Bereits in meinem Beitrag über die interessanten Steuerstreitigkeiten im August 2017 habe ich über das anhängige Verfahren bei BFH (Az: VIII R 32/16) berichtet, in dem es um die Rechtsfrage geht, ob eine Veräußerung im Sinne der Einkünfte aus Kapitalvermögen auch vorliegt, wenn bei einer Veräußerung von Aktien der Veräußerungserlös die Transaktionskosten nicht übersteigt.
Zum Hintergrund: Aufgrund des BMF-Schreibens vom 18.1.2016 (Rz. 59) soll eine Veräußerung nicht vorliegen, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt. Mit Urteil vom 26.10.2016 (Az: 2 K 12095/15) hat das Niedersächsische Finanzgericht dieser Verwaltungsauffassung widersprochen. Nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts liegt eine entgeltliche Veräußerung auch dann vor, wenn wertlose Anteile ohne Gegenleistung zwischen fremden Dritten übertragen werden.
Tatsächlich sind demnach die Transaktionskosten nicht als Minderung des Veräußerungspreises anzusehen. Die Folge: Eine steuererhebliche Veräußerung liegt auch dann vor, wenn bei einer Aktienveräußerung der Veräußerungserlös die Transaktionskosten nicht übersteigt. Insoweit kann auch ein mit Veräußerungsgewinn verrechenbarer Veräußerungsverlust entstehen, wenn wertlose Aktien verkauft werden.
Für die Praxis ist zu beachten, dass die Bank an das vorliegende Schreiben des BMF gebunden ist. Dementsprechend wird das Kreditinstitut den Verlust aus der Veräußerung von (nahezu) wertlose Aktien weder bei der Abgeltungssteuer andere Aktiengewinne gegenrechnen, noch in eine Verlustbescheinigung übernehmen. Auch dies hat jedoch das Niedersächsische Finanzgericht bereits bedacht. Ein entsprechender Veräußerungsverlust kann nämlich nach Meinung der erstinstanzlichen Richter auch ohne Bescheinigung der Bank im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt werden, wenn wegen der die Bank bindenden Verwaltungsauffassung kein nicht ausgeglichener Verlust vorliegt und die Bescheinigung eines Verlustes durch den Steuerpflichtigen daher nicht erlangt werden kann.
Da dies in der Praxis die Regel sein dürfte müssen Steuerpflichtige (und deren steuerliche Berater) auch ohne Beleg einen entsprechenden Veräußerungsverlust unter Hinweis auf die Entscheidung aus Niedersachsen sowie das anhängige Verfahren beim BFH erklären. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird man dann gegen den Einkommensteuerbescheid unter Verweis auf das Musterverfahren Einspruch einlegen müssen, jedoch kann man sich dann, dank der zu gewährende Verfahrensruhe, zurücklehnen.
Weitere Informationen:
- Verfahrensverlauf | BFH – VIII R 32/16 – anhängig seit 20.07.2017 (per 08.08.2017)
- Niedersächsisches Finanzgericht v. 26.10.2016 – 2 K 12095/15