Zeitreihenvergleich oder wie Tote zum Leben erweckt werden sollen

In den vergangenen Monaten habe ich mehrere Vorträge zum Urteil des X. BFH-Senats vom 25.3.2015 (X R 20/13) bezüglich des Zeitreihenvergleichs hören dürfen und auch zahlreiche Beiträge gelesen. Oftmals ging es darum, dass von Finanzbeamten versucht wurde, das Urteil des BFH irgendwie für falsch, nur auf den Einzelfall bezogen oder – aufgrund neuerer Prüfmethoden – für mittlerweile überholt darzustellen. Mittels – meist in der Kürze der Zeit nicht nachvollziehbarer – Grafiken wurde dann versucht darzulegen, warum der heute gebräuchliche Zeitreihenvergleich durch das genannte Urteil nicht betroffen sei und er im Übrigen eine gute Argumentationsgrundlage sei, um eine Buchführung dennoch anzuzweifeln. Sofern Richter oder Steuerberater auf dem Podium anwesend waren, wurde natürlich dagegen gehalten. Ich folge selbstverständlich der Auffassung der Richter.

Bezüglich der Anwendbarkeit des Zeitreihenvergleichs hat sich die Finanzverwaltung an das Urteil des BFH zu halten. Es ist im BStBl II 2015, S. 743 veröffentlicht worden und daher von den Betriebsprüfern zu beachten. Ich erspare mir an dieser Stelle, die Leitsätze erneut aufzuführen. Im Wesentlichen geht es aber darum, dass eine Buchführung, die keine oder nur geringe formelle Mängel aufweist, durch den Zeitreihenvergleich grundsätzlich nicht angezweifelt werden darf. Das heißt: Ohne formelle Mängel kein Zeitreihenvergleich und keine Hinzuschätzung – ich wüsste nicht, warum diese eindeutige Aussage nur Altfälle betreffen sollte. Ein weiterer Kerngedanke des Urteils liegt übrigens darin, dass eine gewählte Verprobungsmethode nachvollziehbar sein muss. Den Gesprächen, die ich in den letzten Monaten mit Richtern und Beratern geführt habe, durfte ich aber entnehmen, dass Finanzbeamte sich zum Teil schwer tun, wenn sie beispielsweise im Erörterungstermin oder in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die gewählte Methode schlüssig und verständlich darlegen sollen.

Interessant wird es übrigens zuweilen, wenn mehrere Verprobungs- und Schätzungsmethoden zusammenkommen. Da mag jede Methode für sich genommen schlüssig sein, in der Kombination gelangt man aber zum Teil zu exorbitanten Umsatzzahlen, die fern jeglicher Realität sind. Auch daran zeigt sich, dass die Entscheidung des X. Senats zum Zeitreihenvergleich gut begründet und nach wie vor aktuell ist.

Allerdings muss ich den Betriebsprüfern zugute halten, dass es in bestimmten bargeldintensiven Branchen ausgefeilter Prüfungsmethoden bedarf – gerade um die „schwarzen Schafe“ zu finden und um die steuerehrlichen Bürger zu schützen. Sofern im Rahmen einer Betriebsprüfung beiderseits, das heißt von Seiten des Prüfers und von Seiten des Beraters, ein fairer Umgang gepflegt wird, dürfte man am Ende des Tages in den allermeisten Fällen einen Kompromiss erzielen, mit dem alle leben können. Letztlich wird man sich über die Anwendung bestimmter Prüfmethoden wohl nur dann „bis auf´s Blut“ streiten, wenn es entweder der Prüfer übertreibt oder der Mandant sicher ist, dass er tatsächlich nichts zu verbergen hat.

Noch ein Punkt: In letzter Zeit übertreiben es die Prüfer zuweilen mit der Anwendung der GoBD und sind mit der Androhung von Hinzuschätzungen schnell dabei (Beispiel: Hinzuschätzung, weil die Bedienungsanleitung einer „uralten“ Registrierkasse nicht mehr vorgelegt werden kann oder Hinzuschätzung trotz Anwendung eines handelsüblichen Programms zur Erstellung von Rechnungen). Vertreter von Steuerberaterkammern und -verbänden haben mir nochmals bestätigt, dass BMF und Landesfinanzministerien zugesichert hätten, dass die GoBD mit Augenmaß anzuwenden seien. Melden Sie daher betroffene Fälle unbedingt (anonymisiert) ihrem örtlichen Kammer- oder Verbandsvertreter. Nur so kann ein umfassendes Bild über die GoBD-Prüfungen entstehen und eine für die Steuerzahler zufriedenstellende Evaluierung der GoBD stattfinden.

Weitere Infos: BFH, Urteil vom 25.3.2015 – X R 20/13

 

Ein Kommentar zu “Zeitreihenvergleich oder wie Tote zum Leben erweckt werden sollen

  1. Dem Kollegen Herold sei hier ausdrücklich gedankt. Er spricht mir nämlich aus der Seele! Als mit Bargeldbranchen, vornehmlich dem Gastgewerbe, speziell befasster Berufskollege kommt es mir manchmal schon so vor, als ob hier von einzelnen Ämtern oder PrüferInnen regelrechte Hexenjagden veranstaltet würden. Wir mussten beispielsweise schon mit Unterstützung eines Kassenherstellers nachweisen, dass die vorgelegte „Bedienungsanleitung“ (die früher oft nur aus einer CD bestand oder heute teilweise nur online verfügbar ist) vollständig vorliegt. In einem anderen Fall wollte die Finanzbehörde davon überzeugt werden, dass Programmierprotokolle bei Kassencomputern, die auch über Jahre Preisänderungsberichte ausgeben können, völliger Mumpitz sind. Das oftmals (auch in Kammerveranstaltungen von Vertretern der Finanzverwaltung) bemühte „Augenmaß“ scheint da wohl kein tauglicher Maßstab zu sein. Hier muss dann eine andere „Gewalt“, nämlich die Judikative bemüht werden. Und sie hilft, wie wir am besagten BFH-Urteil ablesen können.

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