Vor einiger Zeit war bei vermögenden Steuerzahlern folgendes Gestaltungsmodell sehr beliebt: Es wird eine festverzinsliche (Bundes-)anleihe erworben. Kurze Zeit später wird der Zinsschein vom Mantel (= Stammrecht) getrennt. Der Mantel und der Zinsschein können anschließend getrennt gehandelt werden. Weil der isolierte Mantel keine Zinsen abwirft, sondern nur den Anspruch auf Zahlung des Nominalwerts der Anleihe bei deren Endfälligkeit verbrieft, hat er an Wert verloren.
Nun veräußert der Steuerpflichtige den Mantel an eine ihm gehörende GmbH. Folge: Es ist ein Verlust aus der Veräußerung des Stammrechts entstanden, der gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerlich abziehbar ist. Er ist gemäß § 20 Abs. 6 i.V.m. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht vom Abzug ausgeschlossen. Wird – zeitgleich – der Zinsschein an eine Bank veräußert, entsteht ein Gewinn, der jedoch seinerseits nur der Abgeltungssteuer unterliegt. Mittels dieses Modells sind also enorme Steuerminderungen erzielt worden.
Dabei gab es offenbar zahlreiche Fälle, in denen die Gestaltung auf die Spitze getrieben worden ist, indem Stammrechte in Millionenhöhe auf eigens zu diesem Zweck gegründete GmbHs übertragen worden sind. Zuweilen ist den GmbHs sogar das Geld über Darlehen der Stammrechte-Verkäufer zur Verfügung gestellt worden.
Insofern scheint es nicht verwunderlich, dass der Gesetzgeber dem Modell ein Ende bereitet hat. Seit dem 1. Januar 2017 ist § 20 Absatz 2 Satz 4 EStG i. d. Fassung des Investmentsteuerreformgesetzes vom 19. Juli 2016 zu beachten. Danach gilt bereits die Trennung eines Zinsscheins oder einer Zinsforderung vom Stammrecht als Veräußerung der Schuldverschreibung und als Anschaffung der durch die Trennung entstandenen Wirtschaftsgüter (zu Einzelheiten vgl. BMF v. 11.11.2016, IV C 1 – S 2283-c/11/10001: 015, BStBl 2016 I S. 1245).
Was aber ist mit den Altfällen? Vielfach sind die Gestaltungen wohl reibungslos „über die Bühne gegangen“. In anderen Fällen, das heißt wenn keine wirtschaftlich vernünftigen Gründe für die Gestaltung „gefunden“ werden konnten, hat die Finanzverwaltung jeweils einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO gesehen. Ob sie damit richtig liegt, wird ein Verfahren vor dem FG Düsseldorf zeigen, das dort unter dem Aktenzeichen 1 K 2163/16 anhängig ist.
Ich bin überzeugt, dass das Verfahren sicherlich irgendwann auch beim BFH landen wird. Ähnlich wie bei den Cum-Ex-Geschäften könnte der Finanzverwaltung wohl auf die Füße fallen, dass sie das Gestaltungspotenzial nicht rechtzeitig erkannt hat, so dass möglicherweise nur Extremfälle (siehe oben: Gewährung eines Darlehens des Veräußerers) als Gestaltungsmissbrauch gewertet werden. Man darf gespannt sein.
Ursache ist das (systemwidrige) Steuersatzgefälle zwischen der Abgeltungsteuer auf Zinsen und der tariflichen Einkommensteuer. Das ließe sich leicht bereinigen. Aber was macht der Gesetzgeber? Regelung, Ausnahme, Rückausnahme, Durcheinander, und dann eröffnet er das nächste Schlupfloch.