Vergessene Beiträge ans Versorgungswerk – leider selbst schuld

Anfang 2005 sind das Alterseinkünftegesetz und mit ihm die Neuregelungen zur Rentenbesteuerung in Kraft getreten. Nach fast 18 Jahren streiten sich die Gelehrten noch immer darum, ob zumindest in bestimmten Fällen, vielleicht sogar ganz allgemein, eine Doppel- oder Übermaßbesteuerung eintreten kann, weil Altersvorsorgeaufwendungen in der Vergangenheit nicht hinreichend abgezogen werden konnten, während die Renten mit einem Besteuerungsanteil von – nahezu – 100 Prozent versteuert werden.

Nun musste sich der BFH mit dem Fall befassen, dass der Abzug von Altersvorsorgeaufwendungen in der Vergangenheit aufgrund eigenen Verschulden des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt wurde, nunmehr aber die Rente dennoch voll besteuert werden soll. Die Entscheidung des BFH: Eine doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und -bezügen kann sich nicht allein daraus ergeben, dass ein Steuerpflichtiger in der Vergangenheit keine Altersvorsorgeaufwendungen geltend gemacht hat, obwohl sie einkommensteuerlich abziehbar gewesen wären; in diesem Fall sind die Aufwendungen nicht in die nach den Maßstäben des Senatsurteils vom 19.5.2021 (X R 33/19) anzustellende Vergleichsrechnung einzubeziehen (BFH-Urteil vom 6.4.2022, X R 27/20).

Es ging um folgenden Sachverhalt:

Der Kläger leistete ab 1985 Beiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte. Seine für das Jahr 2005 entrichteten Beiträge in Höhe von rund 3.600 Euro blieben bei der Einkommensteuerveranlagung für 2005 mangels Geltendmachung als Sonderausgaben steuerlich unberücksichtigt. Im Streitjahr 2015 begehrte der Kläger, die zu versteuernde Rente um einen Teilbetrag zu mindern, soweit dieser auf den Beitragsleistungen des Jahres 2005 beruhte. Mit diesem Begehren scheiterte der Kläger. Die Begründung des BFH lautet unter anderem: Eine möglicherweise eintretende Doppelbelastung beruhe im Streitfall nicht auf einem Fehler des Gesetzes oder dessen Auslegung, sondern allein darauf, dass die Kläger die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zum Sonderausgabenabzug der Beiträge für das Jahr 2005 tatsächlich nicht in Anspruch genommen haben.

Denkanstoß:

Man mag geneigt sein, dem BFH schnell beizupflichten, nach dem Motto „Der Steuerpflichtige war halt selbst schuld“. Doch ich möchte hier entgegenhalten, dass es um die Beiträge des Jahres 2005 ging. Das Alterseinkünftegesetz war noch recht jung und – Hand aufs Herz – in allen Einzelheiten ist es sicherlich nicht sofort durchdrungen worden.

Aber unabhängig davon: Es ist der BFH selbst, der in dem Urteil vom 19.5.2021 die Parameter für die Vergleichsberechnung zur Ermittlung einer eventuellen Übermaßbesteuerung vorgegeben hat, und zwar – vereinfacht gesprochen – indem die Besteuerung der Renten mit dem Abzug der Altersvorsorgeaufwendungen verglichen wird. Nun räumt er selbst ein, dass es von diesem Prinzip Ausnahmen gibt. Ich bin sicher, dass wir noch weitere Ausnahmen erleben werden.


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