Bereits mehrfach ist im Rahmen des NWB Experten-Blogs die Thematik „Berücksichtigung von Verlusten aus wertlos gewordenen Aktien“ behandelt worden. Eine Frage blieb dabei bislang ausgespart, nämlich zu welchem Zeitpunkt ein Wertverlust mit steuerlicher Relevanz eigentlich eintritt. Kürzlich hat der BFH diese Frage wie folgt beantwortet (BFH-Urteil vom 17.11.2020, VIII R 20/18):
Erlischt das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs einer inländischen AG, weil diese infolge einer Insolvenz aufgelöst, abgewickelt und im Register gelöscht wird, entsteht dem Aktionär ein steuerbarer Verlust, wenn er seine Einlage ganz oder teilweise nicht zurückerhält. Werden solche Aktien schon vor der Löschung der AG im Register durch die depotführende Bank aus dem Depot des Aktionärs ausgebucht, entsteht der Verlust bereits im Zeitpunkt der Ausbuchung. Von einer Verlustentstehung kann aber nicht bereits zu einem Zeitpunkt ausgegangen werden, zu dem mit einer Auskehrung von Vermögen im Rahmen der Schlussverteilung des Vermögens der AG objektiv nicht mehr rechnen ist oder die Notierung der Aktien an der Börse eingestellt oder deren Börsenzulassung widerrufen wird.
Der Kläger hatte im Jahr 2009 Aktien an einer börsennotierten inländischen AG erworben, die in einem Depot verwahrt wurden. Über das Vermögen der AG wurde im Jahr 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Aktien wurden zum 31.12.2013 im Depot des Klägers noch mit einem Stückpreis ausgewiesen. Er wollte bereits im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2013 einen Totalverlust aus dem Investment mit verrechnen. Das Finanzamt und das FG lehnten die begehrte Verrechnung im Jahr 2013 ab. Der BFH stimmte dem im Ergebnis zu.
Grundsätzlich sei der Verlust aus wertlos gewordenen Aktien steuerlich verrechenbar. Der maßgebende Verlust entstehe für den Aktionär aber erst, wenn er aufgrund des rechtlichen Untergangs seines Mitgliedschaftsrechts oder der Ausbuchung der Aktien aus dem Depot einen endgültigen Rechtsverlust erleidet. Im Streitjahr 2013 habe der Kläger zwar einen Wertverlust hinnehmen müssen. Dieser habe aber weder den Bestand seines Mitgliedschaftsrechts berührt noch seien die Aktien aus dem Depot des Klägers ausgebucht worden.
Im Streitfall war das BFH-Urteil für den Kläger zwar negativ, aber das betrifft – wie erwähnt – nur den Zeitpunkt der Verlustberücksichtigung. Hinsichtlich des „Ob“ einer Verrechnung von Aktienverlusten hat der BFH hingegen noch einmal sehr deutlich gemacht, dass der Veräußerungstatbestand in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG im Fall des insolvenzbedingten Erlöschens des Mitgliedschaftsrechts erfüllt ist. Damit dürften entsprechende Fälle bis einschließlich 2019 geklärt sein; ab 2020 greift ohnehin die gesetzliche Regelung.
Noch immer sind aber nicht alle Fälle der Wertloswerdung abschließend entschieden, etwa bei einem Insolvenzverfahren nach US-amerikanischem Recht. Das FG Rheinland-Pfalz hat zwar geurteilt, dass die ersatzlose Ausbuchung endgültig wertlos gewordener Aktien durch die das Depot führende Bank auch hier zu einem berücksichtigungsfähigen Verlust aus Kapitalvermögen führt (Urteil vom 12.12.2018, 2 K 1952/16). Hiergegen liegt aber die Revision vor (Az. VIII R 5/19).