Kein Aprilscherz: Mit Beginn des April kehren in Deutschland weitreichende Corona-Lockerungen zurück, nur wenige Länder wollen von den diffusen Hotspot-Regelungen Gebrauch machen, die weiterhin Einschränkungen erlauben. Bei soviel Freiheit: Sind ab dem zweiten Quartal 2022 weiterhin Corona-Wirtschaftshilfen noch das Mittel der Stunde?
Hintergrund
Nach dem Beschluss der MPK vom 16.2.2022 waren sich Bund und Länder einig, die Corona-Wirtschaftshilfen als Absicherungsinstrument bis Ende Juni 2022 zu verlängern. Unternehmen und Selbständige brauchen nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministers „auch weiterhin eine Absicherung für den Fall, dass es länger dauert, bis die Geschäfte wieder anlaufen“, heißt es in der Pressemitteilung vom 16.2.2022. Konkret bedeutet das: Unternehmen erhalten über den 31.3.2022 hinaus bis 30.6.2022 über die Überbrückungshilfe IV weiterhin eine anteilige Erstattung von Fixkosten. Zusätzlich zur Fixkostenerstattung erhalten Unternehmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie besonders schwer betroffen sind, einen Eigenkapitalzuschuss. Ebenfalls fortgeführt wird die Neustarthilfe für Soloselbständige. Mit der „Neustarthilfe 2022 Zweites Quartal“ können Soloselbständige bis Ende Juni 2022 weiterhin pro Monat bis zu 1.500 Euro an direkten Zuschüssen erhalten, insgesamt für den verlängerten Förderzeitraum April bis Juni 2022 also bis zu 4.500 Euro. „Die FAQ zur Überbrückungshilfe IV und „Neustarthilfe 2022“ werden zeitnah überarbeitet“ heißt es in der Pressemitteilung vom 16.2.2022. Passiert ist allerdings bis 31.3.2022 bei der „Neustarthilfe 2022“ noch nichts (Abfrage am 1.4.2022), obwohl die neuen Bedingungen für den neuen Förderzeitraum bereits ab 1.4.2022 gelten sollen; nur die FAQ zur ÜHI IV wurden am 1.4.2022 angepasst, allerdings unvollständig.
Einordnung und Bewertung
Ganz ohne Frage: Die Corona-Wirtschaftshilfen waren während der Pandemie ein unverzichtbares Mittel, um die Wirtschaft am Laufen zu halten – ohne diese Mittel hätten viele Unternehmen vermutlich nicht überlebt.
Wenn aber mit der Novelle zum IfSG ab 2.4.2022 die bisherigen Beschränkungen von Masken- über Testpflicht bis hin Betriebsbeschränkungen entfallen, die Lockerung der Corona-Beschränkungen den Betrieben also die Perspektive zurückgibt, ihren Geschäften wieder wie gewohnt nachgehen zu können, ferner die Bürger zeitnah wieder ohne Einschränkungen Dienstleistungen in Anspruch nehmen können, ist die Frage berechtigt, ob die Wirtschaft ab Beginn des zweiten Quartals überhaupt noch weiter am finanziellen Tropf des Staates hängen muss, der in der Krise schon wahrlich genug verausgabt hat.
Was sind „coronabedingte Umsatzeinbrüche“?
Die bisherige Nomenklatur der Wirtschaftshilfen knüpft systematisch an einen „coronabedingten Umsatzeinbruch“ durch Vergleich der Vor-Corona-Umsätze mit denen während der Pandemieeinschränkungen an. Es muss also ein Ursachenzusammenhang zwischen Corona-Auswirkungen und Umsatzentwicklung bestehen, was umgekehrt bedeutet, dass andere Umsatzeinflüsse außerhalb von Corona (etwas Anlaufverluste bei einer Unternehmensgründung) außen vor bleiben, also nicht zur Corona-Entschädigung führen. Als nicht coronabedingt gelten deshalb regelmäßig saisonal oder dem Geschäftsmodell inhärente Umsatzschwankungen, auch nicht Umsatzeinbrüche, die auf Faktoren allgemeiner Art wie Liefer- oder Materialengpässen beruhen (vgl. Ziff. 1.2 FAQ ÜHI IV, Stand 1.4.2022).
Aber kann es dann bei Aufhebung jeglicher Beschränkungen (außer in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) überhaupt noch „coronabedingte“ Umsatzeinbrüche im Förderzeitraum ab April 2022 geben, wenn gleichzeitig etwa im Handel keine Masken getragen werden oder in Gastronomie keine Zugangskontrollen mehr erfolgen müssen? Und: Werden die Unternehmen ab April noch einen coronabedingten Umsatzrückgang von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Referenzmonat im Jahr 2019 nachweisen können? Das alles scheint meines Erachtens wenig wahrscheinlich mit der Folge, dass die Verlängerung der Corona-Hilfen ab April bei unveränderten Förderbedingungen zu verpuffen droht, weil kaum ein Unternehmen die Förderbedingungen erfüllen kann.
Anpassung und Erweiterung der Förderbedingungen?
Allerdings verzeichnen wir schon jetzt als Folge des Ukrainekrieges wirtschaftliche Konsequenzen in Deutschland, die die Folgen der Corona-Pandemie bei Weitem übertreffen dürften. Sollten also Überbrückungshilfe IV u Co. jetzt auch die Folgen des Krieges mit lindern helfen, sollten die Förderbestimmungen also angepasst werden? Ich meine nein: Erstens wäre dies ein Paradigmenwechsel, der schon deshalb nicht passt, weil er den Fiskus finanziell überfordern würde. Zweitens hat die Ukrainekrise wirtschaftliche Auswirkungen, die die Wirtschaftszweige in unterschiedlicher Weise trifft, einen energieintensiven Industriebetrieb anders als einen Textil-Einzelhändler oder Gastronom.
Fazit:
Im Zeitpunkt der Entscheidung am 16.2.2022 über die Verlängerung der Wirtschaftshilfen von April bis Juni 2022 waren weder die weitreichende Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen ab April noch der Ukraine-Konflikt mit seinen wirtschaftlichen Folgen in Deutschland vorhersehbar. Politik sollte im Angesicht veränderter Umstände auch den Mut haben, politische Subventionsentscheidungen zu überdenken, ja notfalls zu revidieren. Wir haben derzeit genügend andere Baustellen, die jetzt finanziert sein wollen!
(Stand: 01.04.2022)
Weitere Informationen:
- BMWK – Corona-Wirtschaftshilfen werden als Absicherungsinstrument bis Ende Juni 2022 verlängert – Bewährte Programmbedingungen werden fortgesetzt (bmwi.de)
- Überbrückungshilfe Unternehmen – FAQ zur Überbrückungshilfe IV (ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de)