Vergessene AfA als offenbare Unrichtigkeit

Mit zwei Urteilen vom 10.09.2019 hat sich das Hessische Finanzgericht zum Vorliegen eines sog. Übernahmefehlers des Finanzamtes geäußert, der eine Änderung nach § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit ermöglicht. Besonders hervorzuheben ist die erstmalige  Auseinandersetzung eines Finanzgerichts mit dem maschinellen oder personellen Beiziehen des Inhalts der eAkte.

Sachverhalt

Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung hatte es die Klägerin versäumt in der Anlage V des betreffenden Vermietungsobjekts die AfA zu erklären. Das Finanzamt hatte in einem Vorjahr für das Objekt eine AfA-Tabelle in den festsetzungsnahen Daten hinterlegt. Im Einkommensteuerbescheid berücksichtigte das Finanzamt für das betreffende Objekt bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung keine Gebäude-AfA – trotz Ausgabe eines Prüfhinweises wegen der maschinell ermittelten Differenz der AfA-Beträge aus den festsetzungsnahen Daten und der Anlage V. Der Steuerbescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem die Klägerin bemerkt hatte, dass die AfA unberücksichtigt geblieben war, beantragte sie die Änderung des Einkommensteuerbescheides gem. § 129 AO wegen offenbarer Unrichtigkeit. Das Finanzamt lehnte die Korrektur nach § 129 AO ab, da auch der maschinelle Zugriff auf die festsetzungsnahen Daten als Ermittlungshandlung des Finanzamtes zu beurteilen sei, die eine offenbare Unrichtigkeit ausschließt. Die elektronisch hinterlegten Daten seien regelmäßig nicht Gegenstand der Veranlagung.

Entscheidung des Finanzgerichts

Eine offenbare Unrichtigkeit kann auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene, d. h. erkennbare, Unrichtigkeit als eigene übernimmt. Ist aber die Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, aber unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen, welches als offenbare Unrichtigkeit die Änderung des Steuerbescheides rechtfertigt.

Durch automatischen maschinellen Abgleich sind die festsetzungsnahen Daten im Rahmen der Veranlagung präsent. Sie gelten als automatisch hinzugezogen, unabhängig davon, ob der Bearbeiter dem Prüfhinweis auf die festsetzungsnahen Daten Folge leistete oder die Nachsicht in den Daten unterlässt. Im Streitfall war der maschinelle Zugriff auf die festsetzungsnahen Daten des Objekts erfolgt. Diese gelten damit als automatisch zur Veranlagung hinzugezogen. Die Daten mussten zum Abgleich nicht personell hinzugezogen werden. Daher liegt kein Ermittlungsfehler, sondern ein pflichtwidriges Übersehen der gespeicherten Daten vor. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO ist gegeben.

Würdigung der Entscheidung

Eine offenbare Unrichtigkeit liegt bei vergessener AfA, welche jedoch in den festsetzungsnahen Daten hinterlegt ist und maschinell abgeglichen werden kann, vor. Für die papierbasierte Aktenführung war dies von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung noch anders beurteilt worden, da das Hinzuziehen der Vorjahresakten zum Abgleich von AfA-Überwachungsbögen stets als gesonderte Ermittlungshandlung des Finanzamtes angesehen wurde, die eine Änderung nach § 129 AO ausschließt.

Für den besonderen Fall des Wechsels der Veranlagungsart (Az. 4 K 1018/18) hat das Finanzgericht entschieden, dass die Berücksichtigung vergessener AfA nach § 129 AO regelmäßig ausscheidet. Der maschinelle Abgleich mit den festsetzungsnahen Daten unter derselben Steuernummer ist in dieser Konstellation wegen der Veranlagung auf der abweichenden (Einzel-)Steuernummer ausgeschlossen. Erforderlich ist daher der personelle Abgleich als eigene Ermittlungshandlung des Finanzamtes, welche ein Übernahmeversehen unmöglich macht.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Weitere Informationen

Hessisches Finanzgericht, Urteile vom 10.09.2019, 4 K 1018/19 und 4 K 1318/18

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