Videoaufzeichnungen als zulässiges Beweismittel gegen den Steuerpflichtigen?

Das Finanzgericht Hamburg (FG) hatte über Schätzbescheide der Betriebsprüfung gegen einen Gastronomen zu entscheiden (Beschluss v. 13.08.2018 – 2 V 216/17). Diese Schätzbescheide beruhten u.a. auf Videoaufnahmen einer betrieblichen Kamera, welche die fehlerhafte Kassenbedienung durch das Personal dokumentierten. Die Aufzeichnungen dauerten einen Monat und waren im Rahmen einer Durchsuchung beschlagnahmt worden. Hingegen betraf die Betriebsprüfung drei Jahre.

Unkritische Verwendung der Videosaufnahmen durch das Finanzgericht

Das FG sieht Videoaufzeichnungen von Mitarbeitern im Kassenbereich als ein Beweismittel an, um die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu überprüfen. Diese Sichtweise ist jedoch bisher nicht durch eine Rechtsprechung des BFH abgesichert und fordert Widerspruch heraus.

Beweisverwertungsverbot wegen Datenschutz?

Der erste Kritikpunkt betrifft die Vereinbarkeit mit dem Datenschutz. Es stellt sich die Frage, ob hier ein Beweisverwertungsverbot im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren eingreift. Es können Datenschutzbestimmungen verletzt werden, wenn eine Videokamera ohne konkreten Anlass Mitarbeiter im Betrieb filmt. Die Voraussetzungen hierfür gestalten sich diffizil und sind u.a. in § 4 Bundesdatenschutzgesetz geregelt (z.B. Gebot der der Erforderlichkeit und eines Anlasses und Hinweispflicht). Bei einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist fraglich, ob ein Beweisverwertungsverbot besteht. Im Steuerrecht ist dies durch den BFH noch nicht entschieden worden.

Es gibt jedoch ein Urteil des BGH: Für laufende Aufnahmen durch sog. Dashcams (Minikameras) hinter der Autoscheibe im öffentlichen Straßenverkehr hat der BGH entschieden, dass das permanente Aufzeichnen unzulässig ist (BGH, Urteil v. 15.5.2018, VI ZR 233/17). Diese Unzulässigkeit führt nach Ansicht des BGH aber nicht dazu, dass die Bilder in Zivilprozessen nicht verwertet werden dürfen. Es ist nach der Rechtsprechung des BGH eine Frage der Abwägung im Einzelfall, ob ein Beweisverwertungsverbot eingreift. Im Fall von Dashcams sei eine Verwertung zulässig, da diese Kameras ohnehin nur das aufzeichnen, was im öffentlichen Straßenverkehr ohnehin jeder mit eigenen Augen beobachten könne. Zudem ließen sich Unfälle nachträglich häufig nicht mehr vernünftig aufklären. Auch für Unfallgutachter könnten die Aufnahmen aber wichtige Anknüpfungspunkte liefern. Fraglich ist, ob diese Erwägungen des BGH auch für eine steuerliche Schätzung und eine Verwertung in steuerlichen Verfahren gelten. Die weitere Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Im Steuerrecht geht es Gegensatz zum Straßenverkehr nicht um die Aufklärung von Schäden an hohen Rechtsgütern wie Leib und Leben und um die strafrechtliche Sanktionierung, sondern formal „nur“ um Geld.

Umgekehrt kann ein Videobeweis auch einmal eine für den Steuerpflichtigen im Einzelfall entlastende Bedeutung haben. Dann sollte in die Abwägung auch eingestellt werden, dass eine Schätzung eine evtl. bestehende wirtschaftliche Existenzgefährdung zur Folge haben kann.

Beweiswert trotz kurzer Aufnahmedauer?

Gar nicht thematisiert wird durch das FG Hamburg die weitere Frage, wie der Beweiswert von zeitlich begrenzten Aufnahmen zu sehen ist. Aus der Aufzeichnung eines in einem Monat gefilmten Fehlverhaltens von Mitarbeitern kann nicht zwingend auf einen Zeitraum von mehreren Prüfungsjahren geschlossen werden. Denn angesichts der häufigen Personalfluktuation in der Gastronomie kann das Verhalten eines Mitarbeiters in einem Monat nicht repräsentativ für den gesamten Zeitraum sein. Im konkreten Fall hat sich das FG Hamburg allerdings nicht allein nur auf die Videoaufnahmen gestützt.

Zusammenfassend verwundert es, dass das FG Hamburg die Videobeweise in seinem Urteil zu Lasten des Steuerpflichtigen ohne eine erkennbare kritische Auseinandersetzung zugrunde legt. Dies zeigt einmal mehr, dass durch den Steuerberater/Steueranwalt möglichst schon im Einspruchsverfahren und auch im Klageverfahren alle maßgebenden Gesichtspunkte thematisiert werden sollten. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der mündlichen Verhandlung am Schluss des Verfahrens alle Gesichtspunkte noch einmal eingehend berücksichtigt werden.

Weitere Informationen:

Finanzgericht Hamburg v. 13.08.2018 – 2 V 216/17

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