Wenn Vorsorgeaufwendungen, insbesondere Beiträge zur Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung, mit steuerfreien Einnahmen zusammenhängen, sind sie in Deutschland grundsätzlich nicht als Sonderausgaben absetzbar. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Vorsorgeaufwendungen sind als Sonderausgaben in der deutschen Steuererklärung absetzbar, soweit
- sie in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit Arbeitslohn stehen, der in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem EWR-Staat oder der Schweiz erzielt wurde,
- diese Einnahmen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland steuerfrei sind und
- der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG).
Vor nicht allzu langer Zeit hat der Bundesfinanzhof in einer Serie von Urteilen entschieden, dass Beiträge zur Pflegeversicherung aus dem EU-Ausland in Deutschland auch dann als Sonderausgaben absetzbar sind, wenn der Steuerpflichtige im Ausland zwar eine Entlastung für die Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung erhalten hat, aber eben nicht für die Pflegeversicherung. Das bedeutet: Die Wörter „keinerlei steuerliche Berücksichtigung“ sind für den jeweiligen Versicherungszweig gesondert zu prüfen. Beachten Sie dazu den Blog-Beitrag „Vorsorgeaufwendungen: Abzug in Deutschland auch bei Auslandstätigkeit?“
Es wurden also einige Fragen rund um Beiträge im Zusammenhang mit Einkünften aus dem EU-Ausland geklärt. Aber wie sieht es mit Beiträgen aus, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften aus Drittstaaten stehen?
Das FG Düsseldorf hat einen Abzug der Vorsorgeaufwendungen sehr wohl zugelassen (Urteil vom 10.7.2018, 10 K 1964/17 E), und zwar unter anderem mit folgender Begründung: Soweit die Altersvorsorgeaufwendungen nicht abgezogen werden dürften und zugleich eine spätere Besteuerung der Alterseinkünfte nach dem AltEinkG erfolgen würde, läge unabhängig von der Frage der systematischen Einordnung solcher Aufwendungen als Sonderausgaben oder vorweggenommene Werbungskosten ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip vor.
Das FG Hamburg hingegen hält einen Abzug von Vorsorgeaufwendungen, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften aus Drittstaaten stehen, in Deutschland für nicht zulässig (Urteil vom 14.6.2021, 1 K 73/19). Aber es hatte die Revision zugelassen. Und der BFH hat nun im Sinne des FG Hamburg entschieden: Bezieht ein Steuerpflichtiger für eine Tätigkeit in einem Drittstaat steuerfreien Arbeitslohn, sind hiermit im Zusammenhang stehende Vorsorgeaufwendungen (im Streitfall Beiträge zur gesetzlichen Renten- sowie Arbeitslosenversicherung) nicht als Sonderausgaben abziehbar (BFH-Urteil vom 14.12.2022, X R 25/21).
Der Sachverhalt:
Der Kläger war bei einem deutsch-chinesischen Joint Venture angestellt, wobei er im Streitjahr 2016 insgesamt 224 Arbeitstage in China tätig war. Er bezog Arbeitslohn sowohl in Deutschland als auch in China. Er zahlte seine Rentenversicherungsbeiträge aber weiter in Deutschland. In seiner Einkommensteuererklärung wollte er die Beiträge zur Rentenversicherung in voller Höhe als Sonderausgaben abziehen, obwohl rund 88 Prozent seines Arbeitslohns aufgrund des DBA mit China steuerfrei blieb. Das Finanzamt lehnte den vollen Abzug der Vorsorgeaufwendungen ab und berücksichtigte nur den Teil, der auf den steuerpflichtigen deutschen Arbeitslohn entfiel, also rund 12 Prozent. Eine weitergehende Berücksichtigung der erklärten Vorsorgeaufwendungen sei hingegen ausgeschlossen, da diese in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden und deshalb keine berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben darstellten. Die hiergegen gerichtete Klage und nun auch die Revision blieben ohne Erfolg.
Die Begründung:
In § 10 Abs. 2 EStG sei ein Sonderausgabenabzug bei einem Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften aus Drittstaaten nicht vorgesehen. Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht. Unerheblich sei zudem, dass die Vorsorgeaufwendungen in China nicht abgezogen werden könnten, die spätere Rente in Deutschland aber wohl dennoch der vollen Besteuerung unterliegen wird. Das Verfassungsrecht stehe dem nicht entgegen. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, den Abzug von Vorsorgeaufwendungen ausnahmsweise zuzulassen, wenn im Tätigkeitsstaat keine steuerliche Entlastung für die Aufwendungen gewährt wird.
Denkanstoß:
Zwar ging es in der Revision um das Urteil des FG Hamburg, doch die BFH-Richter weisen „durch die Blume“ darauf hin, dass sie das – positive – Urteil des FG Düsseldorf für falsch halten. Unabhängig davon liegt das Urteil – zumindest hinsichtlich der Frage einer vermeintlichen Doppel- oder Übermaßbesteuerung – auf der Linie mit dem BFH-Urteil vom 6.4.2022: Eine doppelte Besteuerung von Renten kann sich nicht allein daraus ergeben, dass ein Steuerpflichtiger in der Vergangenheit keine Altersvorsorgeaufwendungen geltend gemacht hat, obwohl sie einkommensteuerlich abziehbar gewesen wären (BFH-Urteil vom 6.4.2022, X R 27/20).
Ich hatte dieses Urteil in dem Beitrag „Vergessene Beiträge ans Versorgungswerk – leider selbst schuld“ bereits vorgestellt. Mein Fazit lautete damals: „Es ist der BFH selbst, der in dem Urteil vom 19.5.2021 die Parameter für die Vergleichsberechnung zur Ermittlung einer eventuellen Übermaßbesteuerung vorgegeben hat, und zwar – vereinfacht gesprochen – indem die Besteuerung der Renten mit dem Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen verglichen wird. Nun räumt er selbst ein, dass es von diesem Prinzip Ausnahmen gibt. Ich bin sicher, dass wir noch weitere Ausnahmen erleben werden.“ Nun haben wir erneut eine solche Ausnahme.