Die Einräumung eines zeitlich befristeten Zuwendungsnießbrauchs an einem Mietobjekt ist seit Jahren eine gängige Gestaltung. Das heißt: Eltern räumen Sohn oder Tochter für vielleicht sieben oder acht Jahre den Nießbrauch an einer ihnen gehören vermieteten Immobilie ein, damit das Kind die Einkunftsquelle vorübergehend erhält, zum Beispiel um sein Studium zu finanzieren. Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Im Familienverbund wird die Steuerlast gesenkt.
- Bei den Kindern wirken sich der Sonderausgabenabzug von bis zu 6.000 Euro für ihre (Erst-)Studienkosten und der Grundfreibetrag steuermindernd aus.
- Die Eltern müssen sich von ihrer Einkunftsquelle nicht dauerhaft trennen.
Das FG Baden-Württemberg hat die Gestaltung mit rechtskräftigem Urteil vom 13.12.2016 (11 K 2951/15) akzeptiert. Im Urteil heißt es ausdrücklich: „Nach Auffassung des Senats steht es Eltern frei zu entscheiden, ob sie zum Zwecke der Gewährung von Unterhalt dem Kind Barmittel überlassen oder ob sie ihm – auch befristet – die Einkunftsquelle selbst übertragen. Wenn sie sich aus steuerlichen Gründen für Letzteres entscheiden, führt allein dies nicht dazu, dass die zugrunde liegende rechtliche Gestaltung als unangemessen im oben dargestellten Sinne anzusehen wäre.“
Dennoch gab – und gibt – es immer noch Finanzämter, die dem Modell mit Argwohn gegenüberstehen. Andererseits sind es mitunter auch die Steuerpflichtigen, die die Grenzen der Gestaltung ausloten möchten, um es freundlich auszudrücken. Sprich: Sie halten sich nicht einfach an den Sachverhalt des Urteils des FG Baden-Württemberg, sondern „setzen einen drauf“. Immerhin hat der BFH nun einen solchen Fall zugunsten der Steuerzahler entschieden und ich gebe gerne zu, dass ich skeptisch war, denn die – negative – Vorentscheidung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 21.3.2022, 16 K 4112/20) war gut begründet (BFH-Urteil vom 20.6.2023, IX R 8/22).
Vereinfacht ging es um folgenden Sachverhalt:
Die Eltern besitzen ein bebautes Gewerbegrundstück, dass sie zunächst an ihre eigene GmbH weitervermieteten. Das Mietverhältnis zwischen Eltern und GmbH ist in 2015 abgeschlossen worden und beidseits ordentlich frühestens zum 31.12.2023 kündbar. Sie räumten dann aber ihren beiden noch minderjährigen Kindern ein Nießbrauchrecht an der Immobilie für die Zeit vom 1.1.2016 bis 31.12.2023 ein. Der Vater erklärte namens der GmbH, dass er dem Eintritt der Kinder anstelle der Eltern in den Mietvertrag zustimme. Ohne dass es einer Kündigung bedurfte, sollten die Eltern ab 1.1.2024 als Grundstückseigentümer wieder Vermieter sein. Für die Kinder wurde vom Amtsgericht ein Ergänzungspfleger bestellt, der die abgegebenen Erklärungen der Eltern auch genehmigte. Der Nießbrauch wurde notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt und das Finanzgericht versagten dem Modell zunächst die steuerliche Anerkennung, doch der BFH hat der Revision stattgegeben. Die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle auf die Kinder war zulässig.
Die Begründung – ebenfalls in aller Kürze:
Der Nießbrauch würde bürgerlich-rechtlich wirksam begründet (notarielle Beurkundung, Grundbucheintragung). Das Mietverhältnis halte in steuerlicher Hinsicht auch einem Fremdvergleich stand, denn der Vertrag wurde ordnungsgemäß vereinbart und durchgeführt. Ob bzw. dass zwischen den Eltern und „ihrer“ GmbH ein persönliches Näheverhältnis bestand, sei ohne Belang.
Auch ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) wurde vom BFH verneint. Maßgebend war u.a., dass die Immobilie von den Nießbrauchern an einen fremden Dritten, nämlich an die GmbH, vermietet wurde. Auch eine nur befristete Übertragung der Einkunftsquelle sei nicht missbräuchlich. Unschädlich sei es, wenn die Übertragung zugleich der Erfüllung einer Unterhaltspflicht dient. Die Entscheidung der Eltern, ob sie ihren Kindern Barunterhalt leisten oder ihnen (vorübergehend) eine Einkunftsquelle zuwenden, sei steuerlich grundsätzlich zu beachten. Gleiches gelte, wenn Eltern ihren Kindern einen Vorteil zuwenden wollen, ohne zum Unterhalt in Geld verpflichtet zu sein.
Dass die ordentliche Kündigung des Mietvertrags für die Laufzeit des Nießbrauchs ausgeschlossen war, der Nießbraucher also nicht aktiv eine anderweitige Vermietung ins Werk setzen konnte, spreche nicht gegen die steuerliche Anerkennung des Nießbrauchs, sondern gehört zu den rechtlichen Gegebenheiten.
Und ganz allgemein gilt: Die zeitlich befristete Übertragung der Einkunftsquelle Vermietung und Verpachtung durch unentgeltliche Bestellung eines befristeten Nießbrauchrechts ist nicht missbräuchlich, wenn dem Zuwendenden, von der Verlagerung der Einkunftsquelle abgesehen, kein weiterer steuerlicher Vorteil entsteht.
Denkanstoß:
Zunächst einmal ist es bemerkenswert, wie klar und eindeutig der BFH das Modell selbst bei einem Zuwendungsnießbrauch an minderjährige Kinder akzeptiert. Interessierte sollten daher das BFH-Urteil sowie insbesondere auch das positive Urteil des FG Baden-Württemberg studieren, wenn sie die Gestaltung umsetzen wollen. Ich möchte diesen Beitrag aber nicht schließen, ohne zuvor den warnenden Zeigefinger gehoben zu haben, denn meine Erfahrung zeigt, dass das Modell in der Praxis leider allzu häufig „unsauber“ durchgeführt wird. Soll heißen: Man möchte schon gerne die steuerlichen Vorteile nutzen, aber weil dem einen oder anderen nicht ganz wohl dabei ist, dem gerade einmal 19 oder 20 Jahre alten Kind eine Einkunftsquelle (zeitweise) zu übertragen, werden eben doch allerlei rechtliche Begrenzungen vereinbart. Oder aber es wird auf die Grundbucheintragung verzichtet. Oder die Mieter werden nicht informiert. Oder die Miete wird nicht auf ein Bankkonto des Kindes überwiesen. Ich könnte diese Liste fortsetzen.
Weitere Informationen zu dem Thema bietet der Blog-Beitrag „Zuwendungsnießbrauch an Kinder: Ohne Mühe geht es nicht“.