Wirtschaftliches Eigentum bei Wertpapierleihgeschäften

Die persönliche Zuordnung von Vermögensgegenständen bzw. Wirtschaftsgütern nach dem wirtschaftlichen Eigentum ist sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz ein Dauerbrenner. Während handelsbilanziell keine Legaldefinition für den Begriff existiert, gilt für das Steuerrecht: „Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen.“ (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).

Handelsrechtlich hat sich das IDW im bis heute nicht verabschiedeten ERS HFA 13 intensiv mit Gestaltungsmodellen u.a. zu Sale-buy-back-Geschäften  auseinandergesetzt. Steuerlich ist das wirtschaftliche Eigentum ein steter Quell von Rechtsstreitigkeiten. Nun hat das BMF zwei Schreiben vorgelegt, in denen es sich mit Wertpapierdarlehen und den sog. Cum/Cum-Transaktionen auseinandersetzt.

Bei sog. strukturierten Wertpapierleihgeschäften werden Aktien an einen Entleiher verliehen, bei dem die Dividendenerträge nach § 8b Abs. 1 KStG von der Steuer befreit sein sollen. Beim Entleiher soll künstlich ein Betriebsausgabenüberhang u.a. durch Dividendenkompensationszahlung und Wertpapierleihgebühr geschaffen werden.

Wie sind Wertpapierleihgeschäfte abzubilden?

Der BFH hatte in seinem Urteil I R 88/13 v. 18.8.2015 entschieden, dass im Falle der Wertpapierleihe der Entleiher als zivilrechtlicher Eigentümer dann nicht wirtschaftlicher Eigentümer ist, wenn seine zivilrechtliche Rechtsposition lediglich eine formale sei. Daran anknüpfend befasst sich das BMF-Schreiben nun mit der Wertpapierleihe, die als Sachdarlehen über vertretbare Sachen qualifiziert wird. Dabei erhält der Entleiher die Wertpapiere zu vollem Eigentum und zur freien Verfügung. Bei Fälligkeit sind Wertpapiere gleicher Art, Menge und Güte zurückzugewähren. Zudem schuldet der Entleiher ein Entgelt.

Grundsätzlich sind die Wertpapiere dem Entleiher als zivilrechtlichem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Anderes gilt wie oben beschrieben jedoch, wenn dem Entleiher das wirtschaftliche Eigentum nicht zuzurechnen ist. Hierfür führt das BMF-Schreiben folgende Indizien an, die zu einem Anscheinsbeweis führen sollen:

  • Die Leihe läuft nur über einen kurzen Zeitraum über den Dividendenstichtag hinaus (in jedem Fall bei einer Haltedauer von weniger als 45 Tagen) oder
  • bei Gesamtschau ist die Eigentümerposition des Entleihers nur formaler Art.

Der Entleiher soll bei Vorliegen der Indizien die Beweislast für das ihm dennoch zuzurechnende wirtschaftliche Eigentum tragen.

Für die Qualifikation einer nur formalen Eigentümerposition des Entleihers sind folgende Kriterien heranzuziehen:

  • aus dem Geschäft resultiert ein Steuervorteil nach dem sich das Gesamtentgelt auch bemisst,
  • dem Entleiher entsteht kein Liquiditätsvorteil aus den mit dem Wertpapiergeschäft getätigten Zahlungen,
  • die Stimmrechte des Entleihers sind ausgeschlossen, eingeschränkt oder auf die Ausübung kommt es nicht an,
  • dem Entleiher kann die Rechtsposition jederzeit oder mit kurzer Frist entzogen werden, z.B. durch Kündigung mit einer Frist von 3 Bankarbeitstagen.

Ist das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren dem Verleiher und nicht dem Entleiher zuzurechnen, hat der Verleiher die Wertpapiere nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB iVm. mit dem Maßgeblichkeitsgrundsatz weiterhin in seiner Bilanz auszuweisen und gilt als Empfänger der Dividenden.

Wird das wirtschaftliche Eigentum hingegen auf den Entleiher übertragen, soll der Verleiher den Abgang der Wertpapiere gegen Einbuchung eines Rückgabeanspruchs in gleicher Höhe, d.h. ohne Gewinnrealisation, erfassen. Der Entleiher bucht die Wertpapiere gegen Passivierung einer Rückgabeverpflichtung ein, beides wohl mit dem aktuellen Marktwert, ohne dass dies im BMF-Schreiben konkret geregelt würde.

Unbeschadet bleibt nach dem BMF-Schreiben ein Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO, sofern der wirtschaftliche Vorteil des Geschäfts im Wesentlichen in einem Steuervorteil besteht. Das BMF-Schreiben enthält zudem zwei Beispiele.

Schließlich soll der Anwendungsbereich der Regelungen auch andere Wertpapiergeschäfte umfassen, soweit das Wertminderungsrisiko an den Wertpapieren bei Gesamtwürdigung der Umstände nicht übergegangen ist.

Handelsrechtlich existieren divergierende Auffassungen zu Behandlung von Wertpapierleihgeschäften. Das IDW sieht für das wirtschaftliche Eigentum im Handelsrecht insb. für Kapitalanlagen als entscheidend an: „Das wirtschaftliche Eigentum umfasst hiernach regelmäßig das Verwertungsrecht durch Nutzung oder Veräußerung des Gegen­stands, die Chancen und Risiken aus der laufenden Nutzung und die Chance der Wertsteigerung sowie das Risiko der Wertminderung bzw. des Verlustes einschließlich des Risikos des zufälligen Untergangs…. Handelt es sich um rückzahlbare Kapitalanlagen, so steht der Anspruch auf Zinsen und den Rückzahlungsbetrag im Vordergrund. Chancen und Risiken der Wertänderung werden hier insbesondere durch das Bonitätsrisiko und das Zinsänderungsrisiko bestimmt. Bei Kapitalanlagen ohne planmäßige Kapitalrückzahlung, insbesondere Anteilen an Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften, sind das Gewinnbezugsrecht sowie insbesondere das Recht zur Weiterveräußerung an Dritte von Bedeutung … erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen und ihrer Bedeutung in dem jeweiligen Sachverhalt“ (IDW ERS HFA 13.7-9. n.F.).

Diese Grundsätze von ERS HFA 13 n.F. für die persönliche Zuordnung von Vermögensgegenständen gehen dabei prinzipiell weiter als diejenigen des dargestellten BMF-Schreibens, die sich stark am Sachverhalt des auslösenden BFH-Urteils orientieren. Dennoch ist die Orientierung von BFH und BMF an Grundsätzen zum wirtschaftlichen Eigentum im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu begrüßen. Dabei ist besonders darauf hinzuweisen, dass im BMF-Schreiben für die Beurteilung zwar nicht ausdrücklich der Wertpapierleihe, jedoch anderer Transaktionen gerade auch den Wertminderungsrisiken besondere Bedeutung beigemessen wird.

Ein Hindernis für eine moderne, vorrangig an Chancen und Risiken orientierte Abgrenzung des Begriffs des wirtschaftlichen Eigentums bleibt § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Wünschenswert wäre hier eine gesetzliche Neuorientierung, die stärker auf Chancen und Risiken abstellt und weniger auf eine formale Betrachtung der Ausschließungsmöglichkeit des zivilrechtlichen Eigentümers. Die handelsrechtliche Diskussion ist hier schon ein Stück weiter. Dies würde die Argumentation deutlich erleichtern und unter anderem auch in Leasingfällen zu sachgerechteren Ergebnissen führen, was ich bereits in einem anderen Blogbeitrag angesprochen hatte.

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