Am 23.2.2024 hat der Bundestag mehrheitlich dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz zugestimmt. Aber das Reformprojekt hängt weiterhin „am seidenen Faden“.
Hintergrund
Das im November 2023 vom Bundestag beschlossene Wachstumschancengesetz (BT-Drs. 20/8628; 20/9006; 20/9341; 20/9396) sieht Steuerentlastungen, Bürokratieabbau und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vor. Der Bundesrat hatte das Gesetz aber angehalten und den Vermittlungsausschuss (Art. 77 GG) angerufen, weil das Gesetz erhebliche Steuerausfälle für Länder und Kommunen zur Folge hätte. Der Vermittlungsausschuss hatte am 21.2.2024 einen „Kompromiss“ vorgeschlagen (BT-Drs. 20/10410), der das ursprünglich geplante Entlastungsvolumen von 7,1 Mrd. Euro auf rund 3,2 Mrd. Euro kürzt.
Bundestagsbeschluss mit Regierungsmehrheit
Am 23.2.2024 ist nun der Bundestag dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses mehrheitlich gefolgt. Dieser Vorschlag umfasst insbesondere
- Einführung einer degressiven Abschreibung auf Abnutzung (AfA) für Wohngebäude in Höhe von 5 Prozent,
- Einführung einer degressiven AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter für 9 Monate,
- auf vier Jahre befristete Anhebung des Verlustvortrags auf 70% (ohne Gewerbesteuer),
- Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung.
- Maßnahmen zur Vereinfachung des Steuersystems und zum Bürokratieabbau
- Verzicht auf die Einführung einer Klimaschutz-Investitionsprämie und die Mitteilungspflichten innerstaatlicher Steuergestaltungen
Bewertung
Das Abstimmungsergebnis im Bundestag mit 377 Ja-Stimmen, 267 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung belegt, wie fragil das Wachstumschancengesetz auch zum jetzigen Zeitpunkt noch ist. Die Unionsopposition hat – wie schon im Vermittlungsausschuss – komplett gegen das Gesetz gestimmt, auch weil die Regierung der Unionsforderung nach Rücknahme der Agrardieseleinschränkungen für die Landwirtschaft nicht befürwortet hat.
Offen ist deshalb unverändert das Abstimmungsverhalten der Länder im Bundesrat am 22.3.2024: Wenn die unionsgeführten Länder das Junktim einer Rücknahme der Agardieselbelastungen für Landwirte nicht aufgibt und die Kröte deutlicher Mindereinnahmen von Ländern und Kommunen nicht akzeptieren, ist das Wachstumschancengesetz endgültig gescheitert.
Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass das ein fatales Signal an die deutsche Wirtschaft wäre, die beim von der Bundesregierung erwarteten Wachstum von mageren 0,2 Prozent in 2024 (siehe Jahreswirtschaftsbericht 2024 der Bundesregierung, BT-Drs.20/10415) dringend auf Wachstumsimpulse angewiesen ist. Selbst die Wirtschaftsverbände appellieren deshalb jetzt an die Einsichtsfähigkeit der Unionsopposition: „Du kannst das Beste nicht erreichen, wenn Du nicht wenigstens zunächst das Zweitbeste versuchst.“ Das Wachstumschancengesetz könnte so verstanden wenigstens ein erster Schritt in Richtung Entlastung der Wirtschaft sein, dem aber dringend und zeitnah weitere Schritte folgen müssen.
Die Zeit zwischen dem Bundestagsbeschluss vom 23.2.2024 und der entscheidenden Bundesratssitzung am 22.3.2024 wird deshalb sicher weiter genutzt werden (müssen), um nach „Kompromissen“ zu suchen. Wir behalten das im Blick!
Weitere Informationen:
- Deutscher Bundestag – Bundestag stimmt Kompromiss zum Wachstumschancengesetz zu
- „Unechter“ Kompromiss beim Wachstumschancengesetz (Bundesrat) – NWB Livefeed
- Ergebnis Vermittlungsausschuss am 21.2.2024