Nach dem seit 1.12.2020 geänderten Wohnungseigentumsrecht richtet sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Jahresabrechnung nicht mehr gegen den Verwalter, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – so der BGH in einem aktuellen Urteil (BGH, Urteil v. 19.4.2024 – V ZR 167/23).
Hintergrund
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) regelt das WEG die Rechtsbeziehungen der einzelnen Eigentümer untereinander, zur Gemeinschaft aller Eigentümer und zum Verwalter. Das WEG wurde durch Modernisierungsgesetz vom 22.10.2020 (BGBl 2020 I S. 2187) mit weitreichenden Änderungen für Verwalter und Eigentümergemeinschaft geändert.
Sachverhalt im Streitfall
Der Kläger nahm als Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) vor dem Amtsgericht (AG) die frühere Verwalterin der WEG mit seiner im Jahr 2018 erhobenen Klage auf Erstellung und Übergabe der Gesamtjahresabrechnung sowie der Einzelabrechnungen für seine Einheiten einschließlich der dazu gehörigen Warmwasser- und Heizkostenabrechnung betreffend das Abrechnungsjahr 2016 in Anspruch.
Das AG verurteilte die Verwalterin im November 2019 unter Klageabweisung im Übrigen, die einzelnen Heizkostenabrechnungen für die Wohnungen des Klägers für 2016 zu erstellen und vorzulegen. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht (LG), in dem der Kläger seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgte, wies das LG in einer mündlichen Verhandlung vom Dezember 2021 daraufhin, dass die Verwalterin nach der WEG-Reform im Jahr 2020 nunmehr nicht mehr passivlegitimiert sei. Der Kläger stellte deshalb seinen Antrag um und richtete die Klage jetzt gegen die WEG. Dem Parteiwechsel haben zunächst beide Beklagten widersprochen. Nachdem das Verfahren zwischen Kläger und der früheren Verwalterin übereinstimmend für erledigt erklärt worden war, stellte das LG fest, dass neue Beklagte des Rechtsstreits die WEG ist. Mit der vom LG zugelassenen Revision erstrebte die WEG die Zurückweisung der gegen sie gerichteten Berufung des Klägers.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat die Revision zurückgewiesen, da der vom Kläger im Berufungsverfahren erklärten Parteiwechsel zulässig und fortan die WEG Gegnerin des Rechtsstreits war.
Möchte der Kläger – wie hier – in der Berufungsinstanz einen Parteiwechsel auf der Beklagtenseite (§ 263 ZPO) vornehmen, ist hierfür grundsätzlich die Zustimmung des ausscheidenden und des neuen Beklagten erforderlich, es sei denn, die Verweigerung der Zustimmung ist rechtsmissbräuchlich (BGH v. 7.5.2021 – V ZR 299/19; BGH v. 8.7.2022 – V ZR 202/21). Die beklagte WEG hat im Streitfall zwar die an sich erforderliche Zustimmung verweigert; dies war aber nach Ansicht des BGH unbeachtlich, weil die Verweigerung rechtsmissbräuchlich war: Hat ein Wohnungseigentümer vor dem 1.12.2020 – also vor dem Inkrafttreten des reformierten WEG – Klage auf Erstellung der Jahresabrechnung gegen den Verwalter erhoben und erklärt er im Hinblick auf die während des Berufungsverfahrens zum 1.12.2020 eingetretene Rechtsänderung einen Parteiwechsel auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist deren Verweigerung der Zustimmung zu dem Parteiwechsel regelmäßig rechtsmissbräuchlich und damit rechtlich unbeachtlich.
Prozessuale Folgen der WEG-Reform von 2020
Die aufgrund des WEG-Modernisierungsgesetzes (BGBl 2020 I S. 2187) zum 1.12.2020 erfolgte Veränderung der Verwaltungsstruktur der Wohnungseigentümergemeinschaft hat dazu geführt, dass Ansprüche der Wohnungseigentümer, die nach altem Recht gegen den Verwalter oder die übrigen Wohnungseigentümer bestanden, nunmehr gegen den Verband gerichtet sind (BGH v. 7.5.2021 – V ZR 299/19). Eine Übergangsvorschrift für laufende Verfahren enthält das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz nicht, so dass seit dem 1.12.2020 die Passivlegitimation fehlen kann. Wenn in einem solchen Übergangsfall die WEG ihre Zustimmung zu einem Parteiwechsel verweigert, ist dies im Hinblick auf die enge Verbindung, die die übrigen Wohnungseigentümer, der Verwalter bzw. die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu dem Rechtsstreit haben, regelmäßig mangels schutzwürdigen Interesses als rechtsmissbräuchlich anzusehen (BGH v. 7.5.2021 – V ZR 299/19; BGH v. 8.7.2022 – V ZR 202/21).
Praktische Konsequenzen für Mitglieder einer WEG
Das BGH-Urteil zeigt: Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, eine Jahresabrechnung bzw. entsprechende Einzelabrechnungen zu erstellen, war nach bisherigem (bis 30.11.2020 geltenden) Recht gegen den Verwalter für einen solchen Anspruch geltend zu machen (BGH v. 1.6.2012 – V ZR 171/11). Nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht richtet sich der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Jahresabrechnung aber nicht mehr gegen den Verwalter, sondern gegen die WEG. Grund ist, dass die Aufstellung der Jahresabrechnung zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört, auf die der Wohnungseigentümer gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG einen Anspruch hat.
Entsprechende Änderungen bei der Passivlegitimation gelten aber auch in anderen WEG-Bereichen:
- So war nach bisherigem Recht die Beschlussersetzungsklage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, während jetzt nach § 44 Abs. 1 WEG gegen die WEG zu klagen ist (BGH v. 8.7.2022 – V ZR 202/21).
- Für die Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer war bislang der Verwalter zuständig. Da aber nach dem neuen Recht die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis ausschließlich der WEG obliegt (§ 18 Abs. 1 WEG), ist nunmehr diese für die Umsetzung der Beschlüsse passivlegitimiert (BGH v. 16.12.2022 – V ZR 263/21).
- Sieht die Gemeinschaftsordnung vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung des Verwalters bedarf (vgl. § 12 Abs. 1 WEG), ist seit dem 1.12.2020 eine Klage auf Zustimmung stets gegen die WEG zu richten (BGH v. 21.7.2023 – V ZR 90/22).