Seit einigen Monaten wird über die Frage der „Anzeigepflicht für Steuergestaltungen“ heftig gestritten. Es gibt aufgrund einiger „ausufernder“ Steuergestaltungen (z.B. „Cum-Ex-Geschäfte“) sicherlich ein fiskalisches Interesse an ihrer Einführung, während die Beraterschaft auf die damit einhergehenden Probleme und Zweifelsfragen in der praktischen Umsetzung hinweist.
DStV-Präsident Elster sagte jüngst: „Eine Anzeigepflicht darf es nur geben, wenn sie rechtssicher und in den Kanzleien vollziehbar ist.“ … „Wenn Bund und Länder wegen wenigen schwarzen Schafen den Hals nicht voll genug bekommen, einen ganzen Berufsstand kriminalisieren und uns weiter mit Pflichten und Sanktionen überfrachten, dann sage ich: Schluss damit!“
Wenn ich die Diskussion richtig verfolgt habe, scheint es so, als möchte die EU-Kommission einen maßvollen Umgang mit der Anzeigepflicht für Steuergestaltungen (Meldung bei der Nutzung von Verlusten oder bei grenzüberschreitenden Gestaltungen), während Deutschland darüber hinaus gehen will (Meldung auch bei nationalen Gestaltungen).
Mein Aufruf an Kammer und Verband: Sorgt nicht für eine Einschränkung, sondern für eine Ausweitung der Anzeigepflicht auf möglichst viele Tatbestände. Denn: Angenommen, im Bezirk eines mittelgroßen Finanzamts „residieren“ 50 Steuerberater, die täglich nur vier Steuererklärungen erstellen, in denen jeweils mindestens ein Wahlrecht ausgeübt oder eine Sonderabschreibung in Anspruch genommen wird (= Steuergestaltung), würden dem Finanzamt täglich 200 Gestaltungen angezeigt werden. Bei 20 Arbeitstagen wären das 4.000 Meldungen im Monat und 48.000 Meldungen im Jahr. Jeder Steuerberater sollte sich den Eingang der Meldung schriftlich bestätigen lassen. Und dann sollte – sagen wir einmal zwei Wochen später – noch einmal nachgefragt werden, ob die Gestaltung akzeptiert worden ist. Das wären dann pro Jahr 96.000 zusätzliche Schreiben bzw. Verwaltungsakte, mit denen ein durchschnittlich großes Finanzamt umzugehen hätte.
Auf Steuerberaterseite müsste das Ganze natürlich mittels EDV-Unterstützung automatisiert sein, so dass den Berufsstand keine Mehrarbeit treffen würde. Zudem hätte er nun ja auch eine gewisse Planungssicherheit und Fragen des Bekanntwerdens von neuen Tatsachen würden sich kaum noch stellen. Betriebsprüfungen würden ihren Schrecken verlieren – welch herrliche Welt.
Dass das Finanzamt auf die Meldungen reagieren muss, wird zumindest vom Max-Planck-Institut angeregt. In dessen Gutachten heißt es: „Die Einführung eines Anzeigepflichtsystems ohne gleichzeitige Verbesserung der Planungssicherheit für Steuerpflichtige und Berater würde unseres Erachtens deshalb ein erhebliches Fairnessproblem begründen. Daher halten wir eine Ergänzung des Anzeigepflichtsystems durch eine darauf gerichtete Maßnahme aus rechtspolitischer Sicht für dringend angezeigt. Insofern können wir uns in diesem Zusammenhang nur dem anschließen, was Roman Seer kürzlich in einem Vortrag zum Thema „Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflichten im Rechtsstaat“ so treffend formuliert hat: „Verlangt der Staat von Bürgern und Unternehmen umfangreiche Mitwirkung, hat er seinerseits alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um ihnen die Mitwirkung zu erleichtern und unkalkulierbare Risiken zu ersparen. Fordert der Staat von Bürger und Unternehmen Kooperation, muss er ihnen umgekehrt auch eine tragfähige Steuerplanungssicherheit geben.“
Finanzbeamte und Steuerberater mögen mir diesen spöttischen Blog-Beitrag zu dem ernsten Thema verzeihen. Aber ich denke, es wird im Interesse (fast) aller sein, wenn das Gespenst „Anzeigepflicht für Steuergestaltungen“ alsbald im tiefsten Keller des BMF verschwindet.
Weitere Informationen:
http://www.tax.mpg.de/fileadmin/TAX/docs/TL/MA/Gutachten_Anzeigepflichten_MPI.pdf