Wann ist ein Tätowierer künstlerisch tätig?

Ob ein Tätowierer künstlerisch oder gewerblich tätig ist, ist sowohl für das Sozialversicherungs- als auch für das Steuerrecht von Bedeutung. Nun haben sowohl das BSG als auch das FG Düsseldorf in den jeweiligen Fällen den künstlerischen Status der klagenden Tätowierer bejaht (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.2.2025, 4 K 1875/23 G, AO; BSG-Urteil vom 27.6.2024, B 3 KS 1/23 R/NWB Online-Nachricht).

Der Fall des FG Düsseldorf:

Nachfolgend soll nur kurz der Fall des FG Düsseldorf vorgestellt werden: Der Kläger erklärte gegenüber dem Finanzamt, dass er als Tattoodesigner sowie Tätowierkünstler tätig und damit nicht gewerbesteuerpflichtig sei. Er vollbringe vorrangig schöpferische Leistungen, bei denen sich eine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegelten und die eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichten. Er beziehe sein Einkommen vorrangig aus seinem kreativen Schaffen und nicht aus dem Einsatz manuell-technischer Fähigkeiten, auch wenn er die Motive teilweise selbst in fertige Tattoos umsetze. Der Entwurf des Tattoo-Designs präge die Tätigkeit. Auch Auftragsarbeiten etwa im Bereich der Portraitmalerei seien Kunst.

Doch das Finanzamt folgte dem nicht, sondern ging von gewerblichen Einkünften und einer Gewerbesteuerpflicht aus. Trotz der kreativen Komponente sei Tätowieren handwerklich, da der Schwerpunkt auf der manuell-technischen Umsetzung liege. Tattoos seien Gebrauchskunst, da durch die Direktlieferung an die Kundinnen und Kunden – anders als bei Gemälden – unmittelbar ein Gebrauchsvorteil vorliege. Gebrauchskunst zeichne sich durch Auftragsgebundenheit aus. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Die Begründung in aller Kürze:

Im Bereich der künstlerischen Tätigkeiten ist zu unterscheiden zwischen zweckfreier Kunst und Gebrauchskunst. Bei ersterer bedarf es keiner Feststellung der ausreichenden künstlerischen Gestaltungshöhe; vielmehr reicht es aus, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann und die Arbeiten ausschließlich auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sind.

Im Bereich der Gebrauchskunst hingegen liegt eine künstlerische Tätigkeit nur dann vor, wenn die betreffende Person eigenschöpferisch tätig wird, das heißt Leistungen vollbringt, in denen sich eine individuelle Anschauungsweise und eine besondere Gestaltungskraft widerspiegeln, und wenn diese Leistungen eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen. Die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit ist dem Bereich der zweckfreien Kunst und nicht der Gebrauchskunst zuzuordnen; als zweckfreie Kunst fällt sie unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.

Der Kläger habe anschaulich dargelegt, dass sich seine Tätigkeit nicht etwa in der Übertragung von durch die Kundinnen und Kunden ausgewählten Motiven auf deren Haut erschöpft. Zwar nehmen Kundinnen und Kunden erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der jeweiligen Motive. Dies sei angesichts dessen, dass Tätowierungen unmittelbar und dauerhaft auf der Haut aufgebracht werden, auch naheliegend. Gleichwohl sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die Motive zunächst unabhängig und lediglich auf der Grundlage stichwortartiger Vorgaben im Anschluss an ein persönliches Erstgespräch entwickelt. Auch bei der späteren Umsetzung der Tätowierung auf der Haut seien vom Kläger (gegebenenfalls freihändig) vorzunehmende Anpassungen etwa hinsichtlich der Kontraste und des Lichteinfalls erforderlich, die diesem einen kreativen Gestaltungsspielraum überlassen, der eigenständig ausgefüllt werden muss.

Denkanstoß:

Gegen das Urteil wurde die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, ist leider noch nicht bekannt. Jedenfalls sollten Tätowierer und ihre steuerlichen Berater das Urteil – ebenso wie das erwähnte BSG-Urteil – aufmerksam studieren, da die Entscheidungen gute Argumente für die Einordnung als Künstler liefern.

Der obige Fall unterscheidet sich übrigens von demjenigen, der der Entscheidung des BFH vom 20.6.2011 (zur Umsatzsteuer) zugrunde lag (BFH-Beschluss VII B 258/10). Der dortige Kläger war als Tattoo-Zeichner unternehmerisch tätig, ohne zugleich selbst Tätowierer zu sein. Er erstellte nach dem Kundenwunsch Tätowiervorlagen. Das FG entschied: Im Streitfall sind gewerbliche Zeichnungen anzunehmen, da die Tattoo-Vorlagen dazu bestimmt sind, entsprechende Tattoos anzufertigen. Der BFH hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Auch dieser Beschluss sollte – gemeinsam mit der Entscheidung der Vorinstanz (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.9.2010, 6 K 1433/08) – in entsprechenden Fällen zur Hand genommen werden

Ein Beitrag von:

  • Christian Herold

    • Steuerberater in Herten/Westf. (www.herold-steuerrat.de)
    • Autor zahlreicher Fachbeiträge
    • Mitglied im Steuerrechtsausschuss des Steuerberaterverbandes Westfalen-Lippe

    Warum blogge ich hier?

    Als verantwortlicher Redakteur und Programmleiter zahlreicher Steuerfachzeitschriften, meiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung und meiner über 25-jährigen Arbeit als Steuerberater lerne ich das Steuerrecht sowohl aus theoretischer als auch aus praktischer Sicht kennen. Es reizt mich, die Erfahrungen, die sich aus dieser Kombination ergeben, mit den Nutzern des Blogs zu teilen und freue mich auf viele Rückmeldungen.

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