Verlustnutzung in Verschmelzungsfällen ist kein Gestaltungsmissbrauch

Bei der Verschmelzung einer gewinnträchtigen mit einer verlustbehafteten Kapitalgesellschaft wird regelmäßig darauf geachtet, dass die Gewinngesellschaft auf die Verlustgesellschaft verschmolzen wird – und nicht umgekehrt.

Nur so bleiben die Verlustvorträge der Kapitalgesellschaft erhalten und können weiter genutzt werden, auch wenn es nach außen hin vielleicht nicht immer schön wirkt, wenn die eigentlich marode Gesellschaft weiter existiert und die solide Gesellschaft vom Markt verschwindet.

Ende 2017 hatte das Hessische FG erfreulicherweise entschieden, dass in der gewählten Verschmelzungsrichtung kein Gestaltungsmissbrauch zu sehen ist (Urteil vom 29.11.2017, 4 K 127/15). Eine unangemessene Gestaltung scheide deshalb aus, weil ihr die Existenz von § 12 Abs. 3 UmwStG und § 8 Buchst. c KStG entgegenstünden. So weit, so gut – wenn das FG nicht die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hätte. Und so hat die Praxis durchaus ein wenig gezittert. Doch soeben hat der BFH wie folgt geurteilt: Wird eine „Gewinngesellschaft“ auf eine „Verlustgesellschaft“ verschmolzen und verrechnet diese die positiven Einkünfte der „Gewinngesellschaft“ des Rückwirkungszeitraums mit ihren eigenen Verlusten, dann stellt dies nach der Rechtslage des Jahres 2008 keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar. Dies gilt auch dann, wenn die „Gewinngesellschaft“ die Gewinne des Rückwirkungszeitraums bereits an ihre frühere Muttergesellschaft ausgeschüttet hatte (BFH-Urteil vom 17.11.2020, I R 2/18)

In dem Urteilsfall ging es um eine recht komplizierte Struktur unter Zuhilfenahme von Swaps. Nach Ansicht des FG sprächen zwar beachtliche Gründe für das Vorliegen einer modellhaften Gestaltung durch das bewusste Stehenlassen der Swaps trotz Erreichens des wirtschaftlichen Sicherungszwecks. Ein insoweit vorliegender Gestaltungsmissbrauch bestünde jedoch auf Ebene der Bank, was nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen sei.

Auch der BFH konnte hinsichtlich der Verschmelzung keinen Gestaltungsmissbrauch erkennen: „Die gewählte Gestaltung kann auch nicht deswegen als unangemessen bewertet werden, weil durch die Wahl einer anderen Verschmelzungsrichtung die Regelung in § 12 Abs. 3 Halbsatz 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 2006 umgangen worden wäre. Denn es geht vorliegend nicht um die steuerliche Nutzbarmachung eines Verlusts, den ein anderes Steuerrechtssubjekt erwirtschaftet und zu tragen hat, sondern um die Verwertung des von der Klägerin selbst erzielten Verlusts. Diesbezüglich sind -jedenfalls nach der Rechtslage im Streitjahr – großzügigere Maßstäbe anzulegen.“

Aber Achtung:

Streitjahr war das Jahr 2008, also ein Jahr, in dem das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz noch in Kraft getreten war. 2 Abs. 4 Satz 3 UmwStG 2006 i.d.F. vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802) sieht nunmehr eine einzelgesetzliche „Umgehungsverhinderungsvorschrift“ vor, die eine Verlustnutzung für den Handel mit Verlustmänteln unterbinden soll. Insofern ist das Urteil also kein Freibrief für jegliche Gestaltung zur Verlustnutzung im Zuge von Umwandlungen. Siehe hierzu auch:

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