Keine Sorge, ich schwinge mich im Rahmen dieses Blogs nicht zum Bausachverständigen auf. Nein, es geht hier – natürlich – nur ums Steuerrecht. Und da möchte ich auf eine interessante Entscheidung des FG Baden-Württemberg aufmerksam machen. Dieses hat sich mit der Frage befasst, welche Nachweise ein Immobilienbesitzer vorbringen muss, wenn er hohe Sanierungsaufwendungen zur Beseitigung einer Schadstoffbelastung seines Eigenheims getragen hat, die er nun als außergewöhnliche Belastung geltend machen möchte (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.2.2024, 1 K 1855/21).
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb ein Einfamilienhaus, bei dem offenbar erst nach dem Einzug eine hohe Formaldehydkonzentration festgestellt wurde. Ein Diplom-Ingenieur empfahl daraufhin „Minimierungsmaßnahmen“, um die Schadstoffkonzentration und die Geruchsauffälligkeit zu mindern. In einem ärztlichen Attest wurde zudem ausgeführt, dass der Kläger unter Beschwerden leide, wenn er sich insbesondere in den Herbst- und Wintermonaten in seinen Wohnräumen aufhalte. Trotz der empfohlenen „Minimierungsmaßnahmen“ entschied sich der Kläger zum Abbruch des bestehenden Wohngebäudes und dem Neubau eines Einfamilienhauses. Er machte insoweit außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 191.567 Euro geltend, deren Abzug jedoch sowohl vom Finanzamt als auch vom Finanzgericht versagt wurde.
Die Begründung in aller Kürze:
Im Grundsatz erkennt das FG an, dass im Hinblick auf die Belastung der Raumluft mit Formaldehyd in einem Wohnhaus beim Überschreiten des Grenzwertes von 0,1 ppm von einer konkreten Gesundheitsgefährdung auszugehen ist. Ein Abzug von Sanierungskosten als außergewöhnliche Belastung ist also prinzipiell denkbar. Aber: Ein Abzug der Kosten komme nur in Betracht, wenn und soweit die Kosten notwendig waren. Und nun wird es kniffelig: Der Kläger konnte das Gericht nämlich nicht davon überzeugen, dass die Kosten wirklich notwendig waren. Ihm wurde entgegengehalten, dass sein eigenes Gutachten lediglich ein Parteigutachten sei – im Übrigen wurden selbst hier nur kleinere Maßnahmen vorgeschlagen. Das ärztliche Attest wiederum sei nicht geeignet, die Kausalität der Schadstoffbelastung für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachzuweisen. Hierzu fehlen detailliertere Angaben zum zeitlichen Verlauf und der Schwere der Krankheiten und zu Untersuchungen zu den bereits eingetretenen Gesundheitsschäden sowie zum ausschließlichen Zusammenhang der Symptome mit der Formaldehydkonzentration.
Der Kläger hätte vor Beginn der Maßnahme auf eigene Initiative ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis bzw. ein amtlich technisches Gutachten einholen müssen. Oder er hätte im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 485 ff. ZPO die eine tatsächliche Zwangsläufigkeit begründenden Umstände feststellen lassen müssen.
Denkanstoß:
Betroffene sollten – wenn es um viel Geld geht – vor Beginn der Maßnahmen mit ihrem Finanzamt sprechen. Vielleicht kann man mit einem netten Finanzbeamten klären, welche Nachweise er gerne hätte, um die späteren Sanierungskosten anzuerkennen. Möglicherweise schickt das Finanzamt dann sogar einen eigenen Bausachverständigen heraus. Oder man geht gleich den vom FG vorgeschlagenen Weg, der jedoch teuer sein dürfte.
Übrigens wurden die Kosten vom FG insgesamt nicht anerkannt. Eine Berücksichtigung von – hypothetischen – geringeren Aufwendungen zur Sanierung sei nicht möglich, da der Besteuerung der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen ist.