Verdienstausfall-Entschädigung der Versicherung – Vorsicht Falle bei Zahlungen in zwei Veranlagungszeiträumen

Der Ersatz entgangener Einnahmen ist grundsätzlich steuerpflichtig. Wenn dieser Ersatz mehrere Jahre betrifft und – etwa durch eine Versicherung – zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum geleistet wird, ist er nach der Fünftelregelung des § 34 EStG immerhin ermäßigt zu besteuern.

Was aber gilt, wenn die Versicherung eines Schädigers, beispielsweise nach einem Unfall, den erlittenen Verdienstausfall ersetzt, doch die Einkommensteuer – aufgrund der so genannten modifizierten Nettolohnmethode – erst in einem späteren Veranlagungszeitraum von der Versicherung erstattet wird? Hierzu hat der BFH nun wie folgt geurteilt: Die erst in einem späteren Veranlagungszeitraum vom Schädiger erstattete Steuerlast auf den Verdienstausfallschaden hat zur Folge, dass keine für eine tarifermäßigte Besteuerung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG erforderliche Zusammenballung von Einkünften vorliegt. Der Ersatz eines Verdienstausfallschadens stellt keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar (BFH-Urteile vom 15.10.2024, IX R 5/23 und IX R 26/23).

Der Sachverhalt des Urteils IX R 26/23:

Die Klägerin war aufgrund medizinischer Behandlungsfehler bei einer Operation so erheblich geschädigt worden, dass sie in der Folge ihre Tätigkeit nur noch eingeschränkt ausüben konnte. In dem folgenden Rechtsstreit gegen das Krankenhaus und die behandelnden Ärzte wurde ein Vergleich geschlossen, wonach der Klägerin ein Verdienstausgleich von 190.000 Euro gezahlt und im Anschluss die hierauf entfallende Steuer übernommen werden sollten. Der Verdienstausfallschaden wurde nach der modifizierten Nettolohnmethode ermittelt. Die Versicherungen überwiesen in 2018 die vereinbarten Entschädigungen auf das Konto der Klägerin. Die Steuern sollten erst „bei Nachweis“, also erst bei Vorliegen des Steuerbescheides im Folgejahr, erstattet werden. Die Klägerin versteuerte die Verdienstausfallentschädigung wie Arbeitslohn. Die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG, das heißt die Fünftelregelung, wurde ihr aber versagt, denn die Versicherungen würden die Steuern erst im folgenden Veranlagungszeitraum erstatten. Mithin liege keine Zusammenballung von Einkünften vor, die für die Fünftelregelung erforderlich sei. Einspruch, Klage und Revision blieben ohne Erfolg.

Die Begründung:

Zu den steuerpflichtigen Entschädigungen zählt nicht nur der zunächst gezahlte Ausfall des Nettoverdienstes, sondern ebenso die vom Schädiger später erstattete Steuerlast. Der Nettoverdienstausfall und die Steuerlast sind Bestandteile eines einheitlichen Schadenersatzanspruchs, die lediglich zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgezahlt würden. Beides dient dem Ersatz entgehender Einnahmen des Geschädigten.

Eine tarifermäßigte Besteuerung ist ausgeschlossen, weil die Klägerin ihren gesamten Verdienstausfallschaden (einschließlich der hierauf beruhenden Steuerlasten) nicht zusammengeballt in nur einem Jahr ersetzt erhielt. Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt. Von diesem Grundsatz gibt es nur eng begrenzte Ausnahmen.

So ist § 34 Abs. 1 EStG trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird, wobei sich die Teilzahlungen im Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung darstellen müssen und die Nebenleistung nur geringfügig sein darf (das heißt regelmäßig nicht mehr als 10 Prozent der Hauptleistung). Eine weitere Ausnahme ist in solchen Fällen für geboten, in denen – neben der Hauptleistung – in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Solche Ausnahmen lagen im Streitfall aber nicht vor.

§ 34 Abs. 2 Nr. 4 Halbsatz 1 EStG setzt Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit voraus. Die geschuldete Tätigkeit muss Rechtsgrund für die Vergütung (Gegenleistung) sein. Im Streitfall bezog die Klägerin den Ersatz ihres Verdienstausfallschadens nur deshalb, weil sie infolge des Schadensereignisses nicht mehr vollumfänglich im Stande war und ist, eine Tätigkeit auszuüben. Rechtsgrund für die Vergütung ist somit keine Tätigkeit der Klägerin, sondern eine zivilrechtliche Schadenshaftung.

Denkanstoß:

Der Sachverhalt und die Begründung des zweiten BFH-Urteils waren ähnlich, so dass sie hier nicht weiter vorgestellt werden sollen. Letztlich bleibt nur die Erkenntnis, dass der BFH – von ganz wenigen Ausnahmen – bei der Frage der Zusammenballung von Einkünften sehr strikt ist.

Was ich nicht weiß ist, ob die Klägerin von der Versicherung nun den durch das jetzige BFH-Urteil entstandenen „Steuerschaden“ auch ersetzt erhält, so dass der finanzgerichtliche Streit „unterm Strich“ nicht die Klägerin selbst, sondern vielmehr die Versicherung des Schädigers betrifft.

Ich würde mich freuen, wenn einer der Leserinnen und Leser dieses Blogs dazu Stellung nehmen würde.

 

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