Entscheidungen zum Zollrecht sind häufig nicht übermäßig spannend. Gelegentlich zeigen sich allerdings Ausnahmen. So soll der EuGH nun vorgeben, wie viele Dosen Kaviar man von einer Auslandsreise zurück in die EU mitbringen darf – eine Frage mit überraschendem juristischem Tiefgang.
Der grüne Ausgang am Flughafen…
Im Zusammenhang mit dem Steuer- und Zollrecht wird der grüne Ausgang am Flughafen immer mal wieder relevant. So auch in diesem Fall: eine Dame brachte von einer Flugreise etwas (viel) Kaviar mit nach Deutschland. Und zwar nicht nur vom Seehasen, sondern vom Beluga-Stör. Das ist einerseits geschmacklich, andererseits gleichsam rechtlich von Bedeutung. So sah es jedenfalls das zuständige Hauptzollamt und beschlagnahmte das Mitbringsel.
Sechs Dosen Kaviar waren zu viel
Hintergrund: Ohne besondere Genehmigung darf Kaviar vom Stör nur in einer Menge von höchstens 125g im Reisegepäck eingeführt werden. Im Streitfall hatte die Betroffene indes sechs Dosen à 50g dabei, mithin jedenfalls zu viel. Die Frage ist nun aber, ob der Zoll alle sechs Dosen beschlagnahmen durfte, oder nur vier. Denn mit zwei Dosen à 50g wäre die Passagierin ja unterhalb des Grenzwerts geblieben.
Freigrenze oder Freimenge?
Schon Auszubildende im Steuerrecht kennen das Problem: Ist der Grenzwert nun eine Freigrenze oder ein Freibetrag (bzw. hier eine Freimenge). Bei der Freigrenze ist stets eine binäre Entscheidung zu treffen: unterschritten oder überschritten. Nur unterhalb der Freigrenze tritt die jeweilige Befreiung ein. Wird die Freigrenze überschritten, scheidet eine Befreiung insgesamt aus (auch für den Teil unterhalb des Grenzwerts). Anders ist es beim Freibetrag (Freimenge): dieser wird von der jeweiligen Menge im Sachverhalt abgezogen. Insoweit tritt eine Befreiung ein. Nur für den Mehrbetrag greift die Befreiung nicht. Heißt hier:
- Freigrenze: Zoll beschlagnahmt sechs Dosen,
- Freimenge: Zoll beschlagnahmt vier Dosen.
Wie man die rechtliche Vorschrift im vorliegenden Fall auslegt, ist letztlich Einstellungssache. Tierschutzaspekte dürften wohl für eine Freigrenze sprechen. Wer mal gesehen hat, wie Störe im etwa „Ostblock“ teilweise gezüchtet werden, sympathisiert sicher schnell mit dieser Auslegung. Andererseits soll die Regelung Verwaltungsvorgänge vereinfachen und keine Schmuggler sanktionieren, was eher für eine Freimenge spricht. Ich gehe davon aus, dass sich der EuGH letzterer Ansicht anschließen wird.
Auch Kaviar-Geschenke sind persönliche Gegenstände
Zur Absicherung hat das Hauptzoll im Streitfall noch einen Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Denn weitere Voraussetzung für die vereinfachte Einfuhr des Kaviars ist, dass es sich um „persönliche Gegenstände“ handelt. Allen Ernstes wurde argumentiert, dass es daran hier fehle. Schließlich wollte die Klägerin einen Teil des Kaviars an ihre Kinder verschenken. Dem ist der BFH allerdings recht deutlich entgegengetreten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Bringen Sie nicht mehr als 125g Kaviar aus dem Drittland mit. Oder schließen wenigstens eine gute Rechtsschutzversicherung ab. In letzterem Fall ist allerdings zu beachten, dass ein Rechtsmittelverfahren in Deutschland die Haltbarkeit von Kaviar regelmäßig mehr als geringfügig überschreitet.
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