Am 22.1.2025 urteilt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG – 1 BvR 1726/23) über die Verfassungsmäßigkeit einer kommunalen Verpackungssteuer in Tübingen. Das Urteil wird ein wichtiger Gradmesser für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an kommunale Verpackungssteuersatzungen.
Hintergrund
Eine kommunale Verpackungssteuer ist eine lokale Steuer auf den Verkauf von Einwegverpackungen für Essen und Getränke, die zum sofortigen Verzehr bestimmt sind. Diese Art von Verpackungen tragen erheblich zum Gesamtaufkommen von Abfällen bei, belasten die Kommunen auch finanziell und werden nicht selten auch im öffentlichen Raum wild entsorgt. Die Steuer soll vor allem dazu dienen, die Zahl verkaufter Einwegverpackungen zugunsten von Mehrweglösungen zu reduzieren. Es geht weniger um zusätzliche Einnahmen der Kommunen als vielmehr um eine Lenkungswirkung. Bisher haben zwei Städte eine solche Steuer eingeführt: In den 90er Jahren scheiterte die Stadt Kassel mit seinem Vorhaben für eine kommunale Verpackungssteuer vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95); aktuell geht es vor dem BVerfG um die Verpackungssteuer in Tübingen (1 BvR 1726/23).
Sachverhalt der BVerfG-Entscheidung
Seit Januar 2022 gilt in Tübingen materialunabhängig eine Steuer auf Einwegverpackungen. Damit sollen Einnahmen für den städtischen Haushalt erzielt, die Verunreinigung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Verpackungen verringert und ein Anreiz zur Verwendung von Mehrwegsystemen gesetzt werden. Besteuert werden Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck, „sofern Speisen und Getränke darin bzw. damit für den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle oder als mitnehmbares take-away-Gericht oder -Getränk verkauft werden“. Die Steuer beträgt für jede Einwegverpackung 0,50 €, für jedes Einwegbesteck(-set) 0,20 €. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit ist auf maximal 1,50 € begrenzt.
Hiergegen wandte sich ein Schnellrestaurant vor dem VGH Baden-Württemberg (v. 29.03.2022 – 2 S 3814/20) erfolgreich: Der Stadt Tübingen fehle bereits die Kompetenz zur Einführung der Verpackungssteuer, da es sich nicht um eine örtliche Steuer handele, außerdem stehe sie in ihrer Ausgestaltung als Lenkungssteuer im Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Das BVerwG (v. 24.5.2023 – 9 CN 1.22) sah dies anders und erklärte die Verpackungssteuersatzung im Wesentlichen für rechtmäßig. Dagegen wandte sich das Schnellrestaurant in letzter Instanz vor dem BVerfG (1 BvR 1726/23).
Um welche Rechtsfragen geht es?
Das BVerfG wird im aktuellen Verfahren zu klären haben, ob Tübingen für den Erlass einer Verpackungssteuer eine kommunale Rechtsetzungskompetenz hat. Das setzt voraus, dass im konkreten Fall die Voraussetzungen einer örtlichen Verbrauchssteuer nach Art. 105 Abs.2a S.1 GG erfüllt sind. Das BVerwG (9 CN 1.22) hatte dies bejaht. Der hierfür erforderliche „örtliche Charakter“ der Steuer ist dann zu bejahen, wenn sie an lokale Gegebenheiten wie die Belegenheit einer Sache oder einen Vorgang im Gemeindegebiet anknüpft und es aufgrund der Begrenztheit der unmittelbaren Wirkungen der Steuer auf das Gemeindegebiet nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle kommen kann.
Ferner darf eine örtliche Verpackungssteuersatzung nicht gegen den vom BVerfG entwickelten und aus Art. 20 Abs.3; Art 31 GG entwickelten Grundsatz der „Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“ verstoßen. Das bedeutet, dass ein kommunaler Satzungsgeber durch eine Lenkungssteuer dann nicht in den Regelungsbereich des Bundesgesetzgebers einwirken darf, wenn dieser den steuerlich verfolgten Lenkungszweck ausgeschlossen oder gegenläufige Lenkungswirkungen oder Handlungsmittel bereits vorgeschrieben hat.
Praktische Auswirkungen
Das Karlsruher Urteil wird insbesondere von Kommunen mit Spannung erwartet. Bleibt die Verfassungsbeschwerde erfolglos, könnte dies das Startsignal für viele Kommunen sein, ähnliche Verpackungssteuern einzuführen, um mit deren Lenkungswirkung der zunehmenden „Müllflut“ in Städten und Gemeinden Herr zu werden. Alternativ könnte dann der Bund aber auch die Einführung einer Bundesverpackungssteuer erwägen, die in der Rechtswissenschaft bereist diskutiert wird. Handlungsdruck auf Bundesebene könnte sich auch auf EU-Ebene durch die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) ergeben.
Weitere Informationen:
Terminvorausschau BVerfG 1 BvR 1726/23: Bundesverfassungsgericht – Termine & Wochenausblick
Lesen Sie hierzu auch:
Wienbracke, Kommunale Verpackungssteuern doch verfassungsgemäß!?, NWB 2024 S. 97