Seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung besteht für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde, so der Beschluss des FG Saarland vom 03.04.2019 – 2 K 1002/16.
Der Streitfall
Der Kläger war an einer Sozietät bestehend aus Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern beteiligt. Diese GbR wurde durch Auseinandersetzungsvertrag zum 31.12.2008 aufgelöst. Die Gesellschafter der GbR waren zerstritten; im Rahmen der Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 stritten sie vor allem um die Berechnung des Veräußerungsgewinns und die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz. Anlässlich einer Besprechung zwischen der Betriebsprüfungsstelle und dem Kläger beantragte der Kläger Akteneinsicht. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer und das Steuergeheimnis ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Beteiligten stritten um die Frage, ob das Finanzamt zu Recht einen Antrag auf Akteneinsicht während einer laufenden Außenprüfung abgelehnt hat.
Der Beschluss des FG des Saarlandes
Wie bereits erwähnt besteht seit dem Inkrafttreten der DSGVO für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein gebundener Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde. Dies gilt in zeitlicher Hinsicht auch, soweit personenbezogene Daten (noch immer) ab dem 25.5.2018 verarbeitet werden – und damit auch für Papierakten mit Informationen zu einer Zeit vor dem 25.5.2018 (im Streitfall: im Jahr 2015 von einem Gesellschafter einer GbR gestellter Antrag auf Akteneinsicht während einer bei der GbR im Saarland laufenden Außenprüfung). Soweit die Finanzverwaltung beim Akteneinsichtsrecht weiterhin von einem Ermessensanspruch ausgeht (vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 12.1.2018, Rz. 32), widerspricht dies sowohl vorrangigem Unionsrecht als auch nationalem Recht.
Das Akteneinsichtsrecht eines Gesellschafters betreffend der Akten der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der GbR wird auch dann nicht durch das Steuergeheimnis ausgeschlossen, wenn die Gesellschafter zerstritten sind.
Der EuGH zur Wahrung der Verteidigungsrechte
Schon mit seinem Urteil vom 09.11.2017, C-298/16, Rs. Curte de Apel Cuj hat bereits der EuGH ein Einsichtsrecht aus dem allgemeinen Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte abgeleitet. Nach seinem Urteil müsse es in Verwaltungsverfahren zur Überprüfung und Festlegung der Bemessungsgrundlage möglich sein, auf Antrag Zugang zu den Informationen und Dokumenten zu erhalten, die in der Verwaltungsakte enthalten sind und die von der Behörde für den Erlass ihrer Entscheidung berücksichtigt werden. Die Grenze sei hier nur das Gemeinwohl.
Fazit
Für eine effektive Verteidigung ist die Akteneinsicht zu beantragen, um hieraus weitere Argumente für die Verhandlung entwickeln zu können. Sollte das Finanzamt den Antrag auf gebundene Akteneinsicht ablehnen, so stehen den Betroffenen inzwischen zwei rechtliche Ansatzpunkte bzw. Entscheidungen zur Verfügung. Hilfreich kann auch sein, auf das Recht der uneingeschränkten Akteneinsicht im Gerichtsverfahren nach § 78 FGO zu verweisen.
Weitere Informationen:
- FG Saarland, Beschluss v. 03.04.2019 – 2 K 1002/16
- EuGH Urteil vom 09.11.2017, C-298/16, Rs. Curte de Apel Cuj
Das sieht die Finanzverwaltung aber gaaaanz andes, vgl. Poschenrieder: Ein Recht auf Auskunft begründet kein Recht auf Akteneinsicht – Grenzen von Art. 15 DSGVO im Besteuerungsverfahren, DStR 2020, 21