Die Ampelregierung ist aktuell uneins über eine vorzeitige Rückkehr zu einer höheren Gas-Mehrwertsteuer. Worum geht es, was spricht dafür und was dagegen? Wird das Heizen im Winter 2023/24 wieder teurer?
Hintergrund
Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine schnellten die Gaspreise in Deutschland in die Höhe. Die Bundesregierung reagierte hierauf mit verschiedenen Entlastungsmaßnahmen, insbesondere dem EWPBG und dem StromPBG. Mit dem „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ (BGBl 2022 I S. 1743) wurde der Umsatzsteuersatz auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz und die Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz rückwirkend ab 1.10.2022 bis 31.3.2024 von 19 auf 7 Prozent reduziert; das war Teil des Dritten Entlastungspakets der Bundesregierung. Einzelheiten hat das BMF in einem Schreiben vom 25.10.2022 (III C 2 – S 7030/22/10016 :005) erläutert. Jetzt will der Bundesfinanzminister die Steuerermäßigung vorzeitig mit Ablauf des 31.12.2023 aufheben, der Umsatzsteuersatz soll wieder auf 19 Prozent angehoben werden; die SPD hat bereits Bedenken geäußert.
Vorzeitiges Ende der Mehrwertsteuersenkung: Welche Mehrkosten wären damit verbunden?
Nach Angaben verschiedener Vergleichsportale kostete vor Beginn der Energiekrise eine Kilowattstunde (KWh) Gas durchschnittlich 6,8 Cent/KWh. Ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von etwa 20.000 KWh musste also etwa 1.365 Euro/Jahr aufwenden. Auf dem Höhepunkt der Krise kostete eine KWh Gas durchschnittlich 21,9 Cent. Kosten für einen Vier-Personen-Haushalt rund 4.371 Euro/Jahr, ein Kostenanstieg um mehr als das Dreifache. Im September 2023 kostet nach einem Preisrückgang die KWh Gas aktuell durchschnittlich 12,2 Cent, also noch immer rund 78 Prozent mehr vor der kriegsbedingten Energiekrise. Der Musterhaushalt muss dafür aktuell rund 2.432 Euro/Jahr aufwenden. Allerdings lohnt sich der Preisvergleich mitunter und ein Anbieterwechsel, dann können die Kosten durchschnittlich auf bis 1.867 Euro/Jahr sinken. Würde – wie der Bundesfinanzminister vorschlägt – ab 1.1.2024 die Umsatzsteuer wieder auf 19 Prozent angehoben, könnte das für einen Vier-Personen-Haushalt im Rechenbeispiel zu Mehrkosten von rund 274 Euro/Jahr führen.
Was spricht für, was gegen die Pläne, die Umsatzsteuersenkung vorzeitig zurückzunehmen?
Die angestoßene Debatte um einen vorzeitigen Abschied von der Umsatzsteuersenkung für Gas hat das Zeug für einen neuen Koalitionskrach, wie die „Pro“s und „Con“s zeigen:
Gegen eine vorzeitige Senkung spricht:
- Die vorzeitige Rückkehr zum Regel-Umsatzsteuersatz würde Verbraucher zusätzlich belasten, den die Versorger würden in aller Regel die Mehrbelastung von 12 Prozentpunkten an den Endkunden weitergeben.
- Ein heizungsintensiver Winter würde den Preisanstieg verschärfen: Kommt ein kalter Winter oder wächst weltweit die Gasnachfrage, ohne dass das Gasangebot zunimmt, ist ein Preisanstieg zu erwarten. Das ist ein Risiko, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit natürlich nicht sicher vorhersehbar ist.
- Politik muss verlässlich sein. Viele Verbraucher müssen schon jetzt – trotz gesetzlicher Entlastungsmaßnahmen – wegen des Preisanstiegs bei Strom und Heizen den Gürtel enger schnallen; sie haben auf die gesetzliche Entlastungsmaßnahme und ihre zeitliche Dauer bis 31.3.2024 vertraut. Selbst Bundesfinanzminister Lindner stellte in der Bundestagsdebatte zum Senkungsgesetz im Herbst 2022 (BT-Drs. 20/3530) klar: „Der Staat darf nicht Profiteur davon sein, dass für die Menschen das Leben teurer wird.“
Für eine vorzeitige Senkung spricht aber:
- Die Gaspreise sind in 2023 stärker gesunken als noch in 2022 zu erwarten war. Die Großhandelspreise an den Börsen haben sich in etwa auf dem Niveau vor Beginn des russischen Angriffskrieges normalisiert.
- Die Zukunftsaussichten können derzeit als „normal“ bezeichnet werden: Die Speicherziel für Gas sind bereits jetzt erreicht. Die Preise an den Future Markets für Gas bewegen sich auf Normalniveau, so dass aktuell kein dramatischer Preisanstieg in Sicht ist.
- Die vorzeitige Aufhebung der Krisenmaßnahme würde dem Fiskus rund 2,1 Mrd. Euro in den Haushalt spülen, Geld also, dass der Bund angesichts der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse gut gebrauchen kann – auch für mögliche Entlastungen ab 2024 an anderer Stelle. Und: Müssen wir nach Corona und Energiekrise nicht endlich wieder raus aus der steuerfinanzierten Vollkasko-Mentalität?
Fazit
Ob der Plan des Bundesfinanzministers im Bundestag mehrheitsfähig ist, muss sich jetzt im Rahmen der aktuellen Haushaltsberatungen für 2024 erweisen. Die Argumente sind ausgetauscht. Mein Rat: Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung!