Angenommen, Sie besitzen ein Mehrfamilienhaus in einem recht eng bebauten Viertel. Das Nachbarhaus wird nun abgerissen und es soll ein Neubau mit einer Tiefgarage entstehen. Der neue Nachbar klingelt eines Tages bei ihnen an der Tür, erklärt Ihnen die notwendigen statischen Eingriffe, die auch Ihr Gebäude betreffen und bietet Ihnen ein hübsches Sümmchen für den Fall an, dass Sie mit den Eingriffen einverstanden sind. Die Kosten der Baumaßnahmen selbst trägt natürlich der neue Nachbar.
Würden Sie auf die Idee kommen, dass die Entschädigungszahlung zu steuerpflichtigen Einkünften führt, weil Sie eine Leistung an den Bauherrn erbracht haben? Ein Finanzamt aus dem Raum München jedenfalls hat diesen Gedanken verfolgt, ist damit aber vor dem Finanzgericht gescheitert. Eine Entschädigungszahlung des Nachbarn für Baueingriffe führe weder zu steuerpflichtigen Mieteinnahmen noch zu sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG (Urteil vom 15.3.2021, 7 K 2118/20).
Der Sachverhalt:
Der Kläger traf eine Nachbarschaftsvereinbarung mit einer Projektgesellschaft. Diese beabsichtigte den Abriss von Bestandsgebäuden und die anschließende Bebauung der Grundstücke, die unmittelbar an das Grundstück des Klägers angrenzen. In der Vereinbarung gestattete der Kläger der Projektgesellschaft unter anderem die Durchführung von Abstütz- und Unterfangungsmaßnahmen. Infolge dieser Unterfangung sollten circa 450 Kubikmeter Verpressmittel in dem Grundstück des Klägers verbleiben. Außerdem gestattete der Kläger der Projektgesellschaft, circa 50 Verpressanker als Baubehelf in sein Grundstück einzuführen. Hierfür gewährte die Projektgesellschaft dem Kläger eine pauschale Entschädigungsleistung in Höhe von 150.000 Euro. Das Finanzamt sah in der Entschädigungsleistung steuerpflichtige Einkünfte. Doch das FG ist anderer Auffassung.
Die Begründung in aller Kürze:
Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sollte die Zahlung die dingliche Eigentumsbeschränkung und die damit einhergehende Wertminderung des Grundstücks des Klägers ausgleichen. Damit ist sie der Vermögenssphäre zuzuordnen.
Denkanstoß:
Das Urteil reiht sich nahtlos ein in eine Serie ähnlicher Entscheidungen. Der BFH hat zum Beispiel entschieden, dass eine Einmalentschädigung für die Überspannung eines Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung nicht steuerpflichtig ist (BFH-Urteil vom 2.7.2018, IX R 31/16). Aktuell hat er im Übrigen geurteilt, dass eine Zahlung, die von einem Bergbauunternehmen als Ersatz für festgestellte reparable Bergschäden geleistet wird, grundsätzlich zur Vermögenssphäre zählt (BFH-Urteil vom 9.7.2021, IX R 11/20).
Aber Vorsicht: Das Gesagte gilt nur für Grundstücke im Privatvermögen. Beachtenswert ist insoweit etwa das BFH-Urteil vom 21.11.2018 (VI R 54/16), in dem es um eine Entschädigungszahlung für ein Flutungsrecht ging. Gerade bei land- und forstwirtschaftlichen Flächen sollte sehr genau darauf geachtet werden, ob sich diese im Privat- oder im Betriebsvermögen befinden. § 55 Abs. 7 EStG ist schon so manchem Grundstückseigentümer, der von Privatvermögen ausgegangen ist, zum Verhängnis geworden. Und andere sind von Betriebsaufgaben ausgegangen, wo lediglich Betriebsunterbrechungen vorlagen (vgl. BFH-Urteil vom 21.12.2021, IV R 13/19).