BGH und BFH gehen unterschiedliche Wege – Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6.11.2018 Az: II ZR 11/17
Unter welchen Voraussetzungen kann sich ein Geschäftsführer darauf berufen, dass er keine Kenntnis von der Unternehmenskrise hatte?
Der Bundesgerichtshof hat sich mit dieser Frage befasst und dabei strenge Maßstäbe an die organisatorischen Pflichten des GmbH Geschäftsführers in der Krise angelegt. Im entschiedenen Fall hatten die Geschäftsführer die Aufgaben der verschiedenen Ressorts mündlich verteilt Einer der Geschäftsführer war für alle kaufmännischen Fragen, der Beklagte war nur für künstlerische Fragen zuständig. Er berief sich darauf, keine Kenntnis von der Insolvenzreife der Gesellschaft gehabt zu haben.
Ein interessanter Aspekt des Urteils: Dass die Ressortaufteilung nur mündlich vereinbart worden war, war aus Sicht des BGH kein Argument gegen eine Anerkennung der Abreden, obgleich dies von einigen Autoren in der juristischen Literatur unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH gefordert wird.
Das Kernargument des BGH: Nur wenn man davon ausgeht, dass eine sorgfältige Unternehmensleitung immer schriftliche Abreden erfordert, könne man mündliche Abreden als nicht ausreichend ansehen. Das sei aber nicht der Fall. Schriftliche Abreden seien zwar zu empfehlen, aber eben nicht der einzige Weg, das Unternehmen zu organisieren. Mit der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 26. April 1984 – V R 128/79, BFHE 141, 443) sieht sich der BGH damit nicht in Widerspruch. Der BFH akzeptiere zwar bei der Frage der steuerlichen Haftung des Geschäftsführers nur schriftliche Abreden zur Ressortverteilung. Anders als der Pflichtenkreis des Geschäftsführers nach § 34 AO sei die Haftung nach § 64 GmbHG aber nicht so stark vom öffentlichen Recht geprägt.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hätte der Beklagte aber noch viel genauer kontrollieren müssen, ob alles in Ordnung war, auch wenn er nicht mit den Finanzen des Unternehmens befasst war. Ressortaufteilung und Aufgabenverteilung sei zwar erlaubt. Soweit es um die Wahrnehmung von nicht übertragbaren Aufgaben, wie die Einstandspflicht des Geschäftsführers für die Gesetzmäßigkeit der Unternehmensleitung gehe, sei ein strenger Maßstab anzulegen. Diesen strengen Anforderungen habe der Geschäftsführer nicht genügt. Der BGH verwies die Sache daher an die Vorinstanz zurück.
Das Urteil des BGH ist eine Steilvorlage für Insolvenzverwalter, die Haftungsansprüche nach § 64 GmbHG gegen Geschäftsführer geltend machen, da die Anforderungen an eine Entlastung von einer Inanspruchnahme ressortfremder Geschäftsführer nochmals verschärft worden sind. Für Verfahren, bei denen die Entlastung von einer zivilrechtlichen oder steuerlichen Haftung mit dem Argument des Fehlens schriftlicher Abreden verweigert wird, liefert das Urteil sehr gute Argumente.
Kann es wirklich richtig sein, im Steuerrecht und Gesellschaftsrecht mit unterschiedlichem Maßstab zu messen?
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