„Wir schenken Ihnen die Mehrwertsteuer“ – Verbrauchertäuschung?

Kürzlich kramte mal wieder ein großer Elektronikmarkt die Mehrwertsteuer-geschenkt-Werbung aus der Schublade. Als Steuerrechtler ärgert mich dieses Konzept enorm. Grund genug, die Sache mal auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen.

Es stellen sich zwei Fragen:

  1. Wie hoch ist der Preisnachlass bei „Mehrwertsteuer geschenkt“?
  2. Darf man mit „Mehrwertsteuer geschenkt“ überhaupt werben?

Die Höhe der Mehrwertsteuer von 19 % wird flächendeckend nicht unbedingt zum Allgemeinwissen zählen. Werbeaktionen mit der Mehrwertsteuer spalten die Kundschaft dann auch in zwei Gruppen: die erste Gruppe wundert sich, dass die Produkte nicht 19 % billiger werden. Die zweite Gruppe wundert sich über die Unkenntnis der ersten. Denn der Bruttopreis setzt sich aus dem Nettobetrag und der darauf entfallenden Mehrwertsteuer von 19 % zusammen. Bezogen auf den (Brutto-)Kaufpreis macht die „Märchensteuer“ dann nur noch knapp 16 % aus. Ein entsprechender Hinweis findet sich meist im Kleingedruckten der Werbeanzeigen. Alternativ wird teilweise auch damit geworben „volle 19 % vom Kaufpreis“ zu sparen. So oder so halte ich solche Werbung für irreführend.

Das lässt die Frage aufkommen, ob solche Werbung überhaupt erlaubt ist. Denn schon in ihrem Ansatz ist die Werbung ja sonderbar. Schließlich kann der Werbende natürlich über die Steuerpflicht seiner Umsätze keineswegs disponieren. Er rabattiert schlicht den Nettopreis um 19 % (oder mehr) und führt dann weniger Mehrwertsteuer ab. Die Steuer als solche bekommt der Kunde also nicht geschenkt, sondern nur einen betragsmäßig äquivalenten Nettorabatt. In der Fachliteratur wird vertreten, dass dem Kunden die Quelle seines Rabatts (Unternehmermarge oder Steuermittel) egal sein kann. Ich sehe das anders. Denn die Werbung suggeriert dem einzelnen Verbraucher, dass (auch) mit seinen Steuermitteln der Einkauf von anderen kofinanziert wird. Will er auch etwas von „seinen“ Steuern haben, muss er ebenfalls einkaufen. Für mich ist das eine vollkommen intransparente und insoweit rechtswidrige Werbung.

Allerdings habe ich diese Meinung wohl exklusiv. Jedenfalls sieht es der BGH anders. Die fehlende Transparenz  hat er in seinen Leitentscheidungen zur Mehrwertsteuerwerbung – soweit ersichtlich – nie thematisiert, geschweige denn kritisiert. Insoweit ist die Werbung allgemein nicht zu beanstanden. Selbst ein zusätzlicher Zeitdruck in der Werbebotschaft („Nur heute…“) wurde abgesegnet. Schluss mit lustig war für die Rechtsprechung erst bei dem Problem, dass im Angebotszeitraum vom Kunden bestellte Ware nicht begünstigt sein sollte. Spätestens nach dieser Entscheidung war „solange der Vorrat reicht“ geboren.

Wer also nicht in die Mehrwertsteuerfalle tappen will, sollte stets das Kleingedruckte in der Werbung beachten. Immerhin hat die Rechtsprechung da geklärt, dass die Beschränkungen des Werbeangebots auch wirklich in der Werbeanzeige enthalten sein müssen und z.B. in einem Werbeflyer nicht einfach auf eine Internetseite verwiesen werden darf. Immerhin.

2 Gedanken zu “„Wir schenken Ihnen die Mehrwertsteuer“ – Verbrauchertäuschung?

  1. Wie sieht es denn aus mit unlauterem Wettbewerb oder der Tatsache, dass auf dem Kaufbeleg hinterher immer noch USt ausgewiesen wird, obwohl sie doch geschenkt werden sollte.

  2. Zum unlauteren Wettbewerb hat der BGH entschieden – da sieht er grds. kein Problem. Das mit dem USt-Ausweis ist auch aus meiner Sicht die Krux: für mich ist das intransparent (und dann auch unlauterer Wettbewerb). Für den BGH ist es als Problem transparent (sieht er nicht)…

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