Nach der Bundestagswahl steht die künftige Zusammensetzung des nächsten Bundestages fest. Ungewiss ist aber das weitere Schicksal einer Reform der Schuldenbremse.
Hintergrund
Schon in der zu Ende gehenden Legislaturperiode wurde heftig über die Notwendigkeit einer Reform der im Grundgesetz (GG) verankerten Schuldenbremse gestritten – auch koalitionsintern. Nach dem Urteil des BVerfG vom 15.11.2023 (2 BvF 1/22), mit dem das Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für nichtig erklärt wurde und ein 60 Mrd.-Euro-Loch in den Bundeshaushalt riss – ich habe im Blog berichtet – wurde der Nachtragshaushalt 2023 verspätet verabschiedet, die Beschlussfassung über den Haushaltsplan für das Jahr 2024 sogar ins neue Jahr vertagt. Genauso war es mit dem Haushalt 2025, bei dem die Beschlussfassung im Bundestag auch Ende Februar 2025 noch immer aussteht.
Finanzpolitische Stabilität ist das Ziel der Schuldenbremse (Art.115 GG), das Instrument wurde 2009 nach der Finanzkrise eingeführt. Es verbietet der Bundesregierung, mehr Geld neu über Kredite aufzunehmen als es 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung entspricht. Nur im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden (Art. 115 Abs.2 S.6 GG); der entsprechende Beschluss darf aber nicht „ins Blaue hinein“ gefasst, sondern unterliegt der Kontrolle des BVerfG, muss also gerichtsfest sein.
Soll die Schuldenbremse aufgehoben oder modifiziert werden, bedarf es für ein entsprechendes Änderungsgesetz einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat (Art. 79 Abs.2 GG). Entsprechendes gilt, wenn ein Sondervermögen beschlossen werden soll wie etwa das für die Aufrüstung der Bundeswehr (Art 87a GG); dann müssten Ausgaben nicht über den „normalen“ Bundeshaushalt finanziert werden.
Zwei-Drittel-Mehrheit im neuen Bundestag illusorisch
Nach dem amtlichen Ergebnis der Bundestagswahlen vom 23.2.2025 ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag realistisch betrachtet nicht erreichbar. Im neuen Bundestag gibt es nach der Reform 630 Sitze. Eine Koalition von Union und SPD käme zusammen auf 328 Sitze, weit entfernt von einer Zwei-Drittelmehrheit (erforderlich 420 Sitze), die nicht einmal bei einer vollständigen Zustimmung der Fraktion der Grünen (dann in Summe 413 Sitze) erreichbar wäre. Die AfD hat sich bereits im Wahlkampf dezidiert gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse ausgesprochen. Die Linke würde einer Modifikation der Schuldenbremse nur unter der Bedingung einer Investition in „soziale Infrastruktur“ zustimmen – kaum denkbar.
Gewaltige finanzielle Herausforderungen beim Bundeshaushalt 2025
Das Bundesfinanzministerium hat am 20.1.2025 den vorläufigen Abschluss des Bundeshaushalts 2024 vorgestellt. Es hat sich bestätigt, dass die Bundesregierung auch ohne Nachtrag das Haushaltsjahr 2024 abschließen konnte. Entwicklungen im Haushaltsvollzug ermöglichen eine vollständige Rücklagenschonung – das ist gut so.
Für den Bundeshaushalt 2025 ergibt sich allerdings weiterhin ein hoher Handlungsbedarf, es bleibt laut BMF auf Basis der bisherigen Etatansätze ein deutliche Haushaltslücke. Schwerwiegender als die Sorge um eine fristgerechte Beschlussfassung über die Haushaltsgesetze wiegen die verfassungsrechtlichen Bedenken der Sachverständigen zum (bisher angedachten) Haushaltsgesetz 2025. Nur Dank einer geschätzten Globalen Minderausgabe (GMA, die wegen Prognosefehlern im Haushaltsentwurf berücksichtigt wird) von 12 Mrd. Euro oder drei Prozent des Haushaltsvolumens blieb der bisherige Haushaltsentwurf für 2025 im Rahmen der Schuldenbremse. Auch wenn es noch keine ausdrückliche BVerfG-Entscheidung zur Frage gibt, wie hoch die GMA als „Reserve“ maximal sein darf, halten die Experten überwiegend eine GMA in Höhe von zwei Prozent und damit unter zehn Milliarden Euro für noch vertretbar. Denn die GMA darf nur geplant werden, um Prognoseschwierigkeiten und Schätzungenauigkeiten abzubilden und darf nicht eingesetzt werden, um einen Haushaltsausgleich herbeizuführen beziehungsweise nur zum Schein herbeizuführen. Das bedeutet, dass die GMA im Haushalt 2025 um rund drei Mrd. Euro gekürzt werden müsste, ein Betrag, der dann im Haushalt fehlt.
Die Herausforderungen auf der Ausgabenseite sind gewaltig, wie nur drei Kernherausforderungen zeigen:
- Angesichts lahmender Konjunktur braucht die Wirtschaft dringend ein umfassendes Anschubprogramm.
- Angesichts der militärischen Bedrohungslage müssen die Verteidigungsausgaben zur Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit drastisch angehoben werden, weil das bisher beschlossene Sondervermögen von 100 Mrd. € bereits 2027 verbraucht sein wird.
- Angesichts der dringend erforderlichen Rentenreform muss zur langfristigen Sicherung eines Rentenniveaus von wenigstens 48 Prozent ein Generationenkapital mit Aktienrente aufgebaut werden
Vor diesem Hintergrund bleibt bei stagnierenden oder nur geringfügig steigenden Staatseinnahmen bei gleichzeitig wachsenden Haushaltsausgaben eigentlich nur der Weg zu einer Lockerung und Modifikation der Schuldenbremse, damit sich die Bundesregierung in ihrer Haushaltspolitik die dringend erforderliche „Luft zum Atmen“ verschafft.
Lockerung der Schuldenbremse noch in der alten Legislaturperiode?
Der neue Bundestag muss sich spätestens am 30. Tag nach der Bundestagswahl konstituieren, also bis spätestens 25.3.2025 (Art. 39 GG) – da bleibt nicht mehr viel Zeit. Da eine Lockerung der Schuldenbremse unausweichlich scheint, wird derzeit noch ein entsprechender Beschluss des alten Bundestages mit Zustimmung des Bundesrates erwogen. Dieser Weg scheint zwar „politisch unredlich“, nachdem sich insbesondere die Union noch letztes Jahr im Wahlkampf gegen eine Lockerung der Schuldenbremse ausgesprochen, diese also im Bundestag blockiert hat. Rechtlich zulässig wäre ein solches Vorgehen aber, nachdem der aktuelle Bundestag im Amt und handlungsfähig ist, bis sich ein neuer Bundestag konstituiert hat. Das bedeutet, dass mit einer Gesetzesinitiative der noch amtierenden Bundesregierung oder „aus der Mitte des Bundestages“ ein Art. 115 GG änderndes Bundesgesetz auf dem Weg gebracht und im Bundestag beschlossen werden könnte; es könnte dann nach Zustimmung des Bundesrates noch vor dem 25.3.2025 in Kraft treten.
Dann wäre der Weg für die neue Bundesregierung frei, um dringend erforderliche Haushaltsausgaben auch über Kredite außerhalb des Haushalts zu finanzieren. Es bleibt jetzt spannend zu beobachten, wie die Politik unter den besonderen politischen Mehrheitsverhältnissen mit dieser überaus heiklen Frage umgeht.
Wir bleiben dran!
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