Vorsteuerabzug bei Lieferung von Mieterstrom

Bei der Lieferung von Strom, den der Vermieter von Wohnraum über eine Photovoltaikanlage selbst erzeugt und an seine Mieter gegen Entgelt abgibt, handelt es sich nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der umsatzsteuerfreien (langfristigen) Vermietung von Wohnraum, sondern um eine selbstständige umsatzsteuerpflichtige Leistung, die zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen berechtigt, da kraft Gesetzes für den Mieter die Möglichkeit besteht, den Stromanbieter frei zu wählen, und die Stromlieferung getrennt und nach individuellem Verbrauch abgerechnet wird (BFH-Urteil vom 17.07.2024, XI R 8/21).

Mit diesem Urteil grenzt sich der BFH von seinem Urteil vom 07.12.2023 (V R 15/21, BStBl II 2024, 503) ab, in dem es um den Vorsteuerabzug für die Lieferung einer Heizungsanlage ging.

Der Sachverhalt:

Der Kläger vermietet umsatzsteuerfrei ein Mehrfamilienhaus und ein Doppelhaus. Er hat auf beiden Objekten im Dezember 2018 jeweils eine Photovoltaikanlage einschließlich eines Batteriespeichers installieren lassen. Der erzeugte Strom fließt direkt über den Batteriespeicher an die Mieter. Der überschüssige Strom wird an die N-GmbH geliefert. Der gegebenenfalls von den Mietern zusätzlich benötigte Strom (Reststrom) wird im Namen und im Auftrag des Klägers von Fremdunternehmen bezogen und mit einem Gewinnaufschlag an die Mieter abgegeben. Die Gesamtproduktion des Stroms und der Strom, der direkt über den Batteriespeicher an die Mieter fließt, werden gesondert gemessen. Der Kläger rechnet mit den Mietern jährlich über einen Gemeinschaftszähler im jeweiligen Haus und entsprechende Unterzähler nach der individuellen Verbrauchsmenge ab. Hierüber hat er mit den Mietern eine „Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag über Stromversorgung“ geschlossen. Danach erfolgt die Versorgung der Mieter mit Strom über die installierte Photovoltaikanlage. Der Stromlieferungsvertrag kann mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Außerdem ist in der Zusatzvereinbarung geregelt, dass der Mieter für den Fall, dass er nach der Kündigung anderweitig den Strom bezieht, die Kosten der Umbaumaßnahmen der Zähleranlage zu tragen hat.

In 2018 machte der Kläger Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung der Photovoltaikanlagen geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug jedoch. Zur Begründung verwies es darauf, dass es sich bei der Stromlieferung seitens des Kläger an die Mieter um eine Nebenleistung zur steuerfreien Hauptleistung (Vermietung) handele. Nach Auffassung des Kläger hingegen stellen die Stromerzeugung und Lieferung an die Mieter einerseits und die Vermietungsleistung andererseits zwei getrennte selbstständige Leistungen dar. Der BFH stimmt der Auffassung des Klägers zu.

Die wesentlichen Aussagen lauten:

Jeder Umsatz ist zwar in der Regel als eigenständige und selbständige Leistung zu betrachten; ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf aber nicht künstlich aufgespalten werden. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Das ist namentlich dann der Fall, wenn ein Teil oder mehrere Teile als Hauptleistung anzusehen sind, während andere Teile als eine oder mehrere Nebenleistungen einzustufen sind, die steuerlich ebenso zu behandeln sind wie die Hauptleistung. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. In diesem Zusammenhang sind hinsichtlich der Vermietung von Immobilien zwei Fallgruppen zu unterscheiden.

Für den Fall, dass der Mieter über die Möglichkeit verfügt, die Lieferanten und/oder die Nutzungsmodalitäten der in Rede stehenden Gegenstände oder Dienstleistungen auszuwählen, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Insbesondere wenn der Mieter über seinen Verbrauch von Leistungen, die in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden können, entscheiden kann, können die Leistungen, die sich auf diese Gegenstände oder Dienstleistungen beziehen, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt angesehen werden. Bei Dienstleistungen wie der Reinigung der Gemeinschaftsräume eines im Miteigentum stehenden Gebäudes sind diese als von der Vermietung getrennt anzusehen, wenn sie von jedem Mieter einzeln oder von den Mietern gemeinsam organisiert werden können und wenn die an den Mieter versandten Rechnungen die Lieferung dieser Gegenstände und Dienstleistungen getrennt von der Miete ausweisen.

Für den Fall, dass die Vermietung eines Gebäudes in wirtschaftlicher Hinsicht offensichtlich mit den begleitenden Leistungen objektiv eine Gesamtheit bildet, kann demgegenüber davon ausgegangen werden, dass Letztere mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden. Das kann unter anderem bei der Vermietung von Immobilien für kurze Zeiträume, insbesondere für die Ferienzeit oder aus beruflichen Gründen, die mit diesen Leistungen angeboten wird, ohne dass diese davon getrennt werden können, der Fall sein.

Ausgehend davon sind die den Mietnebenkosten zugrunde liegenden Leistungen wie die Zurverfügungstellung von Wasser, Elektrizität oder Wärme, über deren Verbrauch der Mieter entscheiden kann und die durch die Anbringung von individuellen Zählern kontrolliert und in Abhängigkeit des Verbrauchs abgerechnet werden, grundsätzlich als von der Vermietung getrennt anzusehen (Ausnahme: Die Zurverfügungstellung von warmem Wasser und Wärme wird zum vertragsgemäßen Gebrauch geschuldet; siehe nachfolgend).

Gemessen daran kann mit der Lieferung von Mieterstrom eine selbständige umsatzsteuerpflichtige Leistung vorliegen. Gewichtige Indizien für die Selbstständigkeit der Leistung sind gesonderte Abrechnungen des von den jeweiligen Mietern verbrauchten Stroms über individuelle (Unter-)Zähler sowie individuelle (Zusatz-)Vereinbarungen mit den Mietern über die Stromlieferungen. Dies gilt vor allem, wenn darin vom Mietvertrag abweichende Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen sind.

Wenn die Mieter bei einem Wechsel des Stromanbieters erforderliche Umbaukosten tragen müssen, ist die freie Wahl des Stromanbieters durch diese Vereinbarung nicht ausgeschlossen. Die generelle Möglichkeit der Mieter, den Stromlieferungsvertrag mit dem Vermieter zu kündigen und zu einem anderen Anbieter zu wechseln, mag zwar erschwert sein, ist jedoch nicht unmöglich. Angesichts des Wettbewerbs werden derartige Umbaukosten gegebenenfalls auch ganz oder teilweise von einem neuen Stromlieferanten übernommen.

Die aus den vertraglichen Vereinbarungen abgeleitete Freiheit eines Mieters, seinen Stromlieferanten frei zu wählen, ergibt sich auch aus gesetzlichen Vorschriften. § 42a Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) bestimmt ausdrücklich ein Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag. Nach § 42a Abs. 2 Satz 1 EnWG darf ein Vertrag über die Belieferung von Letztverbrauchern mit Mieterstrom (Mieterstromvertrag) nicht Bestandteil eines Vertrags über die Miete von Wohnräumen sein. Bei einem Verstoß gegen dieses Verbot ist der Mieterstromvertrag nichtig (§ 42a Abs. 2 Satz 2 EnWG). Nach § 42a Abs. 3 Satz 3 EnWG ist eine Bestimmung, durch die das Kündigungsrecht während der Dauer des Mietverhältnisses ausgeschlossen oder beschränkt wird, unwirksam. Damit soll jegliche Einwirkung auf die Entscheidungsfreiheit des Mieters ausgeschlossen werden. Der Abschluss eines Mietvertrags soll nicht vom Abschluss eines Mieterstromvertrags abhängen. Die Vertragsfreiheit des Mieters in Bezug auf die Belieferung mit Strom ist umfassend sicherzustellen.

Bei der Lieferung von Mieterstrom, den der Vermieter teilweise selbst erzeugt oder bei Bedarf als Reststrom von einem Energieversorger gegen Entgelt selbst bezieht, um ihn an seine Mieter gegen Entgelt weiterzuliefern, stehen die Kosten des Vermieters für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage nicht im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung, sondern mit den umsatzsteuerpflichtigen Stromlieferungen. Die Kosten der Photovoltaikanlage sind auch Kostenelemente der besteuerten Ausgangsumsätze, wenn der Vermieter marktübliche Stromentgelte erhebt, die den Kostendeckel des § 42a Abs. 4 EnWG beachten, und dadurch unter anderem zumindest die Kosten seiner Photovoltaikanlagen gedeckt werden.

Die Rechtsprechung des BFH, nach der die Kosten des Vermieters für eine neue Heizungsanlage jedenfalls dann im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zur umsatzsteuerfreien Vermietung stehen, wenn es sich dabei nicht um Betriebskosten handelt, die der Mieter gesondert zu tragen hat (vgl. BFH-Urteil vom 07.12.2023, V R 15/21, BStBl II 2024, 503, Rz 16 ff.), ist auf den Fall der Stromlieferung nicht zu übertragen. Der Vermieter von Wohnraum schuldet zum vertragsgemäßen Gebrauch zwar die Versorgung mit Wärme und warmem Wasser, jedoch nicht die Lieferung von Strom. Aufgrund des Kopplungsverbots des § 42a Abs. 2 EnWG darf eine solche Verpflichtung sogar kein Vertragsbestandteil des Mietvertrags sein. Beim Strombezug ist vielmehr der Mieter regelmäßig Kunde eines vom ihm selbst ausgesuchten Stromversorgers, der mit ihm ohne Beteiligung des Vermieters Vertragsverhältnisse unterhält. Die Eingangsleistungen aus der Anschaffung von Photovoltaikanlagen hängen daher – anders als die Kosten für eine neue Heizungsanlage – nicht mit umsatzsteuerfreien Vermietungsumsätzen zusammen, so dass der Vorsteuerabzug deshalb nicht ausgeschlossen ist. Die Kosten dieser Eingangsleistungen finden nicht Eingang in den Preis der die umsatzsteuerfreie Wohnraumvermietung betreffenden Ausgangsumsätze.

Denkanstoß und Praxishinweise:                          

Der BFH orientiert sich bei seinen beiden Urteilen zur „Lieferung von Wärme“ und zur „Lieferung von Strom“ durch Vermieter an den jeweiligen (miet-)gesetzlichen Anforderungen. Vermieter von Wohnraum können den Vorsteuerabzug für eine Heizungsanlage nicht erreichen, denn Vorrang hat immer die Betriebskostenverordnung, die eine „Umlegung“ von einmaligem Instandhaltungsaufwand für eine Heizungsanlage im Rahmen der Betriebskosten nicht zulässt. Die Lieferung von Wärme wird im Übrigen zum vertragsgemäßen Gebrauch geschuldet. Anders bei der Lieferung von Strom: Der Mieter darf seinen Stromlieferantennach den Regelungen des EnWG frei wählen. Rein wirtschaftlich betrachtet sind die Fälle hingegen ähnlich.

Die Finanzverwaltung ist laut Abschn. 4.12.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE bislang der Ansicht, dass auch die Lieferung von Strom durch den Vermieter in der Regel als Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung anzusehen ist. Diese Haltung lässt sich nun nicht mehr aufrecht halten.

Vermieter können sich aber (zunächst) weiterhin auf den UStAE berufen und in der Stromlieferung eine reine Nebenleistung sehen, wenn sie die Steuerfreiheit ihrer entsprechenden Leistungen begehren. Wenn sie aber einen Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Anschaffung und Installation ihrer Photovoltaikanlage begehren, können sie sich auf das Besprechungsurteil berufen. Allerdings ist zu beachten, dass dadurch die steuerpflichtigen Stromlieferungen an die Mieter dauerhaft oder zumindest langfristig umsatzsteuerpflichtig werden. Zudem gilt das Gesagte grundsätzlich nur für Fälle mit Anschaffungen der Anlagen vor dem 01.01.2023, da seitdem gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG regelmäßig ein Nullsteuersatz für die Lieferungen von entsprechenden Photovoltaikanlagen gilt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein Vermieter, der Strom an seine Mieter liefert, möglicherweise zum Wiederverkäufer von Strom werden kann, sofern er Reststrom zukauft und weiterliefert (§ 13b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b, Abs. 5 Satz 4, § 3g UStG). Die damit einhergehenden steuerlichen Pflichten müssen „einkalkuliert“ werden. Es sollte daher nach Möglichkeit noch abgewartet werden, wie sich die Finanzverwaltung zu dieser Frage positioniert.

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