Vorsteuer aus „Briefkastenrechnung“ – ein klassisches Drama

Erinnern Sie sich noch an den Deutschunterricht Ihrer Schulzeit? Mit dem klassischen Drama in fünf Akten wurden und werden sicher Generationen von Schülern wohl überwiegend gequält. Nun liefert uns die Rechtsprechung zum Thema Rechnungsanschrift in der Umsatzsteuer ein echtes Lehrstück.

I. Akt – BFH warnt vor Postfächern

Im ersten Akt werden uns zunächst einmal die Protagonisten vorgestellt. Da hätten wir die Kfz-Händler mit den auffälligen Transaktionen, eine wenig begeisterte Finanzverwaltung und den klarstellenden BFH. Im Hintergrund wird schon einmal der EuGH ins Spiel gebracht. Und schließlich der dramaturgische Konflikt: keine Vorsteuer aus „Briefkastenrechnungen“, auch nicht, wenn ein Postfach angegeben ist.

II. Akt – EuGH macht es spannend

Im zweiten Akt folgt die Komplikation. Ohne in die BFH-Problematik eingebunden zu sein, „haut“ der EuGH einfach mal raus, dass ein Vorsteuerabzug auch aus Rechnungen inexistenter Wirtschaftsteilnehmer möglich sei. Daraufhin überschlagen sich die Stellungnahmen in der Fachliteratur, wonach die Postfachentscheidung des BFH nur als rechtswidrig angesehen werden könne.

Anmerkung: Der BFH hätte die Diskussionen hier deutlich entschärfen können, benötigte man nicht ganze drei Monate Vorlaufzeit, um die Vorlagebeschlüsse zu veröffentlichen. Offenbar war es allerdings wichtiger, vorab noch zwei heute erschienene – wenn man sie so nennen möchte – Urteilsanmerkungen für eine Fachzeitschrift vorzulegen.

III. Akt – BFH legt vor

Drama_RgAnschriftAls Höhepunkt unseres Dramas legt der BFH die beiden nächsten Kfz-Fälle, die ihm in die Finger kamen, dem EuGH vor. Dramaturgisch gekonnt: Wird die jahrzehntelange Rechtsprechung aus München gekippt? Was bedeutet das für die Steuerpflichtigen? Wie sichert man sich in der Praxis den Vorsteuerabzug? Fragen über Fragen, die sich der Zuschauer für den weiteren Verlauf nun stellen kann.

IV. Akt – EuGH nimmt sich Zeit

Es folgt die Verlangsamung. Jetzt wird der Fall voraussichtlich erst einmal mindestens ein Jahr in Luxemburg liegen. Als kleines Zwischenhoch äußert sich vielleicht der Generalanwalt. Weitere Entwicklungen sind jedenfalls vorerst nicht absehbar. Die Spannung steigt.

V. Akt – BFH spricht Klartext

Klassisch schließt das Drama mit der Katastrophe. Doch zum Glück ist unser Stück ja noch nicht fertig geschrieben. Gut möglich, dass der EuGH passende Hinweise gibt, und der BFH im Kern an seiner Rechtsprechung festhalten kann, wobei dem gutgläubigen Erwerber aus der Briefkastenrechnung dann doch der Vorsteuerabzug im Festsetzungsverfahren zusteht; eine Art Katharsis, mit der am Ende wohl alle Beteiligten mehr oder weniger zufrieden sein könnten. Und der Vorhang fällt. Applaus? Bleibt leider abzuwarten.

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