Vermietung an nahe Angehörige: Der Mietspiegel hat gewonnen!

Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so bleibt der Werbungskostenabzug voll erhalten. Seit Beginn dieses Jahres reichen sogar 50 Prozent aus, allerdings ist bei Mieten zwischen 50 und 65,9 Prozent der ortsüblichen Miete eine Überschussprognose erforderlich (§ 21 Abs. 2 EStG).

Vor rund eineinhalb Jahren hatte das Thüringer FG entschieden, dass für die Prüfung der Grenze des § 21 Abs. 2 EStG auf die Miete abzustellen ist, die der Vermieter von einem fremden Vermieter verlangt, der im selben Haus eine vergleichbare Wohnung nutzt. Es bestünde kein Vorrang des örtlichen Mietspiegels (Urteil vom 22.10.2019, 3 K 316/19). Anschließend ist das FG Köln der Linie der Thüringer Kollegen gefolgt: Die allein sachgerechte Methode zur Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete liege im Streitfall in der Heranziehung der im gleichen Objekt vermieteten weiteren Apartments oder der Untervermietung der betroffenen Wohnungen (Urteil vom 28.5.2020, 13 K 196/18). Beide Gerichte hatten die Revision zugelassen, die jedoch nur im Fall aus Thüringen eingelegt worden ist.

Und siehe da: Die Revision war erfolgreich. Die ortsübliche Marktmiete ist grundsätzlich auf der Basis des Mietspiegels zu bestimmen. Kann ein Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden oder ist er nicht vorhanden, kann die ortsübliche Marktmiete z.B. mit Hilfe eines mit Gründen versehenen Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB, durch die Auskunft aus einer Mietdatenbank i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 558e BGB oder unter Zugrundelegung der Entgelte für zumindest drei vergleichbare Wohnungen i.S. des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB ermittelt werden; jeder dieser Ermittlungswege ist grundsätzlich gleichrangig (BFH-Urteil vom 22.2.2021, IX R 7/20).

Es ging um folgenden Sachverhalt: Die Klägerin vermietete eine 57 qm große Eigentumswohnung mit Einbauküche im ersten Obergeschoss an ihre Tochter zu einem Mietpreis von monatlich 300 Euro zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 70 Euro. Sie vermietete eine nahezu identische Wohnung im zweiten Obergeschoss desselben Gebäudes an einen Fremdmieter für monatlich 500 Euro zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 78 Euro. Das Finanzamt berücksichtigte die Werbungskosten nur mit einem Anteil von 64,01 Prozent. Denn die zwischen der Mutter und ihrer Tochter vereinbarte Miete von 370 Euro für 57 qm betrage nur 64,01 Prozent und damit weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete von 578 Euro/Monat. Als Maßstab für die Ortsüblichkeit zog das Finanzamt die Miete für die vergleichbare, im selben Haus liegende, fremdvermietete Wohnung heran. Einspruch und Klage blieben erfolglos, obwohl die verbilligte Miete – laut Berechnung der Klägerin – weit über 80 Prozent der Marktmiete lag, wenn der örtliche Mietspiegel herangezogen worden wäre. Der BFH ist der Argumentation der Klägerin gefolgt (weitere Details s. NWB Online-Nachricht Einkommensteuer | Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete – Vorrang des örtlichen Mietspiegels (für Abonnenten kostenfrei).

 Die Begründung ist bestechend einfach: Die Ableitung der ortsüblichen Marktmiete aus dem örtlichen Mietspiegel entspricht dessen Zweck. Er gehört zu den Informationsquellen, die eine leichte und schnelle Ermittlung der ortsüblichen Miete auf der Grundlage eines breiten Spektrums ermöglichen. Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn bei einer Miete innerhalb der vom Mietspiegel vorgesehenen Spanne gleichwohl im Einzelfall ermittelt werden müsste, ob nicht ein anderer Wert innerhalb der Spanne der angemessenere wäre.

Hinweise:

Ich gebe zu, dass ich nicht damit gerechnet hätte, dass die Revision erfolgreich sein wird, da ich die Logik des Finanzamts und der Finanzverwaltung eingängig fand. Insofern also ein Lob an die Klägerin, die nicht aufgegeben hat.

Bei aller Freude über das Urteil sei der guten Ordnung halber darauf hingewiesen, dass es Fälle gibt, in denen der örtliche Mietspiegel nicht zugrunde gelegt werden darf, etwa wenn er nicht regelmäßig an die Marktentwicklung angepasst wird oder an substanziellen Defiziten in der Datenerhebung leidet – so der BFH. Von daher steht zu befürchten, dass die Finanzverwaltung in der Praxis mit der „Nichtanwendbarkeit“ des Mietspiegels argumentieren wird.

Der – rechtskräftig gewordene – Fall aus Köln war übrigens durch bemerkenswert. Der Vater besaß ein Mehrfamilienhaus mit vier kleinen Apartments. Jeweils ein Apartment überließ er an Tochter und Sohn. Die von den Kindern verlangte Miete lag im Bereich des Mietspiegels von rund 10 Euro/qm. Die Bruttomiete für die fremdvermieteten Wohnungen lag indes über 20 Euro/qm. Und die Tochter hat ihr Apartment unmittelbar nach Anmietung sogar zum Mietpreis von 26,30 Euro/qm weitervermietet. Auch hier ging das Finanzamt ging davon aus, dass die ortsübliche Marktmiete nicht aus dem Mietspiegel abgeleitet werden könne; die Klage blieb erfolglos (Urteil vom 28.5.2020, 13 K 196/18, s.o.). Schade, dass dem BFH keine Gelegenheit gegeben wurde, hierüber zu entscheiden.

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