Wundersames Umsatzsteuerrecht ohne Beherrschung der Glaskugel nicht praktikabel? Teil I

Ich weiß, eine merkwürdige Überschrift. Aber was sich der XI. Senat als Fachsenat für die Umsatzsteuer an Entscheidungen leistet, ist nur noch in diese „Kategorie“ einzuordnen. Jeder Praktiker reibt sich die Augen, der verzweifelte Berater fragt sich, wie kann ich für die Zukunft beraten und der Steuerbürger als Opfer fragt sich, ob er beim richtigen Berater ist.

Die Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) führt zur Nichtsteuerbarkeit, dies gilt auch für einen Teilbetrieb. Diese an sich gut gemeinte und praktikable Vorschrift wird seit Jahren mit Leben durch die Rechtsprechung des BFH ausgefüllt. In seiner Entscheidung XI R 16/14 veräußert ein Bauträger einen Bürogebäudekomplex nicht sofort, sondern sorgt in einem Zeitraum von 2 bis 3 Jahren für eine Vermietung, so dass beim Verkauf rund 90 % der Flächen vermietet sind. Der Erwerber hat die Mietverträge fortgeführt.

Im Kaufvertrag gingen die Parteien von einer steuerbaren Lieferung aus, so dass der Verkäufer unwiderruflich zur USt-Pflicht gem. § 9 UStG optierte. In seiner Rechnung wies er auf die Steuerschuldnerschaft gem. § 13b UStG hin. Später hat der Erwerber diese Handhabung in Frage gestellt und beim FA die USt zurückgefordert mit dem Hinweis, dass eine Geschäftsveräußerung im ganzen vorliegt.

Der BFH hat die Entscheidung des FG (FG Saarland 1 K 1265/11) bestätigt. Der Bauträger hat keine Grundstückslieferung im eigentlichen Sinne mehr getätigt. Durch die umfangreiche Vermietung handelt es sich nunmehr um ein Vermietungsunternehmen. Dieses Unternehmen begründet einen anderen „Charakter“ und wurde vom Erwerber durch Übernahme der Mietverträge fortgeführt.

Es ist juristisch alles genial und „sauber“ gelöst. Der Praktiker fragt sich jetzt nur, wann verwandelt sich der Bauträger zum Vermietungsunternehmer. In TZ 40 der Entscheidung gibt der BFH nicht die Antwort, sondern „lächelt zynisch“ und verweist auf ein anhängiges Verfahren beim V. Senat (V R 66/14). Da war die Zeit der Vermietung „nur“ 17 Monate und das FG hatte keine Geschäftsveräußerung im Ganzen als Lösung parat. Dies hat der XI. Senat des BFH offengelassen, weil der Sachverhalt nicht vergleichbar ist.

Danke für die klare und eindeutige Rechtsprechung. Ohne Glaskugel ist ein jetzt an den Steuerberater herangetragener Fall nicht lösbar. Auch die Verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 ff. AO) wird nicht helfen, denn das FA signalisiert zurück: „Weiß ich (noch) nicht!

Als Praktiker mag man sich helfen und den Fall so lösen, wie es die Vertragsparteien ursprünglich vorgenommen haben. Der Verkäufer optiert und der Käufer macht dem FA klar, dass er nicht Steuerschuldner ist, weil eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt. Verneint das  FA diesen Tatbestand, liegt eine Grundstückslieferung vor. Und hokus pokus, jetzt stimmt die Option. Ja, so machen wir das jetzt.

P:S. die Kosten für die Glaskugel sind Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG). Sogar Vorsteuer kann im Einzelfall noch „drin“ sein.

Lesen Sie hier Teil II

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