Warnsignale übersehen? Warum die SPORTTOTAL-Pleite keine Überraschung ist

Hohe Verluste, Warnsignale im Bestätigungsvermerk, negativer operativer Cashflow: Die Insolvenz scheint wenig überraschend, wenn man sich die Geschäftsberichte der Jahre 2022 und 2023 anschaut. Zu allem Überfluss hat die BaFin auch noch Fehler im Geschäftsbericht 2022 moniert.

Was die BaFin moniert hatte

Die BaFin hat im Konzernabschluss 2022 der SPORTTOTAL AG einige Unstimmigkeiten entdeckt. Hier die wichtigsten Punkte:

1. „Porsche Experience“ – Ein eingestelltes Geschäft, das unter den Tisch fiel

SPORTTOTAL hat ihr Reise- und Fahrveranstaltungsgeschäft „Porsche Experience“ eingestellt. Laut den Rechnungslegungsvorschriften hätte dieser Schritt im Jahresabschluss besonders hervorgehoben werden müssen. Stattdessen wurde der Gewinn von 0,4 Millionen Euro (17,9 Millionen Euro Einnahmen minus 17,5 Millionen Euro Ausgaben) nicht separat ausgewiesen. Auch die damit verbundenen Geldflüsse von 3,2 Millionen Euro wurden nicht korrekt angegeben.

2. Fehlende Übersicht über finanzielle Verpflichtungen

Im Bericht fehlt eine Übersicht darüber, wann welche finanziellen Verpflichtungen und Leasingverträge fällig werden. Diese Information ist wichtig, um die finanzielle Lage des Unternehmens besser einschätzen zu können.

3. Nicht berücksichtigte Wertminderung im digitalen Bereich

Im Segment „DIGITAL“ besitzt SPORTTOTAL immaterielle Vermögenswerte im Wert von 5,3 Millionen Euro. SPORTTOTAL hat versäumt, den sog. erzielbaren Betrag zu ermitteln. Das wäre erforderlich gewesen. Denn es gab Anzeichen für eine mögliche Wertminderung – die Verluste waren seit 2019 höher als geplant.

Ein Blick in die Zahlen

Der Traum eines Investors sieht anders aus: Bereits im Geschäftsbericht 2022 gab es Warnzeichen, die den Fortbestand des Unternehmens als gefährdet ansahen. Und zwar im Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers. Die gleichen Warnzeichen gab es auch im Geschäftsbericht 2023. Diese Unsicherheit hat sich nun mit dem Insolvenzantrag vor wenigen Tagen manifestiert.

Warum habe ich nur die zwei Geschäftsberichte analysiert? Leider gibt es auf der Website keine älteren Geschäftsberichte. Aber diese beiden geben Aufschluss: Die Existenz von Sporttotal war laut Wirtschaftsprüfer bereits im Geschäftsjahr 2022 gefährdet. Nach der Fehlerfeststellung der BaFin im Dezember 2023 möchte SPORTOTAL den Prüfer austauschen.

Weshalb wurde vom Abschlussprüfer in den Bestätigungsvermerken auf das bestandsgefährdende Risiko hingewiesen? Sporttotal war zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit auf die Zuführung von Eigen- oder Fremdkapital angewiesen. Kein Wunder angesichts der Zahlen. Im Risikobericht 2023 auf Seite 52 ff. finden sich dazu folgende Ausführungen:

„Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das weiterhin hoch defizitäre Geschäftsmodell der sporttotal.tv gmbh und die laufende Expansion in den USA aktuell nicht aus den operativen Cashflows der übrigen Geschäftsbereiche finanziert werden können, ist die Finanzierung von SPORTTOTAL Gruppe von der fortgesetzten erfolgreichen Umsetzung von Maßnahmen am Kapitalmarkt und/oder der Bereitstellung von Fremdkapital abhängig.

…

Darüber hinaus wird für den Fortbestand der Unternehmensgruppe und mithin der SPORTTOAL AG als Management- und Finanzholding der Liquiditätszufluss aus geplanten operativen Projekten in den Segmenten DIGITAL und VENUES entscheidend sein.“

Ich könnte mit dem Zitat noch fortsetzen, doch ich möchte den Text nicht aufblähen. Aber glauben Sie mir: Es lohnt sich, in den Geschäftsbericht zu schauen und die vollständigen Informationen zu lesen.

Und mein Senf dazu

Hohe Verluste über mehrere Jahre, negativer operativer Cashflow und Abhängigkeit von weiteren Kapitalmaßnahmen: Der Insolvenzantrag von SPORTTOTAL kommt nicht überraschend. Dennoch stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells.

Womit verdient SPORTTOTAL eigentlich sein Geld? SPORTTOTAL ist ein Unternehmen, das sich mit Sportübertragungen, vor allem im Fußball, beschäftigt. Sie übertragen Spiele und sorgen dafür, dass die Fans live dabei sein können. Und was genau macht die sporttotal.tv GmbH? Sie ermöglicht mit einem innovativen Kamerasystem Live-Übertragungen aus dem Amateur- und Nischensport über eine von ihr betriebene Streaming-Plattform.

Ein Blick in den Bundesanzeiger verrät: Der letzte Jahresabschluss der sporttotal.tv GmbH stammt aus dem Jahr 2021. 2025 wohlgemerkt. Schon damals sah es nicht rosig aus. In den letzten Jahren wurden offenbar immer wieder Verluste erwirtschaftet. Denn das Eigenkapital schrumpfte immer weiter. Ende 2021 betrug das negative Eigenkapital rund 30 Millionen Euro. Alles andere als ein Hinweis auf Bestandsgefährdung im Bestätigungsvermerk hätte mich auch gewundert.

Man kann sagen: Die Insolvenz kommt nicht überraschend. Die Wirtschaftsprüfer haben schon 2022 auf das Risiko hingewiesen. Vielleicht wollte das damals nur niemand hören. Und da SPORTTOTAL nicht das einzige Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten ist: Es hat noch nie geschadet, den Bestätigungsvermerk auf Warnsignale zu überprüfen. Wenn diese aber vom Kapitalmarkt nicht wahrgenommen werden, ist auch der Abschlussprüfer machtlos.

Weitere Informationen:

• Nach Bilanzfehler: Neuer Prüfer und Jahresverlust für Sporttotal (finance-magazin.de)
• Streaming-Anbieter meldet Insolvenz an: Folgen für die Übertragungen noch unklar (chip.de)
• Geschäftsberichte 2022 und 2023 (sporttotal.com)