Der „Normalbürger“ fragt sich regelmäßig, wer angesichts der engen Verzahnung von Politik und Wirtschaft wesentliche Entscheidungen beeinflusst. Immer wieder hat man das Gefühl, dass manche gesellschaftliche Gruppen besseren Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern und damit entscheidenderen Einfluss haben als die große Masse der Bevölkerung. Jüngst war in einer nicht gerade als linkspopulistisch bekannten Wirtschaftszeitung zu lesen: „Kungelverdacht in Sachen Luxleaks“. Dabei ging es trotz des reißerischen Titels aber weniger um steuerliche Fragen als vielmehr um Fragen der Regulierung der Abschlussprüfung. Den für die Erarbeitung von Gesetzesentwürfen zuständigen Ministerialbeamten wurde vorgeworfen, aufgrund von Honorartätigkeiten für das Institut der Wirtschaftsprüfer und dessen Verlag, die wiederum von den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) abhängig seien, im Interesse dieser WPG zu handeln. Deshalb solle im Rahmen der Abschlussprüferreform weiterhin die Steuerberatung für Prüfungsmandanten im bisherigen Umfang zulässig bleiben. Im Artikel wurde das dann direkt in Zusammenhang mit bekannt gewordenen „aggressiven Steuergestaltungen“ gebracht.
Seit langer Zeit wird weltweit darum gestritten, ob sogenannte „audit-only“-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften einen Vorteil im Hinblick auf die Qualität der Abschlussprüfung bringen würden. Dabei haben sich die WPG mit ihren Argumenten durchgesetzt. So hört man immer wieder, die Beschränkung auf reine Prüfungsleistungen würde zum Verlust von auch für die Prüfung wichtigem Knowhow führen, weil man mangels entsprechender Beratungsleistungen keine geeigneten Mitarbeiter mehr hätte. Genannt werden dabei gerne die Bereiche der Steuerberatung, der Informationstechnologie in Verbindung mit internen Steuerungs- und Überwachungssystemen und der Unternehmensbewertung. Hätte man hier keine aus der Beratung resultierende Kompetenz, die man auch in der Prüfung einsetzen könnte, wäre eine ausreichende Prüfungsqualität nicht sichergestellt.
Der im Artikel hergestellte reißerische Zusammenhang zwischen aggressiver Steuergestaltung, Lobbyarbeit, vermeintlicher Korrumpierbarkeit der Ministerialbürokratie und einem, zumindest was die großen WPG angeht, seinen Aufgaben nicht ordentlich nachkommenden Berufsstand ist wohl journalistischer Effekthascherei geschuldet. Dennoch wird im Hinblick auf die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Abschlussprüfers eine wichtige Frage aufgeworfen. Das entscheidende Argument ergibt sich dabei aus der „Generalnorm“ des Gesetzes: „Ein Wirtschaftsprüfer … ist als Abschlussprüfer ausgeschlossen, wenn Gründe … vorliegen, nach denen die Besorgnis der Befangenheit besteht“ (§ 319 Abs. 2 HGB). Besorgnis der Befangenheit ist dabei als Blick von außen zu verstehen, d.h. ein Dritter darf keine Besorgnis der Befangenheit haben. Es kommt insoweit in keiner Weise darauf an, ob sich der Prüfer selbst innerlich unabhängig, d.h. frei in seinem Urteil fühlt. Geringe Zweifel an der Unbefangenheit sollten zum Ausschluss vom Prüfungsmandat führen.
Dem Abschlussprüfer obliegt ein öffentlicher Auftrag, da er die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung prüft. Von seiner Glaubwürdigkeit hängt die Funktionsfähigkeit der Abschlussprüfung als Institution, etwa zum Abbau von Prinzipal-Agenten-Konflikten, ab. Allein schon der Verdacht, dass der Abschlussprüfer von anderen Interessen geleitet sein könnte, erscheint vor diesem Hintergrund problematisch. Wird der Berufsstand dann auch noch durch die unter dem Begriff „Luxleaks“ bekannt gewordenen Tatbestände ins Zwielicht gestellt, erscheint es allein schon aus der Gefahr des Reputationsverlustes heraus geboten, vorsorglich die Steuerberatung zumindest bei Prüfungsmandanten nicht mehr zu gestatten. Weitergehend setzt die Funktion der Abschlussprüfung insgesamt ein hohes Ansehen des Berufsstands voraus. Eine Tätigkeit gerade im Bereich der Steuerberatung schafft hier erhebliche Risiken. Der Steuerberater ist geradezu verpflichtet, für seinen Mandanten das Maximale herauszuholen. Damit bewegt er sich aber teils an der Grenzlinie einer noch akzeptablen Steuergestaltung. Zudem muss man Wechselwirkungen zwischen Beratungs- und Prüfungsmandaten sehen. Was man bei einem Mandanten beraten hat, kann man kaum bei einem anderen als problematisch werten. Damit könnte auch einiges für „audit only“ sprechen, sofern man nicht an die Funktionsfähigkeit interner „chinese walls“ glaubt.
Was ist nun mit den Argumenten des Berufsstands. Sie können nicht überzeugen. Gibt es für die Berufsausübung als Abschlussprüfer einen Bedarf für das genannte Knowhow, dann wird es auch bezahlt. Der Markt regelt das. Nur muss dann aus den Abschlussprüfungshonoraren eine Refinanzierung möglich sein. Hier sollten Überlegungen der EU zur Wettbewerbsfragen differenzierter sein. Angesichts des öffentlichen Auftrags der Abschlussprüfung, die aus Sicht des Mandanten vielleicht nicht immer mit einem direkten Nutzen für ihn verbunden wird, ist die Sicherung eines angemessenen Honorars geboten. Entwicklungen wie sie gerade für die Gebührenordnungen der Steuerberater und anderer freie Berufe sichtbar werden, passen nicht zum öffentlichen Auftrag der Abschlussprüfer.
Die ganze Problematik ist sicher vielschichtig und viele weitere Argumente pro und contra lassen sich über die Möglichkeiten eines Blogs hinaus erörtern.