In meiner Heimatstadt Herten gibt es die Hermann-Schäfers-Stiftung. Der Namensgeber dieser Stiftung äußerte einmal den Ausspruch „Wenn niemand zuständig ist, dann bin ich zuständig“. Einen solchen Leitsatz scheinen die deutschen Gerichte durchaus auch vertragen zu können. Kürzlich musste ich mich mit der Frage beschäftigen, welches Gericht eigentlich zuständig ist, wenn ein Arbeitnehmer seine Lohnabrechnung, genauer gesagt seine „Lohnsteuerabrechnung“, bemängelt und sich mit seinem Arbeitgeber nicht einigen kann. Das heißt, wenn der Arbeitgeber nach dem Dafürhalten des Arbeitnehmers (und auch seines Steuerberaters) zu viel Lohnsteuer einbehalten hat und sich weigert, die Abrechnung zu korrigieren. Bei der Recherche bin ich auf folgende Urteile gestoßen:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11.06.2003 (5 AZB 1/03): „Für Klagen auf Berichtigung unrichtiger Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung sind nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die Finanzgerichte zuständig.“
- FG Münster, Entscheidung vom 30.03.2011 (8 K 1968/10): „Für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen früheren Arbeitgeber auf Korrektur der ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung ist nicht der Rechtsweg zu den Finanzgerichten, sondern der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.“
Angesichts dieses Dilemmas bin ich – ehrlich gesagt – bis heute ratlos und kann nur hoffen, dass sich der Arbeitnehmer mit seinem (ehemaligen) Arbeitgeber doch noch irgendwie einigen kann. Die Finanzverwaltung übrigens interessiert der Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich nicht. Hat der Arbeitgeber zu viel Lohnsteuer einbehalten und diese auch abgeführt, wird das Finanzamt nicht tätig. Es würde nur einschreiten, wenn die Lohnsteuer entweder zu niedrig oder überhaupt nicht abgeführt worden wäre. Im „Streitfall“ lag das Problem übrigens darin, dass der Arbeitnehmer zwischenzeitlich ins Nicht-EU-Ausland verzogen ist und eine Antragsveranlagung (mit Rückerstattung der zu viel gezahlten Lohnsteuer) daher nur in engem Rahmen möglich ist.
PS: Offenbar gibt es auch Fälle, bei denen der Arbeitnehmer Klage beim Sozialgericht einlegen muss, wenn er mit der Abrechnung seines Arbeitgebers nicht einverstanden ist (vgl. NWB-Eilnachricht „Ansprüche des Arbeitnehmers bei Einbehaltung von Sozialversicherungsbeiträgen – NWB 2016, S. 1706).“ Das macht die Sache nicht leichter.
Weitere Infos:
- BAG v. 11.06.2003 – 5 AZB 1/03
- FG Münster v. 30.03.2011 – 8 K 1968/10
- NWB-Eilnachricht „Ansprüche des Arbeitnehmers bei Einbehaltung von Sozialversicherungsbeiträgen NWB 2016, S. 1706
Lieber Herr Herold,
in diesem Fall ist ein Antrag nach § 164 Abs. 2 AO durch den Arbeitnehmer auf Änderung der Lohnsteueranmeldungen des Arbeitgeber aus eigenen Recht möglich. Zumindest bis Mitte 2014 vor Änderung/Ergänzung § 41c Abs. 3 EStG.
Ansonsten: § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG analog.
Viel Erfolg.
Vielen Dank für den Hinweis. Das ist sehr hilfreich. Ich werde „mein Glück“ versuchen.
FG Düsseldorf, Urteil vom 8. 6. 2016 2 K 2541/15 AO – Rev.
eingelegt (Az. des BFH: VI R 26/16).
dürfte als Literatur hilfreich sein.
Das Urteil bezieht sich jedoch auf den EU/EWR Fall, wo die Finanzverwaltung nach 41c LStH davon ausgeht, dass der Antrag nach § 164 Abs. 2 AO nicht möglich ist, da dem AN die Option einer Veranlagung nach § 50 EStG offensteht.
Gerade im Kontext nicht EU/EWR sollte der Weg nach § 164 Abs. 2 AO jedoch eröffnet sein, da gerade keine Möglichkeit der Antragsveranlagung besteht.
VG
Dies war ein interessanter Artikel über falsche Lohnabrechnungen. Mein Bruder versucht, die Gehaltsabrechnung für sein Unternehmen herauszufinden. Ich werde diese Informationen mit meinem Bruder teilen und ihm sagen, dass er mit einem Buchhalter sprechen soll.
Ich sehe, dass auf meine Abrechnung auch zu viel Lohnsteuer einbehalten wurde. Nun versuche ich mich zu informieren, jedoch scheint die Gehaltsabrechnung ein einfach sehr komplexes Thema zu sein. Ich werde mich wohl an einen Experten wenden müssen, denn bei den juristischen Spitzfindigkeiten blicke ich nicht durch.