Der XI. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 5.5.2020 (XI R 33/19) eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für eine Revisionsbegründung abgelehnt. Der Mitarbeiter des Prozessbevollmächtigten war wohl längerfristig erkrankt und dadurch kam es zu der verspäteten Revisionsbegründung bzw. zu einem verspäteten Antrag auf Fristverlängerung. Erwartungsgemäß hat der BFH das Begehren abgelehnt und führt dazu aus:
„Wer geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, muss – zur Vermeidung eines Organisationsverschuldens – grundsätzlich dafür Vorkehrungen treffen, dass auch bei einer nicht vorhergesehenen Erkrankung Fristen in den Verfahren gewahrt werden, deren Betreuung er im Rahmen des betreffenden Geschäftsbetriebes übernommen hat (…). Er muss u.a. sicherstellen, dass entweder ein Vertreter vorhanden ist oder das Kanzleipersonal sich an einen solchen wenden kann. Wer wegen einer chronischen Erkrankung in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, muss sein Büro so organisieren, dass Fristen auch für den Fall eines plötzlich auftretenden Krankheitsschubes ordnungsgemäß gewahrt werden können, z.B. durch Bereithaltung eines Vertreters (…).“
Die Ausführungen des BFH sind nichts Neues, denn die Gerichte sehen bei einem Fristversäumnis fast ausschließlich ein Büroversagen oder ein Verschulden des Klägers. Besonders unnachgiebig war vor einigen Jahren das FG Münster im Urteil vom 28.4.2014 (6 K 1015/13 Kg): Hier wurde einer Steuerpflichtigen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zusammenhang mit einer Kindergeldfestsetzung verweigert, obwohl sie wegen einer seit Jahren bestehenden Krankheit eine nur eingeschränkte Gedächtnisleistung hatte. Sie hätte halt – trotz eingeschränkter Gedächtnisleistung – daran denken müssen, einen Vertreter zu bestellen.
Die aktuelle Entscheidung des BFH, aber auch die Beschlüsse anderer Gerichte zur Wiedereinsetzung, sind recht hart. Ich bin nun einmal zynisch und erlaube mir – nicht ganz ernst gemeint – die obigen Ausführungen des BFH umzuformulieren und die Perspektive zu wechseln. Lesen Sie selbst:
„Ein Gericht muss – zur Vermeidung eines Organisationsverschuldens – grundsätzlich dafür Vorkehrungen treffen, dass auch bei einer nicht vorhergesehenen Erkrankung zeitnahe Entscheidungen getroffen werden. Es muss u.a. sicherstellen, dass entweder ein Vertreter vorhanden ist oder der Prozessbevollmächtigte sich an einen solchen wenden kann. Sind Richter oder Mitarbeiter des Gerichts wegen einer chronischen Erkrankung in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, muss der Gerichtspräsident das Gericht so organisieren, dass Gerichtstermine auch für den Fall eines plötzlich auftretenden Krankheitsschubes ordnungsgemäß gewahrt werden können, z.B. durch Bereithaltung eines Vertreters.“
Wie heißt es so schön: “ Manchmal muss man die Perspektive wechseln, um den Himmel zu sehen.“