„Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ beim Arbeitslohn – Entwurf JStG 2020 verschärft die Gesetzeslage

Im Referentenentwurf des JStG 2020 plant das BMF in § 8 Abs. 4 EStG n.F. eine gesetzliche Definition des Kriteriums „zusätzlich geschuldeter Arbeitslohn“ im Sinne der Verwaltungsauffassung. Dies schränkt die Steuerfreiheit oder Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen des Arbeitgebers in Zukunft erheblich ein. Die Wirtschaftsverbände fordern Korrekturen – zu Recht.

Hintergrund

Es ist gelebte Praxis: Lohnformwechsel des Arbeitgebers durch Sachzuwendungen an Arbeitnehmer statt (voll steuerpflichtiger) Arbeitslohn sind heutzutage weit verbreitet. Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer ist das lohnsteuerlich interessant, wenn derartige Leistungen lohnsteuerfrei oder jedenfalls pauschalversteuert erfolgen können. Allerdings herrscht seit einiger Zeit ein heftiger Streit zwischen Finanzverwaltung einerseits, Arbeitgebern/Arbeitnehmern sowie Finanzgerichten andererseits: Der BFH hatte der Verwaltungsauffassung für das Merkmal „zusätzlich zum Arbeitslohn“ widersprochen und unter der geltenden Gesetzeslage in großzügiger Art interpretiert. Jetzt will der Gesetzgeber dieser BFH-Rechtsprechung einen Riegel vorschieben und die Streitfrage im Sinne der Finanzverwaltung restriktiv regeln.

Welche Zusatzleistungen sind betroffen?

Das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ ist in vielen Regelungen des EStG Voraussetzung für die  Steuerfreiheit oder Pauschalversteuerung von Sachzuwendungen von Arbeitgebern an Arbeitnehmer. Dies sind insbesondere:

  • Steuerfreier Kinderbetreuungszuschuss nach § 3 Nr. 33 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Fahrtberechtigungen (Jobtickets) nach § 3 Nr. 15 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Fahrrädern an Mitarbeiter nach § 3 Nr. 37 EStG
  • Steuerfreie Überlassung von Gutscheinen im Rahmen der 44 Euro-Freigrenze nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG (seit 2020)
  • Steuerfreie Gesundheitsförderung nach § 3 Nr. 34 EStG
  • Steuerfreie Übernahme von Betreuungsdienstleistungen und Beratungen nach § 3 Nr. 34a EStG
  • Pauschalversteuerter Fahrtkostenzuschuss für PKW nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b EStG
  • Pauschalversteuerter Internetzuschuss nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Datenverarbeitungsgeräten nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Fahrrädern nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG
  • Pauschalversteuerte Übereignung von Stromladestationen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG

Was ist im JStG 2020 geplant?

Mit der vorgesehenen gesetzlichen Neuregelung in § 8 Abs. 4 EStG im Entwurf des JStG 2020 soll die bestehende Verwaltungsauffassung  (R 3.33 Abs. 5 LStR) zur „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ für das Kriterium „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gesetzlich festgeschrieben werden. Danach war das Kriterium „zusätzlich zum Arbeitslohn“ nicht erfüllt, wenn auf einen bestehenden Anspruch von Arbeitslohn verzichtet wurde. Diese Verwaltungsansicht bindet aLerninhalte nur die Finanzämter, nicht hingegen den Steuerbürger und auch nicht die Finanzgerichte.

Der BFH (Urteile vom 1.8.2018 – VI R 32/18, VI R 21/17 -nv- und VI R 40/17 -nv-) hatte eine differenziertere Sichtweise eingenommen und dabei den Begriff des arbeitsvertraglich vereinbarten „Lohnformenwechsels“ verwendet: „Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den ohnehin geschuldeten Arbeitslohn für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen“. Nach BFH-Sicht kann der Arbeitgeber nicht einseitig einen „Lohnformenwechsel“ herbeiführen. Außerdem können Arbeitgeber und Arbeitnehmer anlässlich eines „Lohnformenwechsels“ nicht vereinbaren, dass bei Wegfall der Zusatzleistung der Lohnverzicht des Arbeitnehmers wieder durch eine Gehaltserhöhung ausgeglichen werden soll. Wäre ein solcher Automatismus vorhanden, läge auch nach BFH-Sicht kein „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ vor.

Mit BMF-Schreiben vom 5.2.2020 (IV C 5 – S 2334/19/10017 :002) hat die Finanzverwaltung bekannt gegeben, dass die Urteile des BFH vom 1.8.2019, in denen dieser teilweise eine Gehaltsumwandlung zugelassen hat, über den entschiedenen Fall hinaus nicht anzuwenden sind. Diese Ansicht will sich der Gesetzgeber im JStG 2020 zueigen machen, § 8 Abs. 4 EStG entsprechend neu fassen.

Der Clou: Dies soll sogar rückwirkend für den VZ 2020 gelten! Die „Zusätzlichkeitsvoraussetzung“ wäre demnach künftig – auch mit Bindungswikrung für den BFH – nicht erfüllt, wenn

  • der Wert einer Arbeitgeberleistung (Sachbezüge oder Zuschüsse) auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt wird.

Berechtigter Verbändeprotest

Die Wirtschaftsverbände haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum JStG 2020 (E) vom 14.8.2020 berechtigte Kritik an den vom Gesetzgeber geplanten Verschärfungen am Zusätzlichkeitserfordernis geübt. Ein derart definiertes Zusätzlichkeitskriterium, das Gehaltsumwandlungen ausschließt, schränkt die politisch gewünschte Lenkungswirkung der Steuerbefreiung für bestimmte Arbeitgeberleistungen ein. Der Gesetzgeber hat die Steuerbegünstigungen für Arbeitgeberzuwendungen im § 3 EStG geschaffen, damit diese im Sinne einer Lenkungswirkung genutzt werden. Noch schärfer ist die Kritik am Plan des Gesetzgebers, die Änderungen in § 8 Abs. 4 EStG rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2020 einzuführen.

Warum? Denn dies würde dazu führen, dass Arbeitgeber bereits abgerechnete Vorgänge rückwirkend überprüfen und ggf. nachversteuern müssten. Dies sollte aus Vertrauensschutzgründen unterbleiben, basta!

 Wie geht´s weiter ?

Der Referentenentwurf geht als Gesetzentwurf der Bundesregierung in das weitere parlamentarische Verfahren. Dort wird sich zeigen, ob die Regierungspläne in Bezug auf das „Zusätzlickeitserfordernis“ noch entschärft werden können. Im Interesse der Arbeitnehmer wäre das jedenfalls nachhaltig zu begrüßen.

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