Nach dem Verkauf eines (vermieteten) Grundstücks lösen die Verkäufer oftmals die noch existierenden Darlehen ab und zahlen dafür eine Vorfälligkeitsentschädigung. Bereits seit vielen Jahren ist es leider gängige Praxis der Gerichte und der Finanzverwaltung, dass die Vorfälligkeitsentschädigung selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen wird, wenn sie ausnahmsweise den Finanzierungskosten eines neu erworbenen Mietobjektes zugerechnet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 11.2.2014, IX R 42/13; BMF-Schreiben vom 27.7.2015, BStBl 2015 I S. 581; Blog-Beitrag „Vorfälligkeitsentschädigung auch beim Surrogat nicht abziehbar“ von Christoph Iser).
Kürzlich hatte ich bereits ein interessantes Urteil des FG Köln hat vorgestellt, das den Abzug der Vorfälligkeitsentschädigung zwar ebenfalls versagt, aber Ausführungen gemacht hat, die mit etwas Wohlwollen als „Rückkehr zur früheren Surrogatrechtsprechung“ verstanden werden könnten (FG Köln, Urteil vom 19.10.2023, 11 K 1802/22; vgl. Blog-Beitrag „Vorfälligkeitsentschädigung im Zusammenhang mit Grundstücksverkauf – im Einzelfall doch abziehbar?“ ).
Heute möchte ich ein – ebenfalls interessantes – Urteil des Niedersächsischen FG vorstellen. Dieses hat entschieden, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung ausnahmsweise als Werbungskosten anzuerkennen ist, wenn eine Immobilie veräußert wird, die bei Aufnahme eines Darlehens zwar als Sicherheit gedient hat, das Darlehen selbst aber ein anderes Gebäude betraf und dieses Objekt auch weiterhin vermietet wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 30.10.2024, 3 K 145/23).
Der Sachverhalt:
Eheleuten gehörten die vermieteten Immobilien X1 und X2. Für den Erwerb der beiden Objekte im Jahre 2013 wurden zwei Darlehen aufgenommen. Die den Eheleuten ebenfalls gehörende Immobilie Y wurde von der Bank als Zusatzsicherheit für die beiden Darlehen der Objekte X1 und X2 hingenommen. Im Jahr 2020 veräußerten die Ehegatten die Immobilie Y. Im Zuge dieser Veräußerung lösten sie auch die beiden Darlehen für die Objekte X1 und X2 ab, denn die Bank war nicht bereit, den Wegfall des „Sicherungsobjektes Y“ hinzunehmen. Dafür fielen Vorfälligkeitsentschädigungen an. Das Finanzamt erkannte diese Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an. Es fehle an einem wirtschaftlichen Zusammenhang der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen mit steuerbaren Einkünften. Das maßgebliche auslösende Moment für den Anfall der Vorfälligkeitsentschädigungen sei nicht der seinerzeitige Abschluss der Darlehensverträge für X1 und X2, sondern deren vorzeitige Ablösung durch den Verkauf des Objekts Y. Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen stehe daher in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie Y. Doch die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
Die Begründung:
Die Vorfälligkeitsentschädigungen sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, denn die Kläger haben die Darlehen zwar unter Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigungen getilgt, die Grundstücke jedoch weiterhin zur Vermietung genutzt. Durch die vorzeitige Ablösung der Darlehen hat sich an deren Veranlassung nichts geändert. Die Darlehen dienten ursprünglich der Finanzierung zweier Vermietungsobjekte. Die auf vorzeitige Ablösung der Darlehen gerichtete Änderung der Darlehensvereinbarungen änderte daran nichts. Die Kläger haben lediglich eine Umschuldung im Rahmen ihrer privaten Vermögensverwaltung vorgenommen, indem sie zur Verfügung stehende finanzielle Mittel zur vorzeitigen Tilgung der beiden dem Erwerb von Vermietungsobjekten dienenden Darlehen genutzt haben.
Dem Finanzamt ist zwar darin zuzustimmen, dass die Vorfälligkeitsentschädigungen durch den Wunsch der Kläger auf Ablösung der beiden Darlehen ausgelöst wurden. Allerdings standen die beiden Darlehen niemals in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Objekt Y.
Die Kläger haben sich, wenn auch auf Druck der Bank, zu einer Tilgung der Darlehen entschlossen. Es macht keinen Unterschied, ob sie dafür private oder durch neue Darlehen aufgenommene Mittel eingesetzt haben. Es ist auch unerheblich, ob die privaten Mittel aus der Veräußerung einer Immobilie, wie Y, stammten, aus einer Erbschaft oder einem Lottogewinn. Die beiden ursprünglich mit den abgelösten Darlehen finanzierten Objekte sind weiter zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzt worden. Eine Verschiebung der zur Einkünfteerzielung genutzten Objekte in eine andere oder keine Einkunftsart hat nicht stattgefunden. Daher gibt es auch keinen Anknüpfungspunkt dafür, die Schuldzinsen für die Darlehen in ihrer nunmehrigen Ausgestaltung als Vorfälligkeitsentschädigungen einer anderen Einkunftsart oder gar der nicht einkommensteuerbaren Sphäre der Kläger zuzurechnen.
Denkanstoß:
Steuerpflichtige sollten sich in ähnlich gelagerten Fällen auf das Urteil des Niedersächsischen FG berufen. Vielleicht ermöglicht es zumindest im Einzelfall doch den Abzug einer Vorfälligkeitsentschädigung.
Der guten Ordnung halber sei noch auf einen (weiteren) Ausnahmefall hingewiesen, in dem eine Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigungsfähig bleibt, nämlich bei der Berechnung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG (vgl. dazu Iser, Blog-Beitrag „Steuerliche Berücksichtigung einer Vorfälligkeitsentschädigung„).
Auch kann eine Vorfälligkeitsentschädigung zu Werbungskosten führen, wenn es sich um eine übliche Umschuldung von Darlehen handelt, um günstigere Zinskonditionen zu erhalten (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.10.2018, 10 K 1825/17).