Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so bleibt der Werbungskostenabzug voll erhalten. Möglicherweise wird die Grenze im Zuge des Jahressteuergesetzes 2020 gesenkt – das ist aber ein anderes Thema. Mir geht es heute um die Frage des richtigen Vergleichsmaßstabs bei der Prüfung der 66-Prozent-Grenze.
Vor rund einem Jahr hat das Thüringer FG entschieden, dass für den Vergleich mit der ortsüblichen Marktmiete auf die Miete abzustellen ist, die der Vermieter von einem fremden Vermieter verlangt, der im selben Haus eine vergleichbare Wohnung nutzt. Es besteht kein Vorrang des örtlichen Mietspiegels (Urteil vom 22.10.2019, 3 K 316/19). Gegen das Urteil liegt bereits die Revision vor (X R 7/20). Dem BFH soll Gelegenheit gegeben werden, Stellung dazu zu nehmen, ob für die Ermittlung der Marktmiete allein ein vorhandener Mietspiegel vorrangig maßgebend sein soll und ob etwa eine Vergleichsmiete nur herangezogen werden darf, wenn kein Mietspiegel vorhanden ist.
Jüngst ist das FG Köln der Linie der Thüringer Kollegen gefolgt: Die allein sachgerechte Methode zur Ermittlung der ortsüblichen Marktmiete liege im Streitfall in der Heranziehung der im gleichen Objekt vermieteten weiteren Apartments oder der Untervermietung der betroffenen Wohnungen (Urteil vom 28.5.2020, 13 K 196/18). Auch das FG Köln hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist äußerst lesenswert, auch wenn allein die Sachverhaltsdarstellung recht umfassend ist und es um zahlreiche Einzelfragen ging. Ich versuche, mich auf einen Punkt zu beschränken: Der Kläger besaß eine Immobilie mit vier kleinen Apartments. Jeweils ein Apartment überließ er an Tochter und Sohn. Vor Gericht stritt man sich um die Frage, ob die Apartments zu weniger als 66 Prozent des ortsüblichen Mietpreises überlassen wurden. Der Vater stellte auf die – vermeintlich – ortsübliche Miete laut Mietspiegel von 9,90 EUR je Quadratmeter ab. Die von Tochter und Sohn verlangte Miete lag in etwa in diesem Bereich. Aber: Die Tochter hat ihr Apartment unmittelbar nach Anmietung für 26,30 EUR/qm weitervermietet. Und auch bei der Vermietung der anderen Apartments an fremde Mieter hat der Kläger sich nicht gerade selbstlos verhalten, sondern m Schnitt mehr als 20 EUR/qm verlangt. Da ist es dem Finanzamt wohl zu bunt geworden und die Werbungskosten wurden gekürzt. Mietspiegel und Vereinfachung hin oder her – die „echte“ Marktmiete lag weit, weit oberhalb der Miete, die von Tochter und Sohn verlangt wurde.
Das FG Köln ist der Auffassung des Finanzamts gefolgt. Es erscheine nicht mehr vermittelbar, den vollen Werbungskosten zu gewähren, wenn das der Tochter für 10 EUR/qm überlassene Apartment unmittelbar nach Anmietung zum Mietpreis von 26,30 EUR/qm weitervermietet wird. Aber auch unter Zugrundelegung üblicher Mieten bei der Vermietung von Kleinapartments lägen die verlangten Mieten erheblich unter den Marktmieten.
Hinweis:
Wie erwähnt liegt gegen das Thüringer Urteil bereits die Revision vor. Es wird spannend sein, wie der BFH entscheidet. Unabhängig davon wäre der Kläger im Kölner Fall wohl besser gefahren, wenn er den Kindern einen zeitlich befristeten Zuwendungsnießbrauch eingeräumt hätte. Dann wäre das offenbare Ziel, Einkünfte auf Tochter und Sohn zu übertragen, recht problemlos erreicht worden.
Weitere Informationen:
Thüringer FG, Urteil v. 22.10.2019 – 3 K 316/19
Verfahrensverlauf | BFH – X R 7/20 – anhängig seit 20.04.2020
FG Köln, Urteil v. 28.05.2020 – 13 K 196/18