Stellen wir uns mal folgende Situation vor: Unserem deutschen Exporteur ist es nach langen und zähen Verhandlungen mit seinem französischen Vertragspartner gelungen, das deutsche Recht zu vereinbaren mit der gebräuchlichen Formulierung „Es gilt das deutsche Recht“ und hat seine AGB beigefügt. Später gibt es Ärger und es kommt das Erwachen: das deutsche Recht gilt gerade nicht, die AGB´s sind nicht wirksam vereinbart worden. Es gilt nämlich das UN-Kaufrecht und nicht das deutsche BGB/HBG und die deutschen AGB´s gelten auch nicht.
Dass es ein UN-Kaufrecht gibt und dass es zwischen den meisten Handelspartnern der Welt als völkerrechtliche Regelung – also quasi automatisch – gilt, ist kaum bekannt.
Das UN-Kaufrecht oder Wiener Kaufrecht (CISG=United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, BGBl. 1989 II 588) genannt, regelt den Warenkauf zwischen gewerblichen Parteien aus verschiedenen Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts. Verkäufer und Käufer müssen weder Kaufleute sein, noch die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten haben. Maßgeblich ist der gewöhnliche Aufenthaltsort und die Niederlassung, Art. 1 CISG. Das UN-Kaufrecht ist nicht anwendbar auf Verbraucherverträge, Art 2 a CISG.
Ein Kaufvertrag ist nach Art. 1 CISG als internationaler Kaufvertrag anzusehen, wenn die Parteien des Vertrages ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben. Entscheidend ist dabei der Ort der Niederlassung der Vertragsparteien.
Der Geltungsbereich des CISG bezieht sich auf 80 Staaten. Dazu zählen die meisten EU-Staaten. Aber auch die USA, Japan, Türkei und Brasilien haben es übernommen. Es gilt nicht z. B. in Indien oder Südafrika oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sollte man die Geltung des CISG ausschließen wollen, so ist dies zusätzlich und ausdrücklich vertraglich zu regeln.
Das UN-Kaufrecht=CISG gilt für Kaufverträge. Bei gemischten Kauf-/Dienstleistungsverträgen kommt es darauf an, ob der Warenlieferungsanteil mindestens 50 % beträgt. Der Anteil kann vertraglich gestaltet werden.
Das UN-Kaufrecht ist dem deutschen HGB/BGB überlegen, weil es unternehmerfreundlicher ist, und zwar insgesamt gesehen für beide Vertragspartner. Die Prämisse ist nämlich ein Festhalten an dem einmal geschlossenen Vertrag; die Rücktrittsmöglichkeiten etc. sind erheblich schwieriger als im deutschen HGB/BGB. Der Händlerrückgriff existiert nicht. Die Vertragsfreiheit ist sehr groß. Gerade bei Geschäften über die Grenze, insbesondere über weite Entfernung, ist ein Festhalten am Vertrag meist sinnvoller.
Die gesetzlichen Unterschiede exemplarisch kurz im Einzelnen:
Einbeziehung von AGB
Nach § 305 Abs. 2 BGB genügt der Hinweis auf die AGB. Nach Artikel 14 CISG genügt dies nicht. Die Parteien müssen sich vielmehr über die Einbeziehung der AGB einigen, also vertraglich vereinbaren.
Kaufmännisches Bestätigungsschreiben
In Deutschland ist es gewohnheitsrechtlich anerkannt. Im CISG ist es nicht geregelt und weltweit kaum bekannt.
Werbung
Das CISG kennt keine Regel wie § 434 Abs. 1 S. 3 BGB, die einem Händler auch die Werbung des Herstellers und dessen Vertriebsorganisation zugerechnet wird.
Prüfung der Ware, Mängelrüge
Nach § 377 HGB muss der Käufer die Ware unverzüglich prüfen und einen Mangel unverzüglich anzeigen. Das UN-Kaufrecht regelt in den Artikeln 38, 39, 43 CISG die Untersuchungspflicht des Käufers. Die Prüfung ist innerhalb einer angemessenen Frist zu erheben. Die Rüge ist dann innerhalb angemessener Zeit zu erheben; das Rügerecht erlischt nach Artikel 39 Abs. 2 CISG allerdings erst zwei Jahre nach Übergabe der Ware
Mängelhaftung
Nach Artikel 46 Abs. 2 und 49 Abs. 1 CISG kann der Käufer Ersatzlieferung und Vertragsaufhebung nur bei wesentlichen Vertragsverletzungen geltend machen. Nach BGB ist der Rücktritt auch bei einer unerheblichen Pflichtverletzung möglich. D.h. der Käufer kann nach BGB leichter zurücktreten als nach CISG.
Händlerrückgriff
479 BGB verlängert die Fristen für die Mängelhaftung, wenn Waren in der Endstufe an Verbraucher verkauft werden. Es gelten für die Regressansprüche des Einzelhändlers gegen seinen Vorlieferanten längere Fristen. Das CISG enthält überhaupt keinen Händlerrückgriff. Dies ist einer der größten Vorteile des CISG.
Schadensersatz
Das CISG begrenzt die Haftung als Schadensersatz – anders als § 249 BGB – auf den voraussehbaren Schaden, Artikel 74 Satz 1 CISG.
Verschulden
Nach BGB besteht ein Anspruch auf Schadensersatz nur dann, wenn Verschulden vorliegt, § 280 Abs. 1 S. 2, 276 BGB. Das CISG ist insofern strenger und kennt eine Haftung auch ohne Verschulden. Dieser Unterschied ist letztlich jedoch nicht groß, weil Verschulden im deutschen Recht grundsätzlich vermutet wird.
Fazit: Im internationalen Warengeschäft ist die Vereinbarung des UN-Kaufrechts sinnvoll. Es hat für beide Parteien einen neutralen Charakter; die Parteien können sich eher darauf einigen. AGB’s müssen zu ihrer Geltung vertraglich vertraglich vereinbart werden.