Über die Bilanzmanipulationen von Wirecard und deren Folgen hat Frau Dr. Carola Rinker in diesem Blog schon ausführlich und höchst interessant berichtet. Ich möchte heute den Blick auf ein steuerliches Problem lenken, bei dem ich unschlüssig bin und bei dem ich auf Ihre Mithilfe hoffe. Es geht nicht nur um Wirecard-Aktien, aber gerade hier könnte es aktuell werden.
Das Problem ist das Folgende: Falls Aktien mit einem hohen Verlust veräußert werden, kann der Verlust sofort mit Aktiengewinnen verrechnet oder ins kommende Jahr vorgetragen werden. So viel zum Grundsatz. Aber: Der Gesetzgeber will seit 2020 „missbräuchlichen“ Verkäufen steuerlich entgegentreten.
Das heißt etwas vereinfacht: Wird ein Totalverlust seit dem 1.1.2020 per „Ausbuchung“ von Aktien realisiert, ist der Ausgleich von Verlusten zwar weiterhin möglich, doch begrenzt auf 10.000 Euro im Jahr. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden. Diese Einschränkung gilt auch für die Übertragung wertloser Wertpapiere auf einen Dritten (§ 20 Abs. 6 Satz 6 EStG). Die Regelung soll nach der Gesetzesbegründung auch Veräußerungstatbestände erfassen, die zu Gestaltungszwecken abgewickelt werden, also insbesondere dann, wenn sich das „Solvenzrisiko bereits ganz oder teilweise realisiert hat“ (BT-Drucksache 19/15876 vom 11.12.2019).
Und jetzt die Gretchen-Frage: Wäre ein Verkauf einer Wirecard-Aktie an einen Dritten aus heutiger Sicht „missbräuchlich“ und könnte der Verlust dann nicht in voller Höhe mit Aktiengewinnen des Jahres 2020 verrechnet werden? Ich bin jedenfalls unschlüssig. Was meinen Sie?