Das für den 20.5.2021 im Bundestag zur finalen Beschlussfassung vorgesehene sog. Lieferkettengesetz ist kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt worden. Scheitert das Lieferkettengesetz auf der Zielgeraden?
Hintergrund
Sowohl auf Bundesebene als auch auf Ebene der Europäischen Union zeichnen sich Gesetzesinitiativen zur Stärkung der menschenrechtlichen Sorgfalt von Unternehmen in globalen Lieferketten ab („Sorgfaltspflichtengesetz“). Ein bereits im Juni 2020 erfolgter Erstentwurf eines Eckpunktepapiers für einen Gesetzesentwurf von BMZ und BMAS wollte Unternehmen über 500 Mitarbeitern gesetzlich verpflichten, entlang ihren Lieferketten Sozial- und Umweltstandards sicherzustellen. Über die nachfolgend in der Koalition verabredeten Änderungen hatte ich bereits berichtet.
Wie ist der aktuelle Stand?
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs.19/28649) wurde in erster Lesung im April 2021 im Bundestag eingebracht. Im Bundesrat haben am 27.4.2021 die Ausschüsse des Bundesrates in einer 28 Seiten umfassenden Stellungnahme insgesamt 36 Einwendungen gegen den Gesetzentwurf erhoben (BR-Drs. 239/1/21); dennoch hat der Bundesrat auf Empfehlung des federführenden Ausschusses Arbeit, Integration und Sozialpolitik am 7.5.2021 beschlossen, keine Einwendungen gegen den Gesetzentwurf zu erheben (BR-Drs. 239/21 (Beschluss). Eigentlich sollte der Entwurf daraufhin am 20.5.2021 im Bundestag in zweiter und dritter Lesung die letzte parlamentarische Hürde nehmen. Doch dann kam der Paukenschlag und der Punkt wurde kurzfristig wegen ungeklärter Fragen mit weiterem Beratungsbedarf abgesetzt. Wann das Thema wieder aufgerufen wird, ist bislang nicht bekannt.
Wie ist das zu bewerten?
Das Sorgfaltspflichtengesetz ist politisch hoch umstritten: Den einen geht der Entwurf nicht weit genug, nach Ansicht der anderen schießt er über das Ziel hinaus. Dass der Bundesrat sich auf Empfehlung des federführenden Ausschusses über sage und schreibe 36 Einwendungen hinwegsetzt und in seiner abschließenden Entscheidung vom 7.5.2021 „keine Einwendungen“ feststellt, ist schon für sich genommen ein starkes Stück. Dass dann das Thema in letzter Minute im Bundestag von der Tagesordnung gestrichen wird, ist ein noch stärkeres Zeichen für ein „Tollhaus“: Diese Entwicklung zeigt die tiefe Zerrissenheit, die gerade in der Frage des Lieferkettengesetzes quer durch die Bundesregierung geht.
Bei Lichte betrachtet sind die Bedenken gegen das Gesetz aus meiner Sicht völlig berechtigt: Der Entwurf hat zahlreiche Unzulänglichkeiten, den die Bundesrats-Ausschüsse zu Recht beim Namen genannt haben.
Unklar bleibt weiterhin der Umfang der Sorgfaltspflichten, unklar bleibt auch der Haftungsumfang der Unternehmen. Vor allem aber sollte die Politik sich fragen, ob sie der Corona-krisengeschüttelten deutschen Wirtschaft im internationalen Vergleich in vorauseilendem Gehorsam wirklich einen Wettbewerbsnachteil zufügen sollte. Denn auf EU-Ebene ist derzeit ebenfalls eine Regulierung der Lieferkettenproblematik absehbar. Deren Ausgang sollte auch in Deutschland besser abgewartet werden.
Quellen