log-in online kündbar

Wer sein Deutschlandticket online kündigen möchte, kann dies direkt ohne Anmeldung auf der Internetseite des Anbieters erledigen. Das hat das OLG Nürnberg rechtskräftig in einer aktuellen Entscheidung entschieden (OLG Nürnberg v. 30.7.2024 – 3 U 2214/23).

Das Urteil ist eine wichtige Richtungsentscheidung für die Online-Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr.

Worum ging es im Streitfall?

Im Streitfall hatten Verbraucherschützer gegen ein bayerisches Nahverkehrsunternehmen auf Unterlassung geklagt, das der Ansicht war, ein nur über das Kundenkonto erreichbarer online-Kündigungsbutton entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Das beklagte Nahverkehrsunternehmen bot auf seinen Internetseiten das sog. D.-ticket an, das als monatsweises Abonnement vertrieben wird. Das D.-ticket kann bei der Beklagten in Form einer Chipkarte oder als Handyticket (E-Ticket) – auch per App – erworben und genutzt werden. Die Beklagte führt auf ihrer Homepage aus, dass beim Kauf über den Online-Shop die Kündigung schriftlich, per Mail oder per Brief erfolgen müsse. Für den Bestellprozess war jeweils die Anlegung eines Kundenkontos, d.h. eines Online-Zugangs, nötig; die Beklagte hatte den Kündigungsbutton zweckmäßigerweise in den geschützten Kundenbereich integriert. Das hat das OLG Nürnberg jetzt beanstandet.

Wie hat das OLG Nürnberg entschieden?

Das OLG Nürnberg gab den Verbraucherschützern Recht und verwies in seinem Urteil auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 312k Abs. 2 S. 4 BGB, der die Anforderungen an einen digitalen Kündigungsbutton regelt. Das Gesetz verlangt, dass die Schaltflächen und die Bestätigungsseite „ständig verfügbar sowie unmittelbar und leicht zugänglich“ sein müssen. Der gesetzlich vorgeschriebene Kündigungsbutton darf deshalb nach rechtskräftiger Ansicht des OLG Nürnberg auch in Fällen, in denen – wie im Streitfall beim sog. Deutschlandticket – ein Kundenkonto angelegt wird, nicht erst nach einem Log-in in dieses Kundenkonto zugänglich sein. Die Beklagte habe ihren Pflichten aus § 312k Abs. 2 BGB nicht in ausreichendem Umfang entsprochen, indem sie zunächst den Kündigungsbutton lediglich in den geschützten Kundenbereich integriert habe, sodass er erst erkennbar und nutzbar war, nachdem sich ein Kunde dort eingeloggt hat, und nicht bereits beim Aufruf der Homepage bzw. der Apps sichtbar und benutzbar war. Vielmehr müsse der Kündigungsbutton dort präsentiert werden, wo auch auf die Möglichkeit zum Abschluss des Fahrkartenerwerbs im elektronischen Geschäftsverkehr aufmerksam gemacht wird.

Das OLG Nürnberg beruft sich auf den Wortlaut des § 312k Abs.2 S.4 BGB und zum Auslegungsverständnis des Wortlautes auf die Entstehungsgeschichte der Norm (BT-Drs. 19/30840, S. 15) und den Normzweck. Es entspricht dem Gesetzeszweck, eine Kündigung auf elektronischem Wege auf einfache Weise zu ermöglichen, dem Verbraucher also nicht zuzumuten, erst zum Zweck der Kündigung einen neuen Account auf der Webseite des Unternehmers anzulegen.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Das rechtskräftige Besprechungsurteil hat weit über den Einzelfall hinaus Bedeutung. Es gilt damit für Verbraucherverträge ganz allgemein, dass die Online-Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312k BGB ohne Login möglich sein muss. Die Kündigung muss ebenso einfach abzugeben sein wie die Erklärung über den Abschluss entsprechender Verträge, auch wenn die Besonderheiten von Kündigungserklärungen Berücksichtigung finden müssen.

Das bedeutet, dass der Zugriff auf die Schaltflächen im Kündigungsfall nicht erst nach einer Anmeldung auf der Website möglich sein darf. Auch ein Erfordernis, z.B. erst Pop-Up-Fenster wegklicken zu müssen, darf nicht bestehen. Die Kündigungsschaltfläche muss von jeder Unterseite einer Website aus erreichbar sein und es dürfen keine weiteren Unterseiten, Pop-Ups oder sonstigen Einblendungen zwischengeschaltet sein. Deshalb genügt ein Unternehmer seinen Verpflichtungen aus § 312k Abs. 2 S. 4 BGB auch in Fällen, in denen der Kunde aufgrund der Gestaltung des Bestellvorgangs bereits ein Kundenkonto besitzt, nur dann, wenn sich die Schaltfläche auch ohne eine Anmeldung auf dieses Konto erreichen lässt.

Weitere Informationen:
OLG Nürnberg, Endurteil v. 30.07.2024 – 3 U 2214/23 – Bürgerservice (gesetze-bayern.de)

 

Unionsfraktion scheitert mit Aufhebung des Lieferkettengesetzes

Am 17.10.2024 hat der Bundestag mit Regierungsmehrheit die Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) bis zur Umsetzung der CSDDD-Richtlinie abgelehnt. Was bedeutet das für deutsche Unternehmen?

Über die Hintergründe habe ich hier im Blog schon mehrfach berichtet, z.B. in meinem Beitrag „Neuerungen beim Lieferkettengesetz ab 2024“.

Inhalt des Unionsantrags

Die Unionsfraktion stellt in ihrem Antrag vor dem Hintergrund verschiedener internationaler Krisen und Kriege fest, dass der Druck auf internationale Lieferketten erheblich gewachsen und Wirtschaftsbeziehungen erschwert worden seien, außerdem schrumpfe seit geraumer Zeit das deutsche Wirtschaftswachstum. Angesichts der umfangreichen Berichts- und Dokumentationspflichten im LkSG hätten sich die Wettbewerbsbedingungen deutscher Unternehmen insgesamt deutlich verschlechtert. Daher solle an den Verpflichtungen aus dem LkSG nicht länger festgehalten werden. Deutsche Unternehmen müssten sich stattdessen auf das Inkrafttreten der europäischen Lieferkettenrichtlinie CSDDD vorbereiten, das LkSG müsse deshalb mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden. Weiterlesen

Bundesrat macht Weg für virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen frei

Der Bundesrat hat am 27.9.2024 mit der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) gebilligt, dass künftig im Wohnungseigentumsrecht virtuelle Eigentümerversammlungen stattfinden können.

Hintergrund

Nach dem WEG können Wohnungseigentümerversammlungen derzeit lediglich als Präsenzversammlungen abgehalten werden oder in hybrider Form stattfinden, also als Präsenzveranstaltung mit Online-Teilnahmemöglichkeit. Eine rein virtuelle Versammlung ohne Teilnahmemöglichkeit in Präsenz ist hingegen nur möglich, wenn die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Da es an einer solchen Vereinbarung in der Praxis vielfach fehlte, war die Durchführung von WEG-Versammlungen und Verabschiedung rechtsverbindlicher Beschlüsse der Wohnungseigentümer vor allem während der Corona-Beschränkungen ein großes praktisches Problem.

Was ändert sich mit virtuellen Eigentümerversammlungen?

Mit dem Gesetz, das am 27.9.2024 nach dem Bundestag (BT-Drs. 20/9880) auch den Bundesrat passiert hat, wird nun im WEG eine Beschlusskompetenz für vollvirtuelle Wohnungseigentümerversammlungen geschaffen. Die bisherige Möglichkeit, die Online-Teilnahme an Präsenzversammlungen zu ermöglichen („hybride Wohnungseigentümerversammlungen“), bleibt aber unverändert bestehen. Die Wohnungseigentümer haben also künftig die Wahl, WEG-Versammlungen in Präsenz, hybrid oder rein virtuell durchzuführen. Dabei ist folgendes zu beachten: Weiterlesen

Unionsantrag im Wirtschaftsausschuss gescheitert – Schlussabrechnungsfrist für Corona-Wirtschaftshilfen wird nicht verlängert

Am 9.10.2024 ist ein Unionsantrag zur Verlängerung der Schlussabrechnungsfrist bei den Corona-Wirtschaftshilfen im BT-Wirtschaftsausschuss gescheitert (BT-Drs. 20/10615). Es bleibt damit dabei, dass das digitale BMWK-Abrechnungsportal am 15.10.2024 geschlossen wird.

Hintergrund

Mit den Corona-Wirtschaftshilfen (Überbrückungshilfen, November- und Dezemberhilfen) wurden im Zeitraum Juni 2020 bis Juni 2022 Unternehmen und Selbständige mit erheblichen coronabedingten Umsatzrückgängen vom Bund unterstützt. Nach den Förderbedingungen endete die Abrechnungsfrist am 30.9.2024. Allerdings hatet das BMWK in einer Mitteilung an den DStV aber nochmals „technische Übergangsfristen“ bis 15.10.2024 eingeräumt – bis dahin bleibt das Schlussabrechnungsportal geöffnet. Ich habe dazu unlängst im Blog berichtet (link).

Unionsantrag zur Verlängerung der Schlussabrechnungsfrist scheitert

Es war gewissermaßen der „letzte Strohhalm“ für alle Empfänger von Corona-Wirtschaftshilfen und deren steuerliche Berater (sog. prüfende Dritte), die innerhalb der Frist bis 30.9.2024 über ihre erhaltenen Subventionen im Rahmen von Corona noch nicht abgerechnet haben. Am 9.10.2024 ist die Unionsfraktion allerdings im Wirtschaftsausschuss mit einem Antrag zur Verlängerung der Abrechnungsfrist für die Corona-Wirtschaftshilfen gescheitert.

In ihrem Antrag forderte die Union die Bundesregierung auf, die Abgabefrist für Anträge auf Corona-Wirtschaftshilfen bis zum 31.12. 2024 („ggf. über eine quotale Regelung“) zu verlängern, „die Prüfung der Schlussabrechnungen sowohl bei der Auswahl der Stichproben als auch bei der Durchführung risikoorientiert vorzunehmen“ und „Unternehmen sowie prüfenden Dritten bei Rückfragen eine Antwortfrist von mindestens vier Wochen einzuräumen“. Daraus wird nun nichts: Nachdem der Antrag der Union vom 12.3.2024 jetzt am 9.10.2024 im Wirtschaftsausschuss gescheitert ist, wird sich der Bundestag damit erst gar nicht mehr befassen.

Was bedeutet das für offene Abrechnungsverfahren?

Rechtlich endete die Schlussabrechnungsfrist am 30.9.2024. Nach der Vereinbarung zwischen BMWK und DStV ist das digitale Abrechnungsportal für prüfende Dritte aber noch bis 15.10.2024, 24.00 Uhr geöffnet. Bis zum 15.10.2024 („technische Übergangsfrist“) eingereichte Schlussabrechnungen werden von den Bewilligungsstellen also akzeptiert und bis zu einem Abrechnungsbescheid bearbeitet.  Weiterlesen