Zwei weitere positive „Bauträger-Urteile“

Das FG Baden-Württemberg hat der Finanzverwaltung mit zwei Urteilen vom 17.1.2018 (12 K 2323/17 und 12 K 2324/17) in Sachen „Bauträger-Fälle“ abermals eine herbe Niederlage bereitet. Es ging zum einen um die Änderung einer Steuerfestsetzung und zum anderen um die Erstattungszinsen. Den Urteilen lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist Organträgerin der X-GmbH. Diese ist überwiegend als Bauträgerin tätig. Sie errichtet Wohn- und Geschäftshäuser auf eigenem Boden zum Zwecke der (steuerfreien) Veräußerung oder Vermietung. Hierzu nimmt sie Leistungen diverser Bauhandwerker in Anspruch.

Die Klägerin führte zunächst unter Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung Umsatzsteuer nach § 13b UStG an das Finanzamt ab. 2015 beantragte sie die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung, da sie nach der Rechtsprechung des BFH als Leistungsempfängerin nicht Steuerschuldnerin sei. Das beklagte Finanzamt änderte die Umsatzsteuerfestsetzung teilweise zugunsten der Klägerin – und zwar (nur) in der Höhe, in der die leistenden Unternehmer ihre Rechnungen berichtigt, ihre zivilrechtlichen Forderungen in Höhe des Umsatzsteuerbetrags gegen die X-GmbH an das Finanzamt abgetreten haben und die Klägerin einer Verrechnung ihres Anspruchs auf Umsatzsteuererstattung mit den an das Finanzamt abgetretenen zivilrechtlichen Ansprüchen der Bauhandwerker zugestimmt hat. Im Übrigen lehnte das Finanzamt eine Änderung und Erstattung der Umsatzsteuer ab. Zudem lehnte es den Antrag der Klägerin auf Festsetzung von Erstattungszinsen ab.

Das FG Baden-Württemberg entschied nun, dass die Steuerfestsetzung von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Die Klägerin sei als Bauträgerin keine Steuerschuldnerin nach § 13b UStG. Einer (vollständigen) Änderung stehen weder die Verwaltungsauffassung noch § 17 UStG noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Maßgebend sei die gesetzliche Regelung des § 13b UStG. § 17 UStG komme schon dem Wortlaut nach nicht zur Anwendung. Die Steuerfestsetzung habe sich nicht infolge nachträglich eingetretener Umstände geändert. § 27 Abs. 19 UStG gelte dem Wortlaut nach nur für den leistenden Unternehmer. Die Klägerin sei die Leistungsempfängerin. Es gebe „keine Rechtsgrundlage, nach der es für eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung und/oder für die Erstattung der zu Unrecht festgesetzten Umsatzsteuer darauf ankommt, dass die Klägerin einen Betrag in Höhe der Umsatzsteuer an ihren jeweiligen Vertragspartner gezahlt hat.“ Die Klägerin verhalte sich nicht treuwidrig. Stelle sie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung einen Antrag auf Änderung, der der Verwaltungsauffassung widerspricht, schöpfe sie lediglich ihre rechtlichen Möglichkeiten aus.

Das Finanzamt habe eine von Anfang an rechtswidrige Steuerfestsetzung geändert. Die Änderung habe zu einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Klägerin geführt. Der Zinslauf beginne 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei. Entgegen der Auffassung des Finanzamts liege kein rückwirkendes Ereignis mit einem späteren Beginn des Zinslaufs vor. Auch komme es mangels Rechtsgrundlage nicht auf das Wirksamwerden einer Verrechnung an. Etwas anderes ergebe sich nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser verdränge „eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge, Festsetzung von Zinsen, nicht.“

Hinweis:
Das FG hat die Revision zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass diese eingelegt wird. Übrigens ist auch der umgekehrte Fall spannend, nämlich die Festsetzung von Nachzahlungszinsen bei Bauunternehmern. Obwohl diese nie einen Zinsvorteil erlangt haben, werden bei diesen nun zum Teil hohe Nachzahlungszinsen festgesetzt, wenn deren Umsatzsteuerfestsetzung erst spät geändert worden ist (zum Beispiel, weil sich eine Betriebsprüfung bei ihnen oder beim Bauträger lange hingezogen hat).

Gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen sollten unbedingt Rechtsmittel eingelegt und/oder ein Erlass bzw. ein Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen beantragt werden (siehe hierzu auch  Prätzler, StuB Nr. 19/2017 Seite 748. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG einfach nur zu absurden Ergebnissen geführt hat und noch immer führt.

Weitere Informationen:

Prätzler, Neues zur Umsatzsteuerkorrektur in sog. Bauleister-Altfällen – Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 26.7.2017, StuB 19/2017 S. 748 (für StuB-Abonnenten kostenfrei)

Ein Kommentar zu “Zwei weitere positive „Bauträger-Urteile“

  1. Sehr geerhter Herr Kollege,

    ich bin der Auffassung, dass das Gericht gefehlt hat und dem Leistungsempfänger die Erstattung der Umsatzsteuer in keinem Fall zusteht.

    Erstattungsberechtigter einer Steuer ist nach § 37 AO nur derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung geleistet worden ist, auch wenn ein Dritter die Zahlung tatsächlich geleistet hat. Es kommt nicht darauf an, von wem oder mit wessen Mitteln gezahlt worden ist. Maßgeblich ist vielmehr, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte.

    Feststellungsbedürftig ist dabei, auf wessen Rechnung der Bauträger die Umsatzsteuer tatsächlich gezahlt hat, nachdem der zwischen den Vertragsparteien ursprünglich angenommene umsatzsteuerrechtliche Grund des § 13b UStG für die direkte Abführung an das Finanzamt weggefallen ist.

    Entscheidend ist dabei nach unserer Auffassung, dass das der Abführung der Umsatzsteuer zugrunde liegende Grundgeschäft zivilrechtlich bindend die direkte Abführung der Umsatzsteuer zwischen den Vertragsparteien vorgesehen hatte!

    Da das Zivilirecht dem Steuerrecht vorgeht, kann sich der Bauträger aus dieser Vereinbarung nicht lösen. Die Frage nach dem Erstattungsberechtigten gemäß § 37 Abs. 2 AO ist zwar allein nach dem formalen Gesichtspunkt zu beurteilen, für wessen Rechnung der zu erstattende Betrag gezahlt worden ist und wer Steuersubjekt und Steuerschuldner ist.

    Nach der hier vertretenen Auffassung bindet die zivilrechtliche Vereinbarung über die Abführung der Steuerschuld durch den Leistungsempfänger diesen über den Gesetzesvollzug des § 13b UStG hinaus! Weil die zivilrechtliche Vereinbarung über die Tilgung einer Steuerschuld durch einen Dritten entgegen der Auffassung des BFH im Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10; BStBl. 2014 II S. 128) gemäß § 48 AO gesetzlich zulässig ist, wird abgabenrechtlich gar keine Grundlage gesehen, auf der sich der Leistungsempfänger von dieser zivilrechtlichen Vereinbarung lösen könnte. Der Antragsteller begeht mit seinem Antrag auf Rückzahlung der Umsatzsteuer sogar eine Vertragsverletzung !

    Ob ein Besteller die gesetzliche Umsatzsteuer an den Leistungserbringer oder direkt an den Fiskus zahlen muss, ist nach der bisherigen Auffassung der deutschen Rechtsprechung (BGH Urt. V 26.06.1991 VIIIZR 198790, NJW 1991, 2484 mwN) eine Frage des materiellen Rechts, nicht des Steuerrechts. Maßgebend waren bisher die (Preis-)Vereinbarungen der Vertragsparteien im Werkvertrag. Die zur Regelbesteuerung ergangene Rechtsprechung muss dabei sinngemäß auch auf 13b UStG- Fälle angewendet werden.

    Im Zweifel kann nach unserer Auffassung der Bauvertrag nur so ausgelegt werden, dass der Leistungsempfänger die Abführungsverpflichtung aus dem Grundgeschäft bei fehlendem Bezug auf § 13b UStG ersatzweise auf Rechnung des Leistungserbringers zu erfüllen hat.

    Der Leistungsempfänger kann sich weder aus seiner originären Steuerschuld noch aus seiner Abführungsverpflichtung für die Steuer lösen. Einer Auszahlung der bereits abgeführten Steuer an den eigentlichen Steuerschuldner wird daher widersprochen.

    Begründung:

    Das größte Problem in der Angelegenheit ist wohl die Begriffsverwirrung, die der Gesetzgeber mit seiner unvollkommenen Regelung der Steuerschuldnerschaft im UStG, insbesondere mit der fehlenden Bestimmung des Steuersubjektes im Gesetz und der fehlenden Definition der Funktion des Unternehmers als Steuereinnehmer im UStG angerichtet hat.

    Stadie schreibt im Kommentar zum § 13a UStG, dass die verwendeten Begriffe das Problem „vernebeln“ würden. M.E. ist es noch schlimmer: Wegen den unkorrekten Begriffen ist die Zuordnung der Abführungsverpflichtungen im UStG zum Teil falsch bzw. mangelhaft geregelt.

    Nach der Logik der Steuer ist der primäre oder wirkliche Schuldner der USt nie der Unternehmer als Leistungserbringer, sondern immer der Besteller einer Leistung oder Lieferung- alos hier tatsächlich der Bauträger !
    Dieser Umstand ergibt sich zwar aus dem Gesetz, wird aber darin nie explizit formuliert.

    Da der Grundtatbestand, der eine Umsatzsteuer auslöst – Leistung (vom Unternehmer) gegen Entgelt (vom Besteller)- zweiseitig ausgelegt ist, kann nur der Leistungsempfänger der Schuldner der Umsatzsteuer sein. Da der Primärschuldner der Steuer dann aber an keiner Stelle im Gesetz erwähnt wird, kann das Gesetz im § 13a UStG mit der Regelung der Schuldnerschaft beim Unternehmer beginnen, der aber in Wahrheit nur noch der Abführungsschuldner ist.

    Das ist wohl der Grundfehler im Gesetz in dieser Hinsicht. Steuersubjekt ist entgegen der herrschenden Auffassung nicht der Leistungserbringer sondern der Besteller selbst. Das ist zwar im Grunde jedem klar, wenn von der Umsatzsteuer als indirekter Steuer gesprochen wird. Gern wird darum der Besteller auch als „Träger der Umsatzsteuer“ bezeichnet. Er ist jedoch der eigentliche oder primäre Schuldner der Umsatzsteuer. Diese Grundlogik wird aber selbst vom V. Senat des BFH selten beachtet, das ist aber hier entscheidungserheblich.

    Nur mit einer fehlenden Bestimmung, wer das Steuersubjekt in der Umsatzsteuer ist, konnte der V. Senat des BFH in seinem Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10) überhaupt zu der merkwürdigen Formulierung kommen, dass die Steuerschuldnerschaft nicht zur Disposition der Steuerpflichtigen stünde. Abgesehen davon, dass der § 48 AO den Steuerpflichtigen grundsätzlich eine Disposition darüber zubilligt, wer eine Steuerschuld anstelle des Steuerpflichtigen entrichtet, wird bei einer irrtümlichen Anwendung des § 13b UStG gerade nicht die primäre Steuerschuld berührt, sondern lediglich, ob die Abführungsverpflichtung gegenüber Staat direkt oder indirekt (über den Leistungserbringer) erfolgt.

    Die Steuerschuldnerschaft des Bestellers geht nur auf den Leistungserbringer über, weil dieser kraft Gesetz bei der Regelbesteuerung verpflichtet wird, zusammen mit seiner Leistungsforderung die Steuer zu berechnen, einzunehmen und dann auch abzuführen.

    Seine Abführungsverpflichtung ist damit aber nicht mehr die primäre, sondern bereits eine sekundäre Steuerschuld, da diese lediglich aus seiner Funktion als Steuereinnehmer des Staates heraus resultiert und bereits nicht mehr aus dem Grundtatbestand, den das UStG geregelt hat!

    Der Unternehmer bzw. Leistungserbringer ist also nicht das primäre Steuersubjekt des UStG! Er wird im Regelsystem der Umsatzsteuer m.E. auch nur temporär zum Vertreter oder Stellvertreter des Steuersubjektes. Er ist mit seiner Einnehmerfunktion lediglich Erfüllungsgehilfe des Staates und nur dadurch auf zweiter Stufe, Schuldner der eingenommenen Steuer. Auf dieser Stufe setzt der § 13a UStG fälschlicher Weise erst an.

    Der Unternehmer ist im Sinne dieses Gesetzes überhaupt nicht Steuersubjekt, da er die Umsatzsteuer wegen der Neutralität des Systems seit 1968 ausdrücklich gar nicht tragen soll! Er trägt nicht die Steuer, nur noch das System zu seiner Erhebung (Ein Steuersubjekt, dass mit einer Steuer gar nicht belastet ist, ist nicht vorstellbar).

    Wohl erst mit der Einführung des § 13b UStG wurde diese Begriffsverwirrung für jedermann erkennbar. Hier führt der Besteller die Umsatzsteuer nicht mehr an den Leistenden, sondern direkt an den Staat ab. D. h. , dass bei Anwendung des § 13b UStG der leistende Unternehmer von seiner Funktion als Steuereinnehmer befreit wird, weil der Besteller als Steuersubjekt seine Umsatzsteuer selbst und direkt an den Staat zahlt.

    Aus vorigem ist noch deutlicher und offensichtlicher, dass der primäre Schuldner der Umsatzsteuer nur der Besteller sein kann. Jedoch wird gerade auch durch die Formulierungen im § 13b UStG der Eindruck vermittelt, der Besteller würde lediglich die Steuerabführungspflicht des Unternehmers erfüllen. Dem aber ist nicht so.

    Steuersubjekt im Umsatzsteuerrecht kann nur der Besteller sein. Im Regelsystem wird die Steuer des eigentlichen Steuerschuldners zwar über einen Dritten, den leistenden Unternehmer, an den Staat abgeführt. Bei der Anwendung des § 13b UStG wird dieser Zahlungsumweg lediglich abgekürzt bzw. beseitigt.

    Damit hat aber hat der Bauträger auch bei der nach § 13b UStG direkt abgeführten Steuer lediglich seine eigenen!!! Steuerschulden gemäß § 1 UStG beglichen !

    Einer Rückerstattung dieser Steuer unter gleichzeitiger Inanspruchnahme der Leistungserbringer nach § 13a UStG muss deshalb grundsätzlich widersprochen.

    Ein Erstattungsanspruch des Bestellers für seine direkt abgeführte Umsatzsteuer aus empfangenen Leistung kann wegen der möglicherweise falschen Bestimmung des Zahlungsweges der Steuer u.E. nicht abgeleitet werden.

    Insbesondere bleibt die Firma an die mit dem Lesitungserbringer zivilrechtlich bindend vereinbarte direkte Abführung der auf die empfangene Bauleistung zu zahlende Umsatzsteuer verpflichtet.

    Mit kollegialen Grüßen

    Dr. Jörg Uhlmann
    Steuerberater

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 1 = 1