Wie ein Wechsel des Abschlussprüfers die Bilanz beeinflussen kann

Ausweis von Kryptowährungen in der Bilanz

Wo werden Kryptowährungen in der Bilanz ausgewiesen? Das kommt auf den Wirtschaftsprüfer an. So ist es zumindest bei der Euwax AG, die Finanzdienstleistungen für die Börse Stuttgart erbringt. Durch den Wechsel des Abschlussprüfers hat sich der Ausweis der Kryptowährungen in der Bilanz geändert.

Auf den ersten Blick, ein kleiner Unterschied. Dennoch ein Sachverhalt, den man bei der Analyse von betroffenen Unternehmen berücksichtigen sollte. Doch nun aber der Reihe nach.

Ausweis von Kryptowährungen in Bilanz und GuV

Kryptowährungen sind sog. digitale Vermögensgegenstände gem. § 340e HGB. Zu diesem Thema hat das IDW eine Stellungnahme zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten des Handelsbestands bei Kreditinstituten (IDW RS BFA 2) veröffentlicht.

Beim Ausweis von Kryptowährungen im Jahresabschluss hatte die Euwax AG die folgenden beiden Möglichkeiten angewendet:

  1. Ausweis als Finanzinstrumente (bis Geschäftsjahr 2021)
  2. Ausweis als sonstige Vermögensgegenstände (ab Geschäftsjahr 2022)

Warum dies relevant ist? Weiterlesen

Ende der Immobilienparty: Wieso eine IFRS-Vorschrift Vonovia einen Milliardenverlust beschert

Gewinn ist Silber, Cash ist Gold?

Die Party ist vorbei. Die Zeit der steigenden Preise auch. Nein, ganz im Gegenteil: Gerade hat der DAX-Konzern Vonovia wieder einen hohen Verlust verkündet. Die Gründe? Die sinkenden Immobilienpreise.

Ein paar Details zur IFRS-Vorschrift

Im letzten Jahrzehnt kannten die Immobilienpreise nur einen Weg: Steil nach oben. Dies hat börsennotierten Immobilienkonzernen zumindest auf dem Papier hohe Gewinne beschert. Denn im IFRS-Abschluss können die Wertsteigerungen der Immobilien sofort als Gewinn ausgewiesen werden. Die Voraussetzung? Es handelt sich um sog. Investment Properties gem. IAS 40. Dies sind Immobilien, die als Finanzinvestitionen gehalten werden und damit beispielsweise Mieteinkünfte erzielt werden.

Wie schnell die ausgewiesenen Gewinne sich jedoch ins Gegenteil umkehren können, sieht man derzeit in den Bilanzen vieler Immobilienkonzerne: Da der Fair Value bei vielen Immobilien sinkt, führt die Wertverringerung zu einem Aufwand und bei vielen Unternehmen damit zu einem (hohen) Verlust. Weiterlesen

Neue Bilanzierungsregeln für Versicherungsverträge – Kennzahlenvielfalt und neue Ermessensspielräume

Seit diesem Jahr muss er angewendet werden: Der neue IFRS 17. Der erste umfassende internationale Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge. Das Ziel? Mehr Transparenz der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von Versicherungsunternehmen und die Vergleichbarkeit der Abschlüsse mit Wettbewerbern und Unternehmen anderer Branchen.

Zugegeben, die stärkere Zuordnung der Erträge nach dem Periodisierungsprinzip klingt einleuchtend. Doch ob dies die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Versicherungsunternehmen erhöht, da bin ich mir unsicher.

Der neue IFRS 17 und sein Ermessensspielraum

Um ehrlich zu sein, finde ich den neuen Standard komplex. Eine kurze Zusammenfassung von EY (Quelle siehe am Ende des Beitrags) zeigt die wichtigen Fakten verständlich auf, wie ich finde: Weiterlesen

Gewinn oder Verlust? – Wie Benko sein Immobilienimperium den Banken präsentiert

Im letzten Jahr sorgte der österreichische Unternehmer René Benko in Deutschland mit der Forderung nach Staatshilfen für Galeria Karstadt Kaufhof für Schlagzeilen. Nun weist eine seine Immobilien-Gesellschaft Signa Prime für das letzte Jahr einen hohen Verlust aus. Aus einer Präsentation für Banken, die dem Handelsblatt vorliegt, geht noch einiges andere hervor.

Ein Blick in die Zahlen des Immobilienriesen

Ende Juli hat das Handelsblatt von einer hohen Wertberichtigung der Signa Prime, einer Immobiliengesellschaft von René Benko berichtet. Die Neubewertung der Immobilien führte schlussendlich auch zu einem Nettoverlust in Höhe von 1 Mrd. €. Laut der Unterlagen, die dem Handelsblatt vorliegen, wurde das Immobilienimperium um 1,2 Mrd. € niedriger angesetzt. Damit wurde das Portfolio um sechs Prozent abgewertet, den es wird laut dem Handelsblatt auf 20,4 Mrd. € beziffert.

Doch das ist noch nicht alles: Das Handelsblatt berichtet über stille Reserven des Immobilienportfolios, die nach den Unterlagen zufolge bei Signa Prime zu einem Nettogewinn in Höhe von 90 Mio. € geführt hätten.

Trotz des Verlustes ist das Eigenkapital mit 6,8 Mrd. € stabil geblieben, denn im August 2022 konnte eine Kapitalerhöhung in Höhe von 750 Mio. € platziert werden. So heißt es nach dem Handelsblatt in Signa-Kreisen.

Eine kurze Stellungnahme

Was mir beim Lesen des Artikels im Handelsblatt auffällt? Weiterlesen

Rote Karte für die Schwarz-Gelben: Der BVB hat Stress mit der BaFin

Von wegen Sommerloch. Die BaFin hat am 3. August mit der nächsten Fehlerfeststellung nachgelegt. Nach Social Chain hat nun auch der BVB Ärger mit der Behörde. Interessant: Schon wieder geht’s um das Thema Kapitalflussrechnung. Was die beiden Fälle gemeinsam haben? Beide Unternehmen haben Geld verbrannt, wenn man die Fehler der BaFin-Feststellungen liest. Auch beim BVB frage ich mich, wie ein solcher Fehler passieren kann.

Und was bei den Schwarz-Gelben noch dazu kommt: In diesem Fall stelle ich mir die Frage, ob nicht auch weitere Jahresabschlüsse korrigiert werden müssen. Zumindest bei den ausgewiesenen Umsatzerlösen. Dabei hat der Fußballclub gerade erst den Abschlussprüfer gewechselt: Seit dem Geschäftsjahr 2021/2022 prüft nicht mehr KPMG, sondern Deloitte. Doch nun der Reihe nach.

Erhaltene Transferzahlungen sind keine Umsatzerlöse

Der BVB hat die Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2017/2018 um 223 Mio. € zu hoch ausgewiesen. Wie denn das? In den Umsatzerlösen sind erhaltene Transferzahlungen aus dem Transfer von Fußballspielern enthalten. Dafür wurde in den Vorjahren ein immaterieller Vermögenswert erfasst, als die Spieler gekauft wurden.

Die BaFin ordnet dies als einen Verstoß gegen IAS 38.113 ein. Demnach dürfen bei der Veräußerung eines immateriellen Vermögenswertes der daraus erzielte Gewinn oder Verlust nicht als Umsatzerlöse erfasst werden. Kurz gesagt: Wenn die erhaltene Transferzahlung für einen Spieler höher ist als Buchwert des immateriellen Vermögenswertes (d.h. gezahlte Transferzahlungen abzüglich Abschreibungen), führt dieser Gewinn nicht zu einer Erhöhung der Umsatzerlöse.

Ein Blick in den Anhang des entsprechenden Geschäftsberichtes zeigt: Der Anteil des Transfergeschäftes an den Umsatzerlösen macht mit 223 Mio. € nicht ganz die Hälfte des Gesamtumsatzes in Höhe von 536 Mio. € aus. Wer es selbst Nachlesen möchte: Die Zusammensetzung der Umsatzerlöse findet sich auf S. 178 im Geschäftsbericht 2017/2018. Weiterlesen

Serie Bilanzskandale: Gewinn schönrechnen durch Unterlassung der Bildung von Rückstellungen

Anders als bei fingierten Umsatzerlösen ist das Auffinden von nicht gebuchten Rückstellungen deutlich komplexer. Denn hier findet sich kein Buchungssatz ohne realen Geschäftsvorfall in der Buchhaltung, sondern kein Buchungssatz trotz eines realen Geschäftsvorfalls. Anstatt der Buchhaltung müssen daher also Dokumente wie E-Mails, Verträge und weitere Dokumente überprüft werden.

Beim Thema Rückstellungen fällt mir gerade ein Fall zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit in einer Steuerkanzlei ein. Dort ging es auch um eine sehr hohe Rückstellung für einen möglichen Schadensersatz eines Geschäftspartners. Doch anders als im Falle einer manipulierten Bilanz gab es damals mit der Steuerfahndung den Streit darüber, in welchem Jahr die Rückstellung mangels Verjährung aufgelöst werden musste. Aufgrund der Höhe des Betrages, den der Geschäftspartner aber schlussendlich doch nicht gerichtlich einforderte, wurde der Gewinn durch die Auflösung der Rückstellung deutlich erhöht.

Im Falle von Bilanzmanipulationen ist es genau umgekehrt: Weiterlesen

Bilanzierungsfehler bei Social Chain: Statt Liquiditätszuflüssen verbrennt das Unternehmen viel Geld

Bafin moniert die Kapitalflussrechnung des Social-Media-Unternehmens

Peinlich. Das ist das Erste, was mir zu den Bilanzierungsfehlern bei Social Chain einfällt. Der operative Cashflow wurde zu hoch ausgewiesen. Und zwar durch einen Fehler, der mehr als unangenehm ist. Erhaltene Zahlungen aus einem Bankdarlehen wurden fälschlicherweise zum operativen Cashflow gerechnet. Das dies eindeutig zum Cashflow aus Finanzierungstätigkeit zählt, sollte jedem Studierenden bekannt sein, der in der Vorlesung die Kapitalflussrechnung kennengelernt hat. Für BWL-Absolventen ist dies die Regel. Das Übersehen des Fehlers ist nicht nachvollziehbar.

Wie aus einem positiver ein negativer operativer Cashflow wird

Was die Korrektur so erschreckend macht? In dem ausgewiesenen Konzernabschluss weist Social Chain einen Verlust in Höhe von 82 Mio. € aus, dennoch ist der operative Cashflow erstaunlicherweise mit 23 Mio. € positiv. Jetzt wissen wir, wie es zu dieser großen Differenz kommt: Denn 50 Mio. € kamen nicht durch Zuflüsse aus dem operativen Geschäft, sondern durch Bankdarlehen. Weiterlesen

Immobilienbranche – Eigenkapitalrendite steigern durch Vernachlässigung von Instandhaltungen?

Ansatzpunkte zur Diskussion

Schockstarre. Dieses Wort hört man in der Immobilienbranche immer häufiger. Wie steht es eigentlich um die Immobilienbestände der deutschen Konzerne? Gute Frage, die sich leider nicht so leicht beantworten lässt.

Bei der Abschlussprüfung ist die Bewertung der Immobilien in der Regel einer der besonders wichtigen Prüfungsinhalte, was wenig überrascht, schließlich machen diese fast das gesamte Vermögen eines Immobilienkonzerns aus. Doch was können Wirtschaftsprüfer leisten und wo stoßen sie an ihre Grenzen?

Es ist gängige Praxis, dass nach IFRS bilanzierende Immobiliengesellschaften die Immobilien zu ihrem Zeitwert in der Bilanz ansetzten. Die Grundlage für die Wertsteigerungen? Gutachten. Hier hat der Prüfer also eine Grundlage für seine Arbeit. Er analysiert das Papier. Dieses ist bekanntlich geduldig.

Rendite mit wenig Instandhaltungen steigern

Was hat es nun mit der Steigerung der Eigenkapitalrendite auf sich? Je höher der Gewinn bei gleichbleibendem Eigenkapital, desto höher die Kennzahl. Instandhaltungen führen jedoch – sofern es sich nicht um nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt – zu Aufwendungen. Diese mindern den Gewinn und damit ceteris paribus die Eigenkapitalrendite.

Sie haben Recht. Dauerhaft geht das Spielchen so sicherlich nicht, denn die Vernachlässigung von Instandhaltungen wird sich mittel- bis langfristig in den Immobiliengutachten zeigen. Doch bis es so weit ist, können einige Jahre ins Land gehen.

Welche Konzerne es besonders hart treffen könnte

Auch ohne bereits beschlossene Maßnahmen zur Pflicht energetischer Sanierungen gibt es hier in den nächsten Jahren einen erheblichen Investitionsbedarf. Bei der Sanierung reicht es nicht, nur eine neue Heizung einzubauen. Weitere energetische Maßnahmen wie beispielsweise eine bessere Dämmung und neue Fenster sind notwendig, um diese auch wirklich effizient zu betreiben und den Anforderungen an die Nachhaltigkeit gerecht zu werden.

Immobilienkonzerne, die in den letzten Jahren Instandhaltungen aufgrund der hohen Kaufpreise und aufgenommenen Kredite vernachlässigt haben, werden nun sicherlich ins Schwitzen kommen, denn nun kostet Geld wieder etwas und die Materialpreise sind weiterhin auf einem hohen Niveau.

So hat eine Studie von JLL ergeben, dass die Differenz zwischen den Verkaufspreisen der besten Energieeffizienzklasse und der schlechtesten im letzten Jahr von 2 1% auf 28 % gestiegen sind.

Wesentlicher Faktor ist dabei das Alter des Immobilienbestandes und der aktuelle Zustand der Immobilien. So sind z.B. nach den Daten des Statistischen Bundesamts fast 80 % aller Wohngebäude in Deutschland älter als 30 Jahre. Vermutlich dürften die Immobilienbestände der Unternehmen im Schnitt ein ähnliches Alter aufweisen. Ob hier alle Bestände entsprechend saniert wurden, darf zumindest bezweifelt werden. Zumindest hat meines Wissens noch kein Unternehmen Zahlen zur Energieeffizienzklasse des Gebäudebestandes veröffentlicht.

Ein weiterer Indikator ist sicherlich das Geschäftsmodell des Unternehmens. Unternehmen, die Immobilien mit hohem Leverage kauften mit dem Ziel, diese schnell mit Gewinn weiter zu veräußern, werden sicher weniger in die Instandhaltung investieren als Unternehmen, die dauerhaft als Bestandshalter agieren.

Derzeit wird das Thema energetische Maßnahmen und die gesetzliche Verpflichtung noch kontrovers diskutiert. Wenn diese sich jedoch in Gesetzen niederschlagen, wird dies sicherlich auch bei den Immobiliengutachten eine wichtige Rolle spielen. Kurz gesagt: Immobilien, bei denen größere Sanierungen anstehen, werden dadurch abgewertet.

Grenzen der Abschlussprüfung

Die Vernachlässigung von Instandhaltungen kann der Abschlussprüfer nicht prüfen, dies ist Aufgabe des Immobiliengutachtens. Sofern der Zustand der Immobilie aufgrund fehlender Instandhaltungsmaßnahmen eher schlecht ist, wird sich dies bei der Bewertung widerspiegeln. Spätestens dann, wenn es eine gesetzliche Verpflichtung zu energetischen Maßnahmen gibt. Das wird sicherlich noch etwas dauern. Bis dahin können vermutlich noch einige Wertkorrekturen vermieden werden. Zumindest vorübergehend.

Großrazzia bei Adler Immobilien – Zusammenbruch in Raten?

Seit der letzten Meldung der Bafin Mitte November 2022 ist einige Zeit ins Land gegangen. Der ein oder andere mag sich vielleicht gefragt haben: Wann geht’s hier mal weiter? Wie die Berichterstattung über die Großrazzia bei Adler am 28. Juni 2023 zeigt, muss eine solche Aktion seitens der Behörden gut vorbereitet werden. Insbesondere dann, wenn diese wie im Falle Adler gleichzeitig in mehreren Staaten erfolgt.

Eine kurze Einordnung

Marktmanipulation, Untreue, Bilanzfälschung – seit der Razzia stehen einige klare Vorwürfe im Raum. Ist dies überraschend? Absolut nicht. Im Vergleich zu Wirecard eine überschaubare Liste an Vorwürfen von Gesetzesverstößen.

Ehrlich gesagt habe ich mich seit der Veröffentlichung des KPMG-Berichtes im April 2022 gefragt, wann dies Konsequenzen haben wird, denn die Erkenntnisse des Berichtes sind erschreckend. Das kurz danach verweigerte Testat des damaligen Abschlussprüfers KPMG bestätigte das Misstrauen in Adlers Zahlen.

Was erstaunlich war? Zum einen wurde in dem KPMG-Gutachten von den Beraterverträgen berichtet. Hohe Rechnungen mit wenig Inhalt über die erbrachten Leistungen. Ein Verdacht einer möglichen Scheinrechnung scheint daher nicht unrealistisch. Und natürlich das große Thema der Bewertung der Immobilien. Das Thema bei Adler. Und man bedenke: Die Erkenntnisse des KPMG-Berichtes waren zu einem Zeitpunkt vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges und der Zinswende. Seither hat sich der Wind auf dem Immobilienmarkt zu einem wirklichen Erdbeben entwickelt. Schockstarre hört man in diesem Zusammenhang immer öfter.

Keine Reaktionen nach dem KPMG-Bericht

Ich hatte nach der Veröffentlichung des KPMG-Gutachtens mit heftigen Reaktionen gerechnet – ähnlich wie bei Wirecard. Diese sind jedoch ausgeblieben. Offenbar war die Dimension des Inhaltes des KPMG-Berichtes nicht so eindeutig wie bei dem ehemaligen DAX-Konzern. Stimmt. Die Immobilien sind da anders als die Guthaben auf Treuhandkonten bei Wirecard. Dennoch stellt sich hier die Frage, wie viel diese wert sind. Manipulationen sind auch hier keinesfalls ausgeschlossen.

Gerade letzte Woche hatte ich auf dem Fürther Insolvenzforum zum Causa Adler referiert und über die Ereignisse seit dem Bericht des Shortsellers Fraser Perrings berichtet. „Derzeit heißt es warten“, hatte ich letzte Woche in meinem Vortrag „Immobilienkrise am Beispiel Adler Immobilien – (k)ein Einzelfall?“ noch gesagt, denn seit dem Herbst 2021 verfolge ich den Fall besonders genau und habe nicht nur an Hauptversammlungen von Adler teilgenommen, sondern auch die veröffentlichten Berichte analysiert sowie die Teil-Fehlerfeststellungen der Bafin.

Bis zur Offenlegung der testierten Berichte sollte es noch einige Monate dauern. Die ungeprüften Berichte liegen schon einige Zeit vor; die Adler Group sucht immer noch einen Prüfer für den Abschluss 2022. Dies dürfte mit der nun erfolgten Razzia bei der Tochter nicht einfacher werden.

Ein kurzes Fazit

Die Causa Adler hat im letzten Jahr nicht so heftig eingeschlagen wie Wirecard. Das aber auch hier möglicherweise gegen das ein oder andere Gesetz verstoßen wurde war meines Erachtens spätestens nach der Veröffentlichung des KPMG-Gutachtens zu vermuten. Es bleibt spannend, ich bleibe dran.

Weitere Informationen:
Spiegel.de: Großrazzia bei Immobilienkonzern Adler

Serie Bilanzskandale: Verschiebung von Sonderzahlungen ans Personal schonen den Gewinn

Sonderzahlungen ans Personal erst bei der Auszahlung erfassen anstatt bereits bei der rechtlichen Entstehung. Auf den ersten Blick erscheint dies „harmlos“ im Vergleich zu fingierten Rechnungen und vieler der bisherigen Praxisbeispiele dieser Serie. Dennoch ein ganz klarer Verstoß gegen die Rechnungslegungsvorschriften. Und erlauben Sie mir eine Anmerkung an dieser Stelle: Bei der Manipulation von Bilanzen wird in der Regel nicht nur an einer Stelle geschraubt, sondern an vielen – und das kann den Gewinn in der Summe ganz schön aufblähen bzw. den Ausweis eines Verlustes verhindern.

Auch dieses Beispiel stammt nicht aus meiner Ideenkiste, sondern wurde tatsächlich so in aufgedeckten Fällen von Bilanzmanipulationen bei der Aufklärung entdeckt. Anders als bei vielen Praxisbeispielen zuvor entsteht den Tätern durch die Verschiebung des Aufwandes in ein späteres Geschäftsjahr kein Folgeproblem mit der Liquidität. Allerdings ist das Aufblähen des Gewinns auch nur vorübergehend möglich. Im Fall einer Krise kann dies dem Unternehmen – zumindest vorübergehend – etwas Luft verschaffen. Zeit, in der möglicherweise Investoren oder Banken von der besseren Entwicklung des Unternehmens nach einer Restrukturierung überzeugt werden können. Doch schauen wir uns nun an, wie die Täter vorgegangen sind.

Vorgehensweise der Täter

Um den Gewinn im Jahr 01 aufzublähen wurden verschiedene Sonderzahlungen ans Personal erst zu dem Zeitpunkt als Aufwand erfasst, zu dem die Zahlungen tatsächlich geleistet wurden. Außer Acht gelassen wurde hier somit die rechtliche Entstehung des Aufwandes. Zwischen der Zusage an die Mitarbeiter und der Auszahlung lagen mehrere Monate, der Bilanzstichtag lag dazwischen.

Je nach Leistungen der einzelnen Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr 01 erhielten diese Prämien aufgrund des erfolgreichen Jahres für das Unternehmen, so die offizielle Begründung. Bereits im Oktober informierte die Geschäftsleitung sowohl über einen Aushang als auch per E-Mail die Mitarbeiter über die Zahlungen und dankte diesen für den Arbeitseinsatz. Die Prämie sollte im März des Jahres 02 mit der laufenden Gehaltszahlung ausbezahlt werden. Die genaue Höhe der Prämie sollte sich nach dem tatsächlichen Gewinn des Geschäftsjahres richten, sodass diese noch nicht final feststand zu diesem Zeitpunkt.

Aufgrund der Regelungen im Arbeitsvertrag erhielt die Geschäftsleitung eine Tantieme, deren Höhe vom erwirtschafteten Gewinn im Geschäftsjahr 01 abhing. Die Auszahlung der Tantieme erfolgte ebenso im März des Jahres 02. Die Auszahlung der Tantieme im folgenden Geschäftsjahr wurde vertraglich vereinbart.

Die zugesagten Prämien und Tantiemen wurden erst bei der Auszahlung im Jahr 02 als Aufwand erfasst. Eine Berücksichtigung der zugesagten Zahlungen an das Personal bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 01 erfolgte daher nicht.

Auswirkungen auf den Jahresabschluss

Für die beschriebenen Sonderzahlungen wäre das Unternehmen zur Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet gewesen. Entscheidend ist nämlich nicht der Zeitpunkt der Zahlung, sondern die wirtschaftliche Verursachung. Dies ist einer der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, genau genommen das sog. Periodisierungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB).

Durch die Zusagen mittels Aushanges und per E-Mail an die Belegschaft für die Arbeitsleistung im Geschäftsjahr 01 sind die Aufwendungen diesem Jahr wirtschaftlich zuzuordnen. Auch die vertraglich vereinbarte Tantieme ist so zu behandeln. Die Höhe der Tantieme kann anhand des voraussichtlichen Gewinns vorläufig berechnet werden. Erst nach Ende des Geschäftsjahres kann sie genau berechnet werden. Gleiches gilt für die Prämie an die Mitarbeiter.

Der Jahresabschluss für das Jahr 01 muss daher wie folgt korrigiert werden: Die voraussichtliche Höhe der Prämie und Tantiemen muss als Rückstellung erfasst werden. Gleichzeitig müssen damit auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge ermittelt und gebucht werden. Beispielhaft wird hier der Buchungssatz für die Bildung der Rückstellung aufgezeigt:

Personalaufwand
an Rückstellungen

Im Geschäftsjahr 02 bei der Auszahlung der Beträge muss die Buchung wie folgt lauten:

Rückstellungen
an Bank

Fazit

Das Auffinden unterlassener Buchungen in einem Geschäftsjahr erfordert eine andere Vorgehensweise als bei fiktiv gebuchten Umsatzerlösen. Denn hier muss zum einen nach entsprechenden Unterlagen gesucht werden, die wie in diesem Fall eine Rückstellungsbildung erforderlich gemacht hätten (Jahr 01). Auf der anderen Seite muss geprüft werden, ob eine Buchung zu einem früheren Zeitpunkt als in dem betroffenen Geschäftsjahr (Jahr 02) hätte gebucht werden müssen.