Verbrauch des „Halbsteuersatzes“ bei fehlerhafter Gewährung

Sind im zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte (z. B. Veräußerungsgewinn aus einer Betriebsveräußerung) enthalten, so kann auf Antrag die darauf entfallende Einkommensteuer teilweise nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden (sog. „Halbsteuersatz“), wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Der Steuerpflichtige kann die Vergünstigung nur einmal in seinem Leben und nur für einen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn in Anspruch nehmen.

Die Absolutheit und Unumstößlichkeit dieser gewichtigen Entscheidung, für welche außerordentlichen Einkünfte der Halbsteuersatz verbraucht wird, führt wiederholt zur finanzgerichtlichen Klärung.

Der BFH hatte in der Vergangenheit entschieden, dass eine antragsgebundene Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, für die Zukunft auch dann verbraucht ist, wenn die Vergünstigung vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist, insbesondere ein erforderlicher Antrag vom Steuerpflichtigen nicht gestellt worden ist. Entscheidend sei allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Wenn der Steuerpflichtige sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.

Das Schleswig-Holsteinische FG hat hierzu aktuell mit Urteil vom 28.11.2018, Az. 2 K 205/17, entschieden, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG durch die fehlerhafte Gewährung vor dem Streitjahr nicht verbraucht sei, weil in diesem früheren Jahr mangels Veräußerungsgewinns kein „verbrauchsfähiges Objekt“ gegeben war. Der Kläger sei nicht Steuerpflichtiger im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG und habe die Ermäßigung auch nicht unberechtigt in Anspruch genommen. Im Streitfall handelte es sich unstreitig um eine fehlerhafte Auswertung der Mitteilung über anteilige Einkünfte an einer Grundstücksgemeinschaft, die keine außerordentlichen Einkünfte waren.

Der Begünstigungszweck des Halbsteuersatzes sei die steuerliche Entlastung des anlässlich des Ausscheidens aus dem Berufsleben erzielten Gewinns im Hinblick auf die Altersvorsorge. Dieser Begünstigungszweck wäre verfehlt, wenn nicht einmal ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn und damit kein Wahlrecht vorliegen müsste, um zu einem Verbrauch der Vergünstigung aufgrund der vom Finanzamt zu Unrecht angesetzten Ermäßigung zu gelangen. Das sei mit dem Sinn und Zweck des Halbsteuersatzes nicht zu vereinbaren.

Auch hatten die Kläger keinerlei Veranlassung für die vom Finanzamt irrtümliche Annahme eines Veräußerungsgewinnes gegeben. Dies ist die entscheidende Feststellung des FG. Hier zeigt sich, dass bei geringfügig anderem Sachverhalt eine andere Rechtsfolge eingetreten wäre. Dem bisherigen Ergebnis der Rechtsprechung des BFH entsprechend wäre der Halbsteuersatz im früheren Zeitpunkt bereits verbraucht worden. Wären die Kläger irrtümlich selbst (zunächst) von einem Veräußerungsgewinn ausgegangen und hätten die entsprechende Sichtweise an das Finanzamt kommuniziert, wäre die spätere – nochmalige – Gewährung des Halbsteuersatzes mit guter Begründung zu versagen gewesen.

Die Revision wurde zugelassen.

Weitere Informationen:

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht v. 28.11.2018 – 2 K 205/17

 

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