Nachfolgend stelle ich Ihnen ein aktuelles Urteil des FG Münster (AZ: 5 K 3278/15 U) vor, in dem es erneut um die Frage der Abtretung und der Verjährung im Zusammenhang mit den Bauträgerfällen geht. Bevor ich die Entscheidung darstelle, möchte ich eine Passage aus dem Urteil zitieren, in der es um den derzeitigen Diskussionsstand zum Beginn der Verjährung geht:
- „Nach teilweise vertretener Auffassung beginne die Verjährungsfrist für einen etwaigen zivilrechtlichen Nachforderungsanspruch mit Ausführung der Bauleistung (FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.07.2015 5 V 5026/15, juris und FG Niedersachsen, Beschluss vom 20.07.2015 16 V 132/15, juris). Nach dieser Auffassung hätte die Verjährungsfrist am 31.12.2012 begonnen und am 31.12.2015 geendet.
- Nach anderer Auffassung soll die Verjährung mit Verkündung des BFH-Urteils vom 22.08.2013 am 27.11.2013 (FG Niedersachsen, Urt. vom 29.10.2015 5 K 80/15, EFG 2016, 338 und FG Nürnberg, Beschluss vom 26.08.2015 2 V 1107/15, EFG 2015, 2135) beginnen, so dass die Frist am 31.12.2016 abgelaufen wäre.
- Nach einer weiteren Auffassung beginnt die Frist dann, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis davon erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsanspruch bei seinem Finanzamt gestellt hat (BMF, Schreiben vom 26.07.2017, BStBl. I 2017, 1001, Rz. 17; FG Hamburg, Urt. vom 18.01.2018 3 K 209/17, juris; Sterzinger UR 2015, 293; Fleckenstein-Weiland, BB 2014, 2391). Die Klägerin hat durch Schreiben des Beklagten vom 28.07.2015 vom Erstattungsanspruch der W GmbH erfahren, so dass die dreijährige Verjährungsfrist nach dieser Auffassung am 31.12.2015 begonnen hat und erst am 31.12.2018 ablaufen würde.
- Nach einer weiteren Ansicht sei der Fristbeginn nicht vor Verkündung des BFH-Urteils vom 23.02.2017 (V R 16/16, V R 24/16, BStBl. II 2017, 760) am 05.04.2017 anzunehmen, da dieses Urteil die erste höchstrichterliche Entscheidung über mögliche Nachzahlungsansprüche gewesen sei (FG Nürnberg, Urt. vom 30.01.2018 2 K 1351/17, EFG 2018, 533 mit Anm. Pflaum). Fristende wäre danach der 31.12.2020.“
Ich finde, die Passage veranschaulicht sehr schön, welches Chaos BMF und BFH angerichtet haben und womit sich Unternehmer und ihre Berater „herumärgern“ müssen. Nun aber zu dem Urteil:
Für die Änderung von Umsatzsteuerfestsetzungen zulasten eines Bauunternehmers in den Bauträgerfällen reicht es gemäß § 27 Abs. 19 UStG aus, wenn dem Unternehmer gegen den Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Änderung Festsetzung ein abtretbarer Anspruch zustand. Das FG Münster hat mit Urteil vom 15.5.2018 entschieden, dass der Verwaltungsauffassung insoweit zu folgen ist (Az. 5 K 3278/15 U, Newsletter FG Münster 07/2018)
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen und erbrachte im Jahr 2012 Bauleistungen an eine Bauträgerin. Die entsprechende Umsatzsteuer hatte die Bauträgerin nach § 13b UStG entrichtet, machte aber unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 22.8.2013 (V R 37/10) einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt geltend. Trotz Hinweises des Finanzamts erteilte die Klägerin zunächst keine korrigierten Rechnungen und erklärte auch nicht die Abtretung der Zahlungsansprüche gegen die Bauträgerin. Das Finanzamt änderte daraufhin die Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 im Jahr 2015 zulasten der Klägerin, also des Bauunternehmens. Hiergegen wandte die Klägerin ein, keinen abtretbaren Anspruch gegen ihre Leistungsempfängerin zu haben; jedenfalls sei dieser verjährt. Während des Klageverfahrens erklärte die Klägerin dennoch die Abtretung und stellte berichtigte Rechnungen aus.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung sei durch § 27 Abs. 19 UStG gedeckt. Gegen diese Vorschrift bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Änderung sei dann zulässig, wenn dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht.
Ein solcher Anspruch stehe der Klägerin gegen die Bauträgerin gemäß § 313 Abs. 1 BGB zu, weil die Vertragsparteien in Übereinstimmung mit der damals geltenden Verwaltungsauffassung davon ausgegangen seien, dass die Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer schulde. Durch die BFH-Rechtsprechung sei es zu einer schwerwiegenden Veränderung in Bezug auf die Person des Steuerschuldners als Vertragsgrundlage gekommen. Ob der Anspruch verjährt sei, sei unerheblich, da eine Verjährung lediglich eine Einrede ermögliche, an der Abtretbarkeit aber nichts ändere. Jedenfalls sei aber die dreijährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 2012 im Jahr 2015 noch nicht abgelaufen gewesen. Dies gelte unabhängig davon, ob für den Beginn der Verjährung die Ausführung der Bauleistung (2012), die Kenntnis des leistenden Unternehmers vom Erstattungsanspruch des Leistungsempfängers (2015), die Verkündung des BFH-Urteils vom 22.8.2013 oder die Verkündung der ersten höchstrichterlichen Entscheidung über mögliche Nachzahlungsansprüche maßgeblich sei (BFH-Urteil vom 23.2.2017, V R 16, 24/16).
Die erst im Klageverfahren erklärte Abtretung führe zu keinem anderen Ergebnis. Hierüber könne nicht im vorliegenden Verfahren, sondern im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid, entschieden werden. Gleiches gelte für die berichtigten Rechnungen.
Das FG Münster hat die Revision nicht zugelassen.